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Über Jahrhunderte wurden die Juden in der Schweiz verfolgt, vertrieben oder ausgegrenzt. Erst vor 150 Jahren kam mit einer Volksabstimmung auch hierzulande die Emanzipation zustande. Mit der Gewährung der Niederlassungsfreiheit wurden die Schweizer Juden am 14. Januar 1866 den übrigen Schweizer Bürgern gleichgestellt. Seither haben sie die Entwicklung dieses Landes massgebend mitgeprägt, sei es in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oder Kultur. Heute leben rund 18’000 Jüdinnen und Juden in der Schweiz.
Das 150-Jahre-Jubiläum wird mit einer Wanderausstellung gefeiert, die an verschiedenen Orten der Schweiz zu sehen ist – jetzt auch für zwei Wochen im Lichthof der Universität Zürich. Gezeigt werden Aufnahmen des Fotografen Alexander Jaquemet, der jüngere und ältere, bekannte und unbekannte Menschen aus verschiedenen Landesteilen und unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten porträtiert hat.
«Die Menschen, von denen diese Ausstellung erzählt, verbinden ganz selbstverständlich ihr Judentum und ihre Schweizer Heimat», stellte die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch in ihrem Grusswort an der gestrigen Vernissage fest. Erfolgreiche Integration sei daran zu erkennen, dass «Vielfalt und Eigenheit sichtbar und öffentlich gelebt werden», sagte sie.
Unter den fünfzehn Porträtierten hob Corine Mauch die ehemalige Bundesrätin Ruth Dreifuss hervor. Als erste Jüdin im Bundesrat und als erste Bundespräsidentin habe Ruth Dreifuss wichtige Wegmarken in der Schweizer Geschichte gesetzt.
«Die Vielfalt jüdischen Lebens gehört zu Zürich wie die Limmat», sagte Mario Fehr, Regierungspräsident des Kantons Zürich. Die Juden seien heute in der Schweiz nicht einfach bloss integriert, sie seien elementarer Teil der Gesellschaft – und sie hätten selbst viel zur Offenheit und Liberalität dieser Gesellschaft beigetragen. Die Emanzipation der Juden im Jahr 1866 sei nicht nur ein grosser Schritt für die Juden, sondern auch ein grosser Schritt für die Schweiz insgesamt gewesen. «Die Schweizer», so Fehr, «haben damals einen Sieg über die eigenen Vorurteile errungen.»
Herbert Winter, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds SIG, zeigte sich erfreut darüber, dass die Porträt-Ausstellung «nicht an irgendeinem Ort, sondern im Lichthof der UZH» gezeigt werde. Er erinnerte in seiner Rede an den aus Kassel stammenden Historiker Max Büdinger, der 1861 als erster jüdischer Professor an die UZH berufen und drei Jahre später sogar zum Rektor gewählt wurde.
Büdinger, so Winter, habe zwar zu den angesehensten Persönlichkeiten Zürichs gehört. Trotzdem sei ihm der Kauf eines Hauses gesetzlich untersagt gewesen – aufgrund der Ausnahmebestimmungen für Juden, die erst in der Volksabstimmung von 1866 abgeschafft wurden. Die Zürcher Stadtbevölkerung votierte damals mit 93 Prozent, also mit überwältigender Mehrheit, für die rechtliche Gleichstellung der Juden. Gesamtschweizerisch fand sich dafür nur eine knappe Mehrheit von 53 Prozent.
Michael Hengartner, Rektor der Universität Zürich, machte in seiner Rede darauf aufmerksam, dass die UZH jungen Jüdinnen und Juden schon früh die Möglichkeit bot, sich intellektuell zu entfalten. Als erste deutschsprachige Universität liess die UZH Frauen zu Lehrveranstaltungen zu – worauf viele Jüdinnen aus Osteuropa zum Studieren nach Zürich kamen. Ihr Vorbild ebnete vielen Schweizer Frauen den Weg an die Universität.
In der Reihe jüdischer Studentinnen der UZH finden sich bekannte Namen: Zum Beispiel Fanny Berlin (1852 – 1921), die nach ihrem Studium in die USA auswanderte und eine der ersten amerikanischen Chirurginnen wurde. Oder Rosa Luxemburg (1871-1919), die ihren Kampf für Frieden und Gerechtigkeit mit dem Leben bezahlte. Oder die Helvetas-Mitbegründerin Regina Kägi-Fuchsmann (1889 – 1972).
«Viele Studentinnen und Studenten jüdischer Herkunft», so Hengartner, «fanden an der UZH Freiräume, in denen sie losgelöst von ideologischen Zwängen und sozialen Einschränkungen wissenschaftlich tätig sein konnten. Mit ihrem Willen, nach neuen Erkenntnissen zu streben, ihrem Mut, kritische Fragen zu stellen, und mit ihrem sozialen Engagement vertraten sie zentrale Werte, denen sich die UZH bis heute verpflichtet fühlt.»