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Herr Hengartner, die Universität will die organisatorischen Rahmenbedingungen weiter entwickeln. In welchen Bereichen strebt die Universität Neuregelungen an?
Michael Hengartner: Sie betreffen die Gliederung der Stände, die Regelung der Habilitation und der Titularprofessur, die Struktur der Universitätsleitung sowie – am Rand – die Kompetenzen der Erweiterten Universitätsleitung (EUL).
Wo steht die Universität in diesem Erneuerungsprozess?
Letztes Jahr hat die Universitätsleitung Vorschläge zu allen vier Themenbereichen ausgearbeitet. In einer breit angelegten Vernehmlassung baten wir die Fakultäten, die Stände sowie das administrativ-technische Personal um Stellungnahmen zu den Vorschlägen. Das Verfahren dauerte bis Ende Januar diesen Jahres. Inzwischen haben wir die Rückmeldungen ausgewertet.
Was ist Ihr Gesamteindruck der Vernehmlassungsantworten?
Die Teilnehmenden haben sich differenziert von ihrem jeweiligen Gesichtspunkt aus mit unseren Lösungsvorschlägen auseinandergesetzt. Teilweise haben sie auch eigene Lösungsvorschläge beigesteuert. Es wurde insgesamt viel Denkarbeit geleistet, was ich sehr schätze. Ich möchte mich bei allen Beteiligten dafür bedanken.
In welcher Form fliessen die Ergebnisse der Vernehmlassung in den weiteren Prozess der Organisationsentwicklung ein?
Die Universitätsleitung hat ihre ursprünglichen Vorschläge unter Berücksichtigung der Vernehmlassungsergebnisse weiterentwickelt. Einige unserer Vorschläge haben wir unverändert beibehalten, andere haben wir in Details angepasst, ein paar wenige, die auf keine Zustimmung stiessen, haben wir fallen gelassen.
Wie geht es nun weiter?
Wir treiben den Prozess weiterhin zügig und zugleich mit der nötigen Sorgfalt voran. Die bereinigten Vorschläge zur Organisationsentwicklung der UZH gehen in Form von Anträgen auf Änderung der Universitätsordnung und des Universitätsgesetzes an die EUL und den Universitätsrat. Die EUL wird im Juni, der Universitätsrat voraussichtlich im August darüber befinden.
Diejenigen Änderungsanträge, welche nur die Universitätsordnung betreffen, können, falls sie von der EUL und vom Universitätsrat angenommen werden, wohl Anfang 2016 in Kraft treten. Neuerungen, die eine Änderung des Universitätsgesetz benötigen, müssen dem Kantonsrat unterbreitet werden. Falls der Kantonsrat zustimmt, können sie etwa auf Beginn 2017 rechtskräftig werden.
Die vier Vorlagen sind umfangreich. Lassen Sie uns für einen summarischen Überblick einige wichtige Punkte herausgreifen, und beginnen wir dabei bei der Neuordnung der Stände. Der Vorschlag der UL war, die bisherigen Stände «Mittelbau» und «Privatdozierende» aufzulösen und stattdessen die Stände «Wissenschaftlicher Nachwuchs» und «Wissenschaftliche Mitarbeitende» einzuführen.
Der Vorschlag stiess in der Vernehmlassung teilweise auf Skepsis der Privatdozierenden, die keinen eigenen Stand mehr haben werden. Mehrheitlich stiess er aber auf Zustimmung. Wir halten deshalb an der von uns vorgeschlagenen Lösung fest. Sie hat der heutigen Situation gegenüber den Vorteil, dass sich die Ständeeinteilung nach der Laufbahnphase ihrer Mitglieder ausrichtet, was eine klarere Zuordnung ermöglicht und sicherstellt, dass ein Stand Personen mit ähnlichen Anliegen zusammenführt.
Auch wenn es den «Mittelbau» als Stand und als offizielle Personalkategorie nicht mehr geben wird, soll der Begriff auch weiterhin verwendet werden können. Er bezeichnet in Zukunft die beiden Stände «Wissenschaftlicher Nachwuchs» und «Wissenschaftliche Mitarbeitende» zusammen.
Halten Sie auch am Vorschlag fest, das administrative und technische Personal als vierten Stand anzuerkennen?
