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Die Vorstellung ist furchterregend: unter einer Lungenkrankheit zu leiden und nicht genug Luft zum Atmen zu kriegen. Erstickungsgefühle. Todesängste. In schweren Fällen lässt nur eine Lungentransplantation auf Rettung hoffen. Professor Walter Weder, Direktor der Klinik für Thoraxchirurgie am Universitätsspital Zürich, ist einer der Pioniere auf diesem Gebiet und beschäftigt sich seit über dreissig Jahren mit Lungentransplantationen.
Weder referierte vergangene Woche im Rahmen der Veranstaltungsreihe Wissen-schaf(f)t Wissen des Zürcher Zentrums für Integrative Humanphysiologie. Die Vorträge widmen sich noch bis im Mai den «Zürcher Pionieren der modernen Chirurgie».
Walter Weder führte die Zuhörer zurück in die Anfangszeit der Lungentransplantationen. Damals noch Assistenzarzt, reiste er 1988 in die USA an die Washington University St. Louis, um bei der Entwicklung der Lungentransplantation mit dabei zu sein. Er liess sich auch von den warnenden Worten seiner damaligen Vorgesetzten nicht davon abhalten.
In den USA fand er ein Umfeld, in dem das Thema Lungentransplantation von anderen Forschern und Ärzten mitgetragen wurde. Doch irgendwann plagten den jungen Mediziner Zweifel, wie seine berufliche Zukunft in der Schweiz aussehen könnte. Würde er auch in der Schweiz Unterstützung finden und weiterhin auf diesem Spezialgebiet arbeiten können? Trotz der Unsicherheit blieb er bei seinem Entscheid und konzentrierte sich in den folgenden zehn Jahren in den USA auf die technischen Herausforderungen des operativen Eingriffs.
Zurück in der Heimat konnte Walter Weder 1992 seinen ersten grossen Erfolg feiern: Es gelang ihm die erste erfolgreiche Lungentransplantation in der Schweiz. Die Patientin war eine junge Frau und Mutter zweier Kinder. «Die Operation verlief perfekt», erinnerte sich Weder in seinem Referat. Vor dem Eingriff hatte er alle für die Operation nötigen Schritte und Schnitte an Leichen wieder und wieder geübt. «Keine besonders angenehme Arbeit», liess Weder durchblicken. Gelohnt hat es sich.
Noch heute ist eine Lungentransplantation eine anspruchsvolle Operation. Sie bedingt das Zusammenspiel eines hochqualifizierten interdisziplinären Teams von Spezialisten. Viele Aspekte müssen stimmen. «Es braucht das passende Organ für den Patienten, die richtige Operationstechnik, spezialisierte Intensivmedizin und eine differenzierte und sorgfältige Langzeitbehandlung», so Weder.
Gerade die Nachbehandlung der Patienten ist ein zentrales Thema. Die Operierten müssen für den Rest ihres Lebens Immunsuppressiva einnehmen. Das führt dazu, dass der gesamte Organismus infektanfälliger wird. Die Lunge, die über die Atemluft permanent in Kontakt mit der Aussenwelt ist, ist dabei besonders gefährdet.
Das bestätigte an der Veranstaltung auch Ivan, ein junger Mann, der vor vier Jahren eine Lunge transplantiert bekam und an der Veranstaltung anwesend war: «Schon beim geringsten Anzeichen einer Infektion erhalte ich sofort eine intravenöse Antibiotika-Infusion.» Ivans Operation war damals besonders spektakulär, da ihm und einem anderen Kind je zwei Viertel der Lunge eines grossgewachsenen Mannes transplantiert wurde. «Zuvor habe ich kaum atmen können und musste ständig husten. Heute kann ich alles machen. Fussballspielen, Joggen, Skifahren – einfach das Leben geniessen», erzählte er. Eben hat er die Matura abgeschlossen. Jetzt will er Medizin studieren.
Die Zahl der Lungentransplantationen nimmt stetig zu. Walter Weder operiert am Universitätsspital Zürich 30 bis 40 Patienten pro Jahr. Insgesamt rund 500 Patientinnen und Patienten waren es bisher. Die Operationstechnik macht Fortschritte, und die damit verbundene verlängerte Lebenserwartung ist beachtlich – fast 80 Prozent der Patienten überleben heutzutage mindestens fünf Jahre. «Aber es herrscht ein massiver Organmangel. Viele Patienten sterben, während sie auf der Warteliste für eine Spenderlunge stehen», so Weder.
Doch auch in diesem Punkt gibt er nicht so leicht auf. Ein neues Vorgehen erlaubt es, die Funktionsfähigkeit einer Lunge von nicht ausreichender Qualität so weit zu verbessern, dass sie trotzdem für eine Transplantation genutzt werden kann. Für den Chirurgen ist das eine Lunge mehr, mit der er Leben retten kann.