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Akademisches Orchester Zürich

«Musikalische Fresken»

Der Dirigent Lukas Meister leitet seit September das Akademische Orchester Zürich, das sich aus Studierenden der Universität und der ETH zusammensetzt. Heute hat er den ersten grossen Auftritt mit diesem Orchester in der Zürcher Tonhalle.
Interview: Roger Nickl

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Hohes Können und mentale Fitness: Lukas Meister, neuer Dirigent des Akademischen Orchesters Zürich. (Bild: zVg)

Herr Meister, die Konzerte mit dem Akademischen Orchester Zürich (AOZ) in St. Gallen und Zürich werden Ihre Premiere mit diesem Orchester sein. Was bedeutet diese Premiere für Sie?

Lukas Meister: Die Konzerte werden für mich und das Orchester sehr spannend werden. Ich arbeite seit September mit dem AOZ zusammen. Ich kenne die Musikerinnen und Musiker inzwischen ziemlich gut und sie mich auch. Wir haben uns jedoch noch nicht wirklich in einer Konzertsituation erlebt.

Wie das Orchester in der Live-Situation reagieren wird, ist noch eine Unbekannte …

Meister: … ja, das ist beim AOZ nicht anders wie bei einem Profi-Orchester. Jedes Orchester reagiert auf den Druck einer Konzertsituation anders.

Welche Erfahrungen haben Sie da schon gemacht?

Meister: Die Energie wird sicher gross sein. Normalerweise ist das positiv. Wenn der Adrenalinspiegel steigt, sind die Musiker aufmerksamer und legen sich mehr ins Zeug. Die hohe Anspannung kann aber auch dazu führen, dass technisch schwierige Passagen, die in der Probe funktionieren, live schiefgehen. Ein Orchester kann sich risikobereit geben, ein anderes spielt eher vorsichtig. Da liegt alles drin.

Aufgeführt werden zwei Kompositionen des 20. Jahrhunderts, Bohuslav Martinus Orchesterstück «Les Fresques de Piero della Francesca» (1955) und das «Schelomo für Violoncello und Orchester» (1915/6) von Ernest Bloch. Hinzu kommt die fünfte Sinfonie von Felix Mendelssohn. Was reizt Sie an diesen Stücken?

Meister: Ich habe sehr Freude am Gesamtkonzept dieses Konzertes. Die Werke von Martinu und Bloch drehen sich beide um die biblische Figur des Königs Salomo. Martinu beschreibt musikalisch Fresken, in denen Salomo im Mittelpunkt steht. «Shelomo» wiederum heisst auf hebräisch Salomo. Die fünfte Sinfonie, die so genannte Reformationssinfonie von Felix Mendelssohn führt uns dann in die Kirchenmusik. Das heisst, es gibt einen biblisch-kirchlichen roten Faden durch das Programm, obwohl die Werke, die wir spielen, musikalisch sehr unterschiedlich sind. Wir beleuchten ähnliche Themen musikalisch gesehen aus ganz verschiedenen Perspektiven. Das finde ich sehr schön.

Wie ist das Programm zustande gekommen?

Meister: Das Orchester hat das Werk von Bloch vorgeschlagen, ich diejenigen von Martinu und Mendelssohn. Mendelssohn wird meiner Meinung nach oft unterschätzt, weil ihm das Komponieren so leicht gefallen ist. Gerade mit der Reformationssinfonie hat er sich aber schwer getan. Er hat immer wieder daran gefeilt. Das zeigt, wie wichtig ihm das Werk war. Schlussendlich ist es beim Publikum aber doch durchgefallen, und auch der Komponist selbst begann an seiner Qualität zu zweifeln. Völlig zu Unrecht - das ist wunderbare Musik, die auch heute viel zu wenig gespielt wird.

Sie haben an verschiedenen deutschen Opernhäusern gearbeitet und waren Generalmusikdirektor am Staatstheater Darmstadt. Was bedeutet für Sie nun die Arbeit mit einem Amateur-Orchester?

Meister: Die Zusammenarbeit mit Jugend- und Amateurorchestern habe ich immer gepflegt – auch während meiner Zeit in Deutschland. Das ist für mich sehr spannend. Gerade in einem Studentenorchester wie dem AOZ verbindet sich die Musizierfreude, in die die ganze positive Freizeitenergie fliesst, mit einem hohen Können und mentaler Fitness. Diese Mischung ist für mich als Dirigenten sehr dankbar und schön.

Im aktuellen Programm finden sich zwei Werke des 20. Jahrhunderts. Wird die musikalische Moderne ein Schwerpunkt bleiben für künftige Konzertprogramme des AOZ?

Meister: Das 20. Jahrhundert tönt mittlerweile nicht mehr so modern wie auch schon (lacht). Was man sehen muss: Das AOZ ist ein grosses Orchester. Wenn ich diese Grösse nutzen möchte und auch allen Bläsern Spielmöglichkeiten geben will, ist eigentlich nur noch das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts relevant. Das Repertoire wird bei einem Orchester dieser Grösse erst mit der Spätromantik so richtig interessant.

Sie haben ursprünglich an der Universität Zürich Musikwissenschaft, Musikethnologie und Philosophie studiert. Was haben Sie vom Studium in Ihre Dirigentenlaufbahn mitnehmen können?

Meister: Viel. Als Dirigent interessiert mich der ganze Background einer Komposition. Um diesen Background erschliessen zu können, ist die analytische und die historische Musikwissenschaft sehr wertvoll. Die Musikethnologie ist mir auch wichtig. Ein musikethnologischer Leitsatz, den ich aus dem Studium mitgenommen habe, lautet: «Wir sollten uns mit unseren klassisch gebildeten Ohren nicht erlauben, aussereuropäische Musik zu beurteilen.» Interessanterweise eignen sich gerade Martinu und Bloch in den Werken, die wir am Konzert spielen, solche orientalischen beziehungsweise nahöstlichen Musiken an. Mit einem musikethnologischen Gehör ist man darauf besonders sensibilisiert.

Welche Erinnerungen verbinden Sie heute mit der Universität Zürich?

Meister: Das Studium war für mich eine enorm spannende Zeit. Gerade in musikethnologischen Vorlesungen oder in der Philosophie habe ich ganz neue Welten entdeckt.