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Herr Hengartner, herzliche Gratulation zu Ihrer Wahl zum Präsidenten von swissuniversities! Was hat Sie dazu bewogen, sich für das Amt zur Verfügung zu stellen?
Michael Hengartner: swissuniversities ist eine junge Organisation mit sehr grossem Potential. Zur Zeit befindet sie sich in der Aufbauphase. Wir müssen intern noch herausfinden, wie wir am besten zusammenarbeiten, und viele Prozesse müssen erst noch etabliert werden. Das interessiert mich. Dinge in die Gänge zu bringen ist meine Stärke, und es interessiert mich auch mehr als das Bewahren des Status quo.
Anfang 2015 hat die gemeinsame Rektorenkonferenz der universitären Hochschulen, der Fachhochschulen und der Pädagogischen Hochschulen erstmals getagt. Was ist, auf eine kurze Formel gebracht, die Funktion von swissuniversities?
Michael Hengartner: swissuniversities hat zwei Hauptfunktionen: Erstens koordiniert sie die Zusammenarbeit der schweizerischen Hochschulen, und zweitens bildet sie ein Scharnier zur Politik, indem sie die Interessen der Hochschulen auf nationaler und auch internationaler Ebene vertritt. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir diese politische Mitverantwortung wahrnehmen, denn für die gegenwärtige und zukünftige Situation der Schweiz spielen die Hochschulen eine entscheidende Rolle.
Welche Geschäfte stehen für Sie in den kommenden Monaten ganz oben auf der Agenda der Hochschulrektorenkonferenz?
Michael Hengartner: Es gibt drei besonders drängende Themen: Erstens muss sichergestellt werden, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Schweiz weiterhin am EU-Forschungsförderungsprogramm Horizon 2020 teilnehmen können. Die Zeit, die noch bleibt, dafür eine Lösung zu finden, ist knapp: Die provisorische Teilassoziierung am Programm, welche die EU der Schweiz nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative zugestanden hat, dauert nur bis Ende 2016.
Zweitens wird uns die Hochschulfinanzierung stark beschäftigen, denn die Phase der relativ gut gefüllten Staatskassen scheint vorerst vorüber zu sein.
Drittens müssen wir in der bisher kontrovers diskutierten Frage nach dem Promotionsmöglichkeiten von Angehörigen der Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen weiterkommen. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam eine gute Lösung finden, wie wir dem Wunsch der Fachhochschulen und der Pädagogischen Hochschulen, Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler für den eigenen Bedarf auszubilden, Rechnung tragen können.
Bis Ende 2014 hatte jeder Hochschultyp seine eigene Rektorenkonferenz, die Universitäten zum Beispiel waren in der CRUS organisiert. Was sind die Vorteile beziehungsweise die Nachteile der neuen Struktur gegenüber der alten?
Michael Hengartner: Die Plenarversammlung von swissuniversities ist mit über 30 Mitgliedern etwa dreimal so gross wie die CRUS, und sie ist viel heterogener zusammengesetzt. Die Entscheidungsfindung wird so natürlich anspruchsvoller. Der Vorteil ist, dass die Hochschulen nun viel einfacher mit einer Stimme sprechen können. So können sie ihren Anliegen in der Politik und der Gesellschaft mehr Nachdruck verleihen. Dies natürlich nur, wenn wir geschlossen auftreten. Das wird uns auf Anhieb nicht immer gelingen. Wir müssen erst noch herausfinden, wie wir intern am besten zusammenarbeiten, um zu gemeinsamen Positionen zu kommen. Da steht uns ein interessanter Lernprozess bevor.
Wie sehen Sie Ihre Rolle als Präsident von swissuniversities?
Michael Hengartner: Ich sehe mich als Koordinator und Vermittler. Bei Konflikten wird es meine Aufgabe sein, streitende Parteien an einen Tisch zu bringen. Zudem ist es meine Aufgabe, der Politik und der Gesellschaft gegenüber die Position der Hochschulen mit guten Argumenten zu erklären.
Wie stark werden Sie sich als Präsident der swissuniversities für die spezifischen Interessen der Universitäten einsetzen?
Michael Hengartner: Der Vorsitzende einer Organisation muss immer das Ganze im Blick haben. Ich werde meine Interessen als UZH-Vertreter zugunsten einer unparteiischen, ausgleichenden Haltung zurückstellen müssen. Aber das lässt sich verschmerzen: Die neun anderen Universitätsrektorinnen und -rektoren sowie die Präsidenten der beiden ETHs werden die Anliegen der universitären Hochschulen bei swissuniversities gut vertreten.
Innerhalb von swissuniversities gibt es auch eine Universitätskammer. Welches ist dort Ihre Rolle?
Michael Hengartner: In der Universitätskammer werde ich als gewöhnliches Mitglied unbelastet von meiner Präsidentenfunktion die Sichtweise der UZH einbringen können.
Wie gross sind die Differenzen zwischen universitären Hochschulen, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen, und wie gross sind die Gemeinsamkeiten?
Michael Hengartner: Eine Gemeinsamkeit ist, dass wir grossen Wert auf Unterschiede legen. Unser Grundsatz lautet, dass universitäre Hochschulen, Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen erstens gleichwertig, zweitens aber auch andersartig sind. Indem wir den spezifischen Profilen der drei Hochschultypen Sorge tragen, erhalten und fördern wir auf der Tertiärstufe die Diversität und Komplementarität der Bildungsangebote, die eine der grossen Stärken des Schweizer Bildungssystems darstellt. Die Angebotsvielfalt kommt nicht nur den individuell verschiedenen Begabungen und Interessen der Studierenden entgegen, sondern ist auch eine adäquate Antwort auf die Nachfrage nach unterschiedlich ausgebildeten Berufsleuten auf dem Arbeitsmarkt.
