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Die Zahlen sind eindrücklich: Mehr als 60 Krankenhäuser und Erste-Hilfe-Stationen hat die Nichtregierungsorganisation «Emergency» seit ihrer Gründung 1994 in Kriegsgebieten in aller Welt aufgebaut. Mehr als 6,5 Millionen Patienten profitierten davon. Als Anerkennung dafür zeichnete die Right Livelihood Award Foundation den italienischen Chirurgen Gino Strada – Mitbegründer von Emergency – mit einem der diesjährigen «Alternativen Nobelpreise» aus.
In seiner Rede erläutert Gino Strada am Dienstag an der UZH die Grundideen seiner humanitären Arbeit. Diese sind noch eindrücklicher als die Zahlen, denn der 67-jährige Preisträger ist radikal: Ein radikaler Humanist, der das Menschenrecht auf Gesundheit ernst nimmt und umsetzt. «Jeder Mensch auf der Welt hat das Recht auf eine qualitativ hochstehende, kostenlose medizinische Behandlung», so sein Credo. «Es kann dabei keine spezifische Qualität je nach Kontinent geben. Ein Spital in Afrika ist gut genug, wenn es auch für die Behandlung meiner Freunde zuhause gut genug ist», so Strada.
Zu Beginn fokussierte Emergency auf die Behandlung von Menschen, die in Kriegen verletzt worden sind. Inzwischen werden vermehrt auch Flüchtlinge und arme Menschen, die sich den Zugang zur Gesundheitsversorgung nicht leisten können, behandelt. Emergency hat für sie von Afghanistan bis Sierra Leone chirurgische Kliniken, pädiatrische Einrichtungen und Rehabilitationszentren gebaut, die auf dem neuesten Stand der Technik und Ausbildung sind. Weitere geplante Einrichtungen sollen als «Centre of Excellence» die Idee perfektionieren: hochstehende medizinische Versorgung zum Nulltarif.
Mit diesem Ansatz ist Gino Strada von Experten der Entwicklungszusammenarbeit erst belächelt worden. Die Kritiker sind verstummt, seit Emergency 2007 in Salaam (Sudan) ein erstklassiges Zentrum für Herzchirurgie eröffnet hat. Für Gino Strada ist klar: Auch in Afrika leiden Menschen an Herzkrankheiten und verdienen eine bestmöglich Behandlung. Dass es in ganz Afrika keine spezialisierte Klinik für Krebspatienten gibt, sei schlicht ein Skandal: «Entweder gilt das Recht auf Behandlung für alle oder dann soll man bei der Gesundheitsversorgung statt von Menschenrechten besser von Privilegien für die Wohlhabenden sprechen», so Strada.
Elf weitere «Centre of Excellence» will Emergency in Afrika erstellen. Gino Strada rechnet mit Kosten in der Höhe von 250 Millionen Euro für den Bau und die ersten Betriebsjahre. Kein Pappenstil für eine Nichtregierungsorganisation, die sich vor allem über Kleinspenden und über Beiträge von Gesundheitsministerien finanziert. Aber ein Ding der Unmöglichkeit? Davon will Gino Strada nichts hören: «250 Millionen Euro, so viel kostet ein Tag Krieg in Afghanistan. Das Geld ist also vorhanden. Die Frage ist, wofür man es ausgibt.»
So geradlinig und radikal wie seine menschenrechtsbasierte Gesundheitsversorgung sind auch Gino Stradas Ansichten zum Thema Krieg: «Es gibt keine Rechtfertigung für Krieg. Krieg kann auch nicht mit Konventionen humaner gemacht werden.» Das zeigt sich Strada unter anderem darin, dass sich der Anteil der zivilen Opfer in Kriegen vom Ersten Weltkrieg bis heute von 15 Prozent auf über 90 Prozent erhöht hat.
«Krieg sollte abgeschafft werden – diese Idee gilt es neu zu denken», sagte Strada. Es sei schlicht verrückt, Konflikte mit Gewalt lösen zu wollen: «Gewalt schafft neue Gewalt.» Den Right Livelihood Award hat Gino Strada auch für «seinen furchtlosen Einsatz gegen die Ursachen von Krieg erhalten», wie es in der Laudatio heisst. Strada und Emergency spielten eine führende Rolle in der Kampagne gegen die Verbreitung von Landminen. Dies mündete 1997 in Italien in ein Verbot der Produktion und Nutzung dieser Waffen. «Wenn jeder seinen kleinen Beitrag leistet, wird die Welt besser», schloss Strada seinen Vortrag in der Aula der UZH.