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Die persönlichen Erfahrungen von Rolf Zinkernagel mit dem Nobelpreis bildeten den Auftakt einer kurzweiligen und interessanten Gesprächsrunde über herausragende Forschung und den Wissenschaftsstandort Zürich. Moderator Beat Glogger, selbst ein UZH-Alumnus, stellte dem preisgekrönten Immunologen Zinkernagel zu Beginn die «einfache Frage», wie man einen Nobelpreis gewinnen könne?
Der wortgewandte Immunologe, der von 1979 bis 2008 an der UZH forschte und lehrte und 1996 zusammen mit Peter Doherty den Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhielt, antwortete trocken: «Einfach, man wartet auf das Telefon aus Stockholm». Um dann hinzuzufügen, dass es eine gute Ausbildung, viel harte Arbeit, eine gewisse Intelligenz – und vor allem Glück dazu brauche.
UZH-Rektor Michael Hengartner hat selbst keinen Nobelpreis erhalten, forschte als Wissenschafter aber während mehreren Jahren im Labor des preisgekrönten Forschers Robert Horvitz am MIT bei Boston. Horvitz erhielt 2002 die Nobelmedaille für Arbeiten mit dem Fadenwurm C.elegans. «Ich hatte immerhin das richtige Gespür für ein nobelpreiswürdiges Forschungsthema», meinte Hengartner schmunzelnd.
Und betonte die Faktoren Arbeit und Glück. Es sei für eine erfolgreiche Karriere ausserordentlich wichtig, mit den richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt zusammen zu treffen. Das könne man nicht kontrollieren, aber – einen Forscherkollegen zitierend – provozieren: Je mehr man arbeite, desto mehr glückliche Zufälle gibts.
Mit diesen Ausführungen war die einstündige Gesprächsrunde lanciert, zu der Alumni UZH letzten Freitagabend ins Stadthaus eingeladen hatte. Peter Isler, Präsident der Ehemaligen-Vereinigung, erläuterte bei der Begrüssung der knapp 200 Gäste, dass die Ausstellung «Einstein & Co – Zürich und der Nobelpreis» den Anstoss für die Veranstaltung «Wie gewinnt man den Nobelpreis?» gegeben habe. Die Ausstellung dokumentiere hervorragend das grosse Potential des Forschungsstandorts Zürich, der viele herausragende Köpfe hervorgebracht habe.
Wie in anderen Bereichen auch, findet bei Bildung und Forschung ein globaler Wettbewerb um die besten Köpfe statt, bei dem Zürich mithalten muss. Dem Wissenschaftsstandort Zürich sei Sorge zu tragen, denn er sei enorm wichtig, betonte auch Kulturdirektor Peter Haerle, der im Namen der Stadtregierung sprach.
Im folgenden loteten die Referenten aus, was herausragende Forschung ausmacht. Beat Glogger gelang es immer wieder, überraschende Parallelen zwischen den beiden Wissenschaftlern aufzuzeigen. So beim Thema Zufall. Michael Hengartner wollte ursprünglich Physik studieren, aber die zufällige Lektüre eines Biologie-Buchs („What is life“) weckte seine Neugier auf die Molekularbiologie.
Unvorhergesehene Wendungen gab es auch bei Rolf Zinkernagel, der sich zuerst zum Chirurgen berufen fühlte und dann aufgrund eines Weiterbildungskurses in Experimenteller Medizin an der UZH in die biomedizinische Grundlagenforschung einstieg. Der Zufall spielte dann auch eine wichtige Rolle bei den preisgekrönten Experimenten: Nur weil die Laborergebnisse nicht mit den Erwartungen übereinstimmten, kamen die Forscher auf die richtige Spur. Ihre Entdeckungen bildeten die Grundlage zum Verständnis der zellulären Abwehr virusinfizierter Zellen.
«Wir passten auf und stellten aufgrund der unerwarteten Beobachtungen die richtigen Fragen», erläuterte Zinkernagel. Eine Fähigkeit, die Michael Hengartner als besonders wichtig hervorhob: «Man darf als Forschender nicht an Hypothesen festhalten, wenn die experimentellen Fakten nicht stimmen.» Stattdessen bedeute gute Wissenschaft, dass man nach alternativen Erklärungen für unerwartete Resultate suche.
Gemeinsamkeiten zeigten die Referenten ebenfalls beim Thema Internationalität. Michael Hengartner, geboren in St. Gallen, wuchs in Quebec (Kanada) auf, wo er seine Studien begann. Seine Wanderjahre als Forscher führten ihn an verschiedene US-Universitäten und 2001 als Professor für Molekularbiologie an die Universität Zürich. Rolf Zinkernagel hängte an seine Studienjahre in Zürich und Lausanne einen Forschungsaufenthalt in Canberra (Australien) an.
Entsprechend betonten beide Redner die Bedeutung internationaler Erfahrungen. «Studien und Aufenthalte im Ausland bringen sehr viel», sagte Michael Hengartner. Mit Blick auf die junge Familie, die ihn nach Australien begleitete, erwähnte Zinkernagel auch die Risikobereitschaft, die dazu nötig sei.
Es folgte ein kurzer Exkurs in die aktuelle Politik zum Thema Masseneinwanderungsinitiative, die Beschränkungen in der Personenfreizügigkeit fordert. Angesichts der Internationalität in der Forschung sei dieses Begehren für die Hochschulen problematisch. Es sei klar, dass die EU ein wichtiger Partner bleiben müsse, sagte der Rektor. Und der Nobelpreisträger sekundierte: «Wir profitieren von einer liberalen Rekrutierungspraxis.»
Blieb die Frage des Abends: Wie fördert man Kreativität, um auch in Zukunft mit nobelpreiswürdigen Leistungen aufwarten zu können? Für Michael Hengartner folgt daraus die Verpflichtung, die besten Leute nach Zürich zu holen, um ein kreatives Umfeld zu schaffen: den Nährboden für exzellente Forschung. Getreu der Losung des amerikanischen Nobelpreisträger James Watson, der seinen Erfolg einmal damit erklärt hat, dass man sich mit Leuten umgeben solle, die klüger sind als man selbst. Rolf Zinkernagel meinte einmal mehr trocken: «Geld brauchts auch.»
Womit die Schlussrunde zur Finanzierung eingeläutet war. Beide Referenten waren sich einig, dass der Kanton mit seinen Beiträgen für eine solide Grundfinanzierung der Universität Zürich sorgt. Diese Mittel garantierten das Grundangebot und die breite Diversität der UZH mit ihren sieben Fakultäten. Aber für ausserordentliche Leistungen, das heisst ungewöhnliche und riskante Forschungsexperimente, die Rolf Zinkernagel als «Samstagmorgen-Experimente» bezeichnete, weil sie ausserhalb des Mainstreams stattfinden und schief gehen können – für solche Leistungen brauche es zusätzliche Mittel. Drittmittel könnten nebst dem Nationalfonds und Stiftungen auch von Firmen kommen. Wobei der Unabhängigkeit der Universität Sorge zu tragen sei.
Zwar kann man Nobelpreise nicht planen, so das Fazit der Talkrunde, aber die Wahrscheinlichkeit für bahnbrechende Erkenntnisse mit einem stimulierenden Umfeld erhöhen.