Könnte es zu einer Verwässerung der Profile kommen, wenn die drei Hochschultypen im Rahmen von swissuniversities enger zusammenarbeiten?
Michael Hengartner: Zu einer Verwässerung kommt es, wenn alle Hochschultypen anfangen, ihren Studierenden dasselbe anzubieten. Diese Gefahr besteht zwar, aber sie wird sicher nicht grösser, sondern eher kleiner, wenn die Hochschulen im Rahmen von swissuniversities zusammenarbeiten und sich besser koordinieren.
Wie kann man die Profile der Hochschulen stärken?
Michael Hengartner: Indem sie sich strikt an dem im neuen Hochschulförderungs- und -Koordinationsgesetz festgehaltenen Grundsatz orientieren, dass die Hochschultypen gleichwertig, aber andersartig sind. Jeder Hochschultyp nimmt eine besondere Funktion im Gesamtgefüge der tertiären Bildungsstufe wahr – und sollte sein Studienangebot an dieser Funktion ausrichten.
Die drei Hochschultypen stehen in einem komplementären, nicht in einem hierarchischen Verhältnis zueinander. Sie können untereinander also nicht gerankt werden, sondern orientieren sich an je eigenen Massstäben. Fachhochschulen sind keine «zweitrangigen» Universitäten, sondern vollwertige und international anerkannte Hochschulen eigener Art mit spezifischen Qualitäten. Wir streben im Hochschulraum Schweiz erstklassige Fachhochschulen, erstklassige Pädagogische Hochschulen und erstklassige Universitäten an.
Die spezifische Funktion der Pädagogischen Hochschulen leuchtet unmittelbar ein, sie dienen der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Was aber macht im Kern den Unterschied zwischen den Fachhochschulen und Universitäten aus?
Michael Hengartner: Die wesentlichen Unterschiede lassen sich allesamt aus dem dualen Berufsbildungssystem der Schweiz herleiten. Der Zugang zu Fachhochschulen erfolgt normalerweise über einen Lehrabschluss, der Zugang zu den Universitäten dagegen meist über eine gymnasiale Matura. Die FH-Studierenden bringen also andere, stärker praktisch gelagerte Erfahrungen mit als Universitäts-Studierende. Entsprechend praxisbezogener sind die Studiengänge an den Fachhochschulen.
Wie steht es in der Forschung: Sollten Fachhochschulen nur anwendungsorientierte Forschung und die Universitäten nur Grundlagenforschung betreiben?
Michael Hengartner: Nein, das wäre dogmatisch und realitätsfremd. Tendenziell ist die Forschung an Fachhochschulen zwar eher anwendungsorientiert und an den universitären Hochschulen eher grundlagenorientiert, aber daran sollte man die Unterscheidung der Hochschultypen nicht festmachen. An den Universitäten wurde immer auch anwendungsorientiert geforscht, denken Sie etwa an die Ingenieurwissenschaften oder an die klinische Forschung in der Medizin, in der es darum geht, neue Medikamente zu testen und neue Therapien zu entwickeln. Wie hoch die Qualität der angewandten Forschung an der UZH ist, zeigt sich zum Beispiel an der hohen Zahl der Patentanmeldungen und an den vielen Startups, die von unseren Forschenden bisher gegründet wurden. Entsprechend ist auch für die universitären Hochschulen die praxisnahe Innovations-Förderung der KTI hoch interessant.
Umgekehrt finde ich es sinnvoll und wettbewerbsfördernd, wenn auch die Fachhochschulen und die Pädagogischen Hochschulen Fördergelder vom SNF für Projekte in der Grundlagenforschung beantragen. Ich bin für eine pragmatischere Haltung in der Forschungsfinanzierung. Damit fügen wir den Profilen der verschiedenen Hochschultypen keinen Schaden zu.
Sind Sie der Meinung, dass die Durchlässigkeit zwischen den Hochschulen erhöht werden sollte?
Michael Hengartner: Die heutigen Übertrittsregelungen sind teilweise undurchsichtig und uneinheitlich. Es ist völlig unbestritten, dass wir sie transparenter gestalten müssen. Klar ist aber auch, dass Übertritte auch in Zukunft mit Auflagen verbunden sein müssen. Wer von der Universität an eine Fachhochschule wechseln will, muss Praxiserfahrungen nachholen, umgekehrt muss akademisches Wissen nachholen, wer an einen universitären Studiengang wechselt. Die Studienvoraussetzungen der drei Hochschultypen müssen unterschiedlich bleiben, sonst haben wir am Ende statt klarer Profile jenen Einheitsbrei, den wir vermeiden wollten.
Es geht also darum, dass die Hochschulen enger zusammenarbeiten, ohne sich anzugleichen?
Michael Hengartner: Genau. Dazu gehört übrigens auch, dass man Studiengänge an den verschiedenen Hochschultypen, die sich inhaltlich ergänzen – wie etwa das Medizin- und das Pflegestudium – , stärker in Bezug zueinander setzt. Studienabsolventinnen und -absolventen müssen imstande sein, im Berufsleben mit Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten, die eine andere Bildungsbiografie haben als sie selbst. Um beim Beispiel zu bleiben: Ärztinnen und Ärzte werden mit grosser Wahrscheinlichkeit eng mit Pflegefachleuten zusammenarbeiten. Sie sollten darauf schon im Studium vorbereitet werden – dafür müssen die verschiedenen Hochschulen gemeinsam sorgen.