Der Vorschlag stiess auf durchweg positive Resonanz, deshalb bleiben wir dabei, schlagen jedoch in Bezug auf die Mitbestimmungsrechte dieses Standes eine Einschränkung vor. Das administrative und technische Personal (ATP) soll kein Einsitzrecht in Berufungs- und Beförderungskommissionen haben. Es steht den Fakultäten aber frei, Delegierte des ATP zu solchen Kommissionssitzungen als Gäste ohne Stimmrecht einzuladen, um mit diesem Modell Erfahrungen zu sammeln.
Wie steht es mit dem Vorschlag einer Vergrösserung der Erweiterten Universitätsleitung?
Die meisten Einheiten haben die Einschätzung der Universitätsleitung bestätigt, dass es für die strategische Entwicklung von Lehre und Studium eine bessere gesamtuniversitäre Koordination braucht. Deshalb halten wir an unserem Vorschlag fest, der Erweiterten Universitätsleitung (EUL) mehr Kompetenzen in der strategischen Entwicklung von Lehre und Studium zu übertragen. Ausserdem wollen wir die Kommissionen enger an die EUL anbinden.
Dagegen werden wir den ursprünglichen Plan, neben den Dekaninnen bzw. den Dekanen auch die Prodekaninnen bzw. Prodekane in die EUL einzubeziehen, nicht weiter verfolgen. Es gab viele Stimmen, die daran zweifelten, ob eine vergrösserte EUL effizient genug arbeiten kann. Wir schlagen deshalb in unserem Antrag vor, dass die EUL – abgesehen von zwei Delegierten des administrativen und technischen Personals – keine weiteren stimmberechtigten Mitglieder erhalten soll.
Kommen wir zur Neuregelung der Habilitation und der Titularprofessur. Der Vorschlag der Universitätsleitung war, die Habilitation und die Privatdozentur beizubehalten. Fortan soll sie aber keine Bedingung mehr zur Erlangung einer Titularprofessur sein. Halten Sie an diesem Vorschlag fest?
Ja. In der Vernehmlassung wurde mehrheitlich anerkannt, dass es bei der Habilitation Reformbedarf gibt. In vielen Fächern haben sich neben der Habilitation andere Formen der wissenschaftlichen Qualifikation etabliert. Dem wollen wir mit unseren Vorschlägen zur Neuregelung der Habilitation Rechnung tragen. Dazu gehört, dass auch Nicht-Habilitierte, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, zu Titularprofessorinnen und -professoren ernannt werden können.
Ein Teil der Privatdozierenden äusserte in der Vernehmlassung die Befürchtung, dass die Neuregelungen zu einer Entwertung der Habilitation führen könnten. Diese Befürchtung teile ich nicht. Es geht nicht um eine Abwertung der Habilitation, sondern darum, im Sinn der Entwicklung des internationalen Hochschulwesens eine Öffnung herbeizuführen. Die Habilitation gibt es nur im deutschen Sprachraum, und sie hat nicht in jedem Fachgebiet denselben Stellenwert.
Halten Sie auch am Vorschlag fest, die Privatdozentur künftig permanent zu erteilen?
Ja. Der Titel «Privatdozent» bzw. «Privatdozentin» wird von der Pflicht entkoppelt, an der Universität zu lehren. Wer sich habilitiert hat, soll den Titel auf Lebenszeit tragen dürfen. Das an die Habilitation geknüpfte Recht, ‚freie’ Lehrveranstaltungen in dem Fach abzuhalten, für welches die Venia Legendi erteilt wurde, soll unangetastet bleiben. Aber es gibt keinen automatischen Anspruch und kein Recht auf Lehre im Rahmen von Studiengängen, auf Anstellung oder auf Entschädigung. Die UZH muss wählen können, wen sie für die Lehre verpflichtet und wen nicht.
Wie steht es mit dem Vorschlag der Universitätsleitung, die Titularprofessur umzudefinieren?
Unsere Idee war, den Titel der Titularprofessur zukünftig exklusiv an Personen zu vergeben, die hauptamtlich ausserhalb der UZH tätig sind und eine Brückenfunktion zwischen Universität und Gesellschaft wahrnehmen. In der Vernehmlassung stiess die Idee, einen gut eingeführten Titel neu zu definieren, auf wenig Verständnis. Es wurde vorgeschlagen, für externe Personen, die an die UZH gebunden werden sollen, nach einem anderen Titel zu suchen, was wir auch tun werden.
