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Herr Hengartner, warum braucht die Universitätsleitung eine neue Struktur?
Michael Hengartner: Die bisherigen Leitungsstruktur hat zwei wesentliche Nachteile: Erstens sind die Dekane und damit die Fakultäten nicht gut genug in gesamtuniversitäre Geschäfte eingebunden. Zweitens ist die Koordination zwischen Universitätsleitung, Medizinischer Fakultät und universitären Spitälern zu schwach. Wir brauchen eine Person, welche die Verantwortung für die universitäre Medizin am Standort Zürich übernimmt.
Wer gab den Anstoss zur Neustrukturierung?
Michael Hengartner: Zunächst die Universitätsleitung selbst. Sie schrieb 2012/2013 im Rahmen ihrer Evaluation einen Selbstevaluationsbericht, aus dem sich ergab, dass einige organisatorische Neuerungen nötig sind. Einen weiteren Impuls gab eine von der Bildungs- und der Gesundheitsdirektion in Auftrag gegebene Studie zur Governance und Strategie der Universitären Medizin. Ausgehend von diesen Befunden hat die Universitätsleitung in den letzten Monaten in Absprache mit dem Universitätsrat das jetzt vorliegende Governance-Modell erarbeitet.
Welche wesentlichen Neuerungen schlägt die Universitätsleitung vor?
Michael Hengartner: Erstens soll es in der Universitätsleitung neu die Position einer Direktorin oder eines Direktors Universitäre Medizin geben, der die Zusammenarbeit zwischen der Universität, den universitären Spitälern, den medizinnahen Bereichen der ETH koordiniert und zugleich Dekan beziehungsweise Dekanin der Medizinischen Fakultät ist. Damit folgen wir dem Vorschlag der Bildungs- und der Gesundheitsdirektion. Zweitens sollen auch die Dekane der anderen Fakultäten einen Sitz in der Universitätsleitung erhalten.
Welche Vorteile bringt diese Lösung gegenüber dem bestehenden System?
Michael Hengartner: Die Scharnierstellen der UZH werden gestärkt. Das heisst: Es werden die Voraussetzungen für eine bessere Koordination von Universität und Spitälern sowie von Universitätsleitung und Fakultäten geschaffen. Die Kommunikationsflüsse und die Entscheidungsprozesse werden vereinfacht, die drei Prorektorate werden entlastet. Die UZH ist mit Abstand die grösste Universität der Schweiz und sie hat die grösste Vielfalt an Disziplinen. Das neue Modell wird es ermöglichen, das Potenzial dieser Vielfalt besser zu nutzen als bisher.
Wie soll das konkret geschehen?
Michael Hengartner: Indem die Fakultäten intensiver zusammenspielen. Wir wollen nicht, dass die UZH zu einem losen Verbund wird, indem die einzelnen Fakultäten wie eigene kleine Universitäten beziehungslos nebeneinander existieren. Das Potenzial der Diversität kommt nur zur Geltung, wenn die Fakultäten sich austauschen, sich gegenseitig wahrnehmen und herausfordern – und so voneinander lernen. Das vorgeschlagene Modell schafft wichtige Voraussetzungen dafür, indem es die Dekane besser einbindet: Sie werden nicht nur für ihre Fakultät, sondern zugleich für die Gesamtuniversität Verantwortung tragen und sich alle vierzehn Tage im Rahmen der Universitätsleitungssitzungen treffen. Das stärkt die integrativen Kräfte gegenüber den Zentrifugalkräften, was wiederum eine Voraussetzung für die gelebte universitäre Vielfalt ist, wie sie mir vorschwebt.
Gegenwärtig besteht die Universitätsleitung aus fünf Personen, gemäss dem vorgeschlagenen Modell wird sie zwölf Personen umfassen. Werden Diskussionen und Entscheidungsprozesse in einem Leitungsgremium, das sämtliche Dekane einbezieht, nicht schwerfälliger?
Michael Hengartner: Gewisse Diskussionen werden wohl mehr Zeit brauchen, wenn mehr Leute mitreden. Aber gesamthaft gesehen vereinfacht das neue Modell die Führung der UZH. Heute müssen die Dekane ihre Anliegen über den jeweils zuständigen Prorektor in die Universitätsleitung einbringen, was oft umständlich ist. Durch den direkten Einbezug der Dekane in die Universitätsleitung können wir uns diesen Umweg ersparen. Übrigens werden im vorgeschlagenen Modell nicht alle Geschäfte im Zwölfergremium erledigt. Insbesondere Finanz- und Berufungsgeschäfte werden in einem kleineren Kreis, dem sogenannten «Direktorium», beschlossen. Diesem Direktorium gehören die Dekane nicht an, es setzt sich nur aus dem Rektor, den Prorektoren, dem Verwaltungsdirektor und dem Direktor Universitäre Medizin zusammen.
