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«Nicht jeder, der nach Indien fährt, entdeckt Amerika», dichtete einst Erich Kästner. Zu den Glücklichen, denen es vergönnt war, unverhofft und ungeplant eine bedeutende wissenschaftliche Entdeckung zu machen, gehört der Immunologe Rolf Zinkernagel. Eigentlich hatte er zusammen mit dem Veterinärmediziner Peter Doherty untersucht, wie die Immunreaktion des Körpers gegen ein Virus ausfällt, das bei Mäusen Hirnhautentzündung auslöst. Was die beiden Forscherfreunde 1973 dabei durch Zufall herausfanden, war dann etwas viel Grundlegenderes: Sie entdeckten, wie das Immunsystem virusinfizierte Zellen erkennt.
Als Antwort auf die Frage, wie gross die Rolle des glücklichen Zufalls in seiner wissenschaftlichen Laufbahn gewesen sei, zitierte Rolf Zinkernagel ein amerikanisches Sprichwort: «The harder I work, the luckier I get». Auch die «Zinkernagelsche Nobelpreisformel» kam zur Sprache: 50 Prozent Glück, 49,5 Prozent Fleiss und nur 0,5 Prozent Idee – dies sei die Mixtur, die ihm schliesslich seinen wissenschaftlichen Erfolg eingetragen habe, sagte Zinkernagel.
Es war überhaupt viel vom Glück die Rede in dem pointenreichen Podiumsgespräch mit Rolf Zinkernagel und UZH-Rektor Michael Hengartner, das im Rahmen der Ausstellung «Einstein & Co – Zürich und der Nobelpreis» letzte Woche im Zürcher Stadthaus über die Bühne ging. Denn auch UZH-Rektor Michael Hengartner wusste vom Forscherglück zu erzählen: So schilderte er zum Beispiel, wie er als junger Molekularbiologe zu seinem Thema, dem programmierten Zelltod, fand – und wie er um ein Haar die glänzende Gelegenheit verpasst hätte, im Team des späteren Nobelpreisträger Robert Horvitz am MIT mitzuwirken.
Doch hören Sie selbst...
Im weiteren Verlauf des Abends unterhielten sich Rolf Zinkernagel und Michael Hengartner unter anderem über den Stellenwert individueller Leistungen in der Forschung, über die Unterschiede zwischen der kontinentaleuropäischen und der angelsächsischen Wissenschaftskultur und über die Auswirkungen des Nobelpreises auf das Leben von Forschenden.
Dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Regel lange warten müssen, bis sie den Nobelpreis erhalten, bezeichnete Zinkernagel als weise, denn das Ablenkungspotential des Preises sei beträchtlich. Es brauche viel Disziplin, um den Verlockungen des Glamours zu widerstehen und seine Forschungsarbeit konzentriert weiterzuführen. Für ihn persönlich, so der Immunologe, sei es deshalb retrospektiv betrachtet von Vorteil gewesen, dass er den Nobelpreis erst zwei Jahrzehnte nach seiner entscheidenden Entdeckung erhalten habe.
Die Popularität, die einem der Nobelpreis verschaffe, habe aber durchaus auch ihr Gutes, sagte Zinkernagel: Sie ermögliche es, in der Öffentlichkeit eine gewichtige Stimme für die Forschung einzulegen. Zinkernagel nutzte sein Ansehen als Nobelpreisträger, indem er über fünf Jahre hinweg wöchentlich eine Kolumne für den Blick verfasste. Einem breiten Publikum die Sichtweise der Wissenschaft zu vermitteln, sei eine rundum erfreuliche und lehrreiche Erfahrung für ihn gewesen, sagte er.
Gegen Schluss der Veranstaltung kamen die beiden Gesprächsteilnehmer auf die Rolle des Nobelpreises in der Wissenschaft zu sprechen. Beide lobten die Stockholmer Jurys, die ihre Arbeit sorgfältig machten und fast immer richtig entschieden – weshalb das Prestige des Nobelpreises ungebrochen sei. Michael Hengartner gab aber auch zu bedenken: «Für jeden, der den Preis erhält, gibt es zwanzig andere, die ihn ebenfalls verdient hätten.»