Die Titularprofessur wird für interne Kandidierende, also wissenschaftlich ausgewiesene Mitarbeitende der UZH, erhalten bleiben. Neu aber soll nicht nur für die Verleihung, sondern auch für die Verlängerung der Titularprofessur nach sechs Jahren ein Antrag der jeweils zuständigen Fakultät an die EUL nötig sein. Wir entsprechen damit dem Anliegen der Fakultäten, eine Möglichkeit zu schaffen, die Bindung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an die UZH wieder aufzulösen, wenn die Umstände es nahelegen.
Kommen wir zum letzten Punkt, der Erneuerung der Leitungsstrukturen der UZH. Welche Ziele werden damit verfolgt?
Wir wollen erstens die Fakultäten enger in die Entwicklung der Gesamtuniversität einbeziehen und damit die UZH als Gesamtinstitution stärken. Das zweite Ziel ist eine verbesserte Koordination der universitären Medizin, also die Sicherstellung eines möglichst guten Zusammenspiels zwischen Universitätsleitung, Medizinischer Fakultät, universitären Spitälern, den medizinnahen Bereichen der ETH und den übrigen im Grossraum Zürich situierten Akteuren im Gesundheitsbereich. Dazu wurde der Antrag gestellt, die Universitätsleitung um die Position einer Direktorin beziehungsweise eines Direktors Universitäre Medizin Zürich (UMZH) zu erweitern.
Das Modell hat eine etwas andere Vorgeschichte als die übrigen Vorschläge zur Organisationsentwicklung der UZH. Es wurde im Rahmen eines von der Bildungs- und der Gesundheitsdirektion initiierten Projektes zur Governance und Strategie der Universitären Medizin entwickelt, an dem neben der Universitätsleitung auch alle universitären Spitäler beteiligt waren. Die UZH hatte zuvor jedoch auch bereits entsprechende Ideen skizziert. Die Universitätsleitung begrüsst und unterstützt die Schaffung der Funktion einer Direktorin beziehungsweise eines Direktors Universitäre Medizin Zürich.
Wie fielen die Ergebnisse der Vernehmlassung in diesem Punkt aus?
Sie zeigen, dass die neue Funktion zur Steuerung der Universitären Medizin möglichst gut in die bestehenden Strukturen der UZH eingebettet und zudem als eine akademische Funktion kenntlich gemacht werden sollte, damit sie universitätsintern die nötige Akzeptanz findet. Die Universitätsleitung ist deshalb mit der Bildungsdirektion übereingekommen, im Antrag festzuhalten, dass der Direktorin bzw. der Direktor Universitäre Medizin wie die Prorektoren respektive Prorektorinnen vom Universitätsrat auf eine Amtsdauer von vier Jahren gewählt werden soll – mit der Möglichkeit auf Wiederwahl.
Hält die Universitätsleitung an ihrem Vorschlag fest, dass die Direktorin bzw. der Direktor Universitäre Medizin zugleich Dekan der Medizinischen Fakultät sein soll?
Ja, wir halten daran fest. Die Vereinigung der beiden Funktionen in einer Person wird zur Stärkung der Schnittstellenfunktion zwischen den Bereichen Forschung, Lehre und Klinik beitragen.
Das andere grosse Ziel der Neustrukturierung der Universitätsleitung ist der engere Einbezug der Fakultäten in die Gesamtleitung der UZH. Welcher Vorschlag wurde dazu unterbreitet – und wie kam der Vorschlag in der Vernehmlassung an?
Unser Vorschlag war, alle Dekaninnen beziehungsweise Dekane zu stimmberechtigten Mitgliedern der Universitätsleitung zu machen, um die Fakultäten besser in die Universitätsleitung einzubinden. Dieser Vorschlag stiess auf Vorbehalte. Befürchtet wurde unter anderem, dass die Doppelrolle der Dekaninnen und Dekane zu Loyalitätskonflikten führt, dass die Fakultäten ihre Autonomie einbüssen und dass die EUL gegenüber der markant vergrösserten Universitätsleitung geschwächt wird. Wir werden diesen Vorschlag deshalb nicht weiterverfolgen.
Am Ziel, die Fakultäten enger in gesamtuniversitäre strategische Fragen einzubeziehen, halten wir aber fest. Wir haben als ersten Schritt eine Sofortmassnahme beschlossen: Nach der Sommerpause wird die Universitätsleitung monatlich eine gemeinsame Projektsitzung mit den Dekaninnen und Dekanen zur Diskussion strategischer Themen durchführen. Ob weitere strukturelle Änderungen nötig sind, müssen wir noch prüfen. Dafür wollen wir ein ergebnisoffenes Projekt starten.