Warum sollen Dekane nicht über Finanz- und Berufungsgeschäfte der UZH mitentscheiden?
Michael Hengartner: Es wäre nicht konstruktiv, wenn Dekane untereinander um die Ressourcen ihrer Fakultäten streiten müssten, und es wäre auch nicht konstruktiv, wenn sie sich gegenseitig in ihre Berufungsangelegenheiten hineinreden würden.
Die Dekane werden im vorgeschlagenen Modell künftig nicht mehr nur ihre Fakultät leiten, sondern sich an der Führung der Gesamtuniversität beteiligen. Sie, Herr Hengartner, waren bis vor kurzem noch Dekan der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät. Glauben Sie aufgrund Ihrer Erfahrung, dass ein solches Pensum zu bewältigen ist?
Michael Hengartner: Ja, man kann es bewältigen. Aber es stimmt, die Ansprüche steigen. Diese Tendenz ist schon lange spürbar. Die Führung der Universität Zürich verlangt mehr Zeit als früher. Spitzenforschung zu machen und gleichzeitig Dekan zu sein, wird in Zukunft noch weniger möglich sein als heute, dieser Tatsache muss man ins Auge sehen. Wer sich zum Dekan wählen lässt, muss gewillt sein, den grössten Teil seiner Energie in Führungsaufgaben zu investieren. Die Dekanate werden sich so organisieren müssen, dass die Dekanin bzw. der Dekan sich auf die wesentlichen Aufgaben konzentrieren kann. Es ist zudem erwünscht und wird sich wohl auch einspielen, dass Dekane im Durchschnitt länger im Amt bleiben als bisher. Kontinuität trägt zur Professionalisierung bei. Ich kann mir vorstellen, dass Leute, die sich bewähren, acht oder zehn Jahre lang ihr Amt ausüben.
Ist ein solches Amt noch attraktiv?
Michael Hengartner: Ja, klar. Die Dekaninnen und Dekane erhalten in dem von uns vorgeschlagenen Modell wesentlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten, als es heute der Fall ist. Insofern wird das Amt eher noch attraktiver.
Wie wird sich die Position des Direktors Universitäre Medizin Zürich, der auch Dekan der Medizinischen Fakultät sein wird, von den Dekanen der übrigen Fakultäten unterscheiden?
Michael Hengartner: Der Direktor Universitäre Medizin Zürich ist insofern ein Spezialfall, als er besonders komplexe Schnittstellen zu betreuen hat. Er wird nicht nur seine Fakultät in der Universitätsleitung vertreten, sondern zusätzlich auch die Zusammenarbeit mit den Spitälern, den medizinnahen Bereichen der ETH und den übrigen Akteuren im Gesundheitsbereich des Grossraums Zürich koordinieren. Er soll deshalb auch Einsitz in die Leitungsgremien der universitären Spitäler nehmen. Wie die übrigen Dekane der UZH wird er wie gesagt Mitglied der Universitätsleitung sein, darüber hinaus wird er dem inneren Kreis des Direktoriums angehören. Weil für die koordinative Funktion des Direktors Universitäre Medizin Kontinuität wichtig ist, soll seine Amtszeit nicht beschränkt werden.
Gegenwärtig vertreten die Prorektoren bzw. die Prorektorin die Fakultäten in der Universitätsleitung. Inwiefern ändert sich ihre Rolle im vorgeschlagenen Modell?
Michael Hengartner: Die Prorektorinnen beziehungsweise die Prorektoren können sich ganz auf die Querschnittsbereiche konzentrieren – heute sind dies Lehre, Forschung und Akademische Dienste. Unser Modell schlägt vor, diese Querschnittsbereiche zu bereinigen. Zukünftig soll es ein Prorektorat Lehre und Studium, ein Prorektorat Forschung, Nachwuchsförderung und Innovation sowie ein Prorektorat Professuren und Personal geben. Die Prorektoren sollen im Unterschied zur heutigen Praxis vollamtlich tätig sein, und sie sollen, wie der Rektor, für vier Jahre gewählt werden.