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Es gibt kein Patentrezept für eine wissenschaftliche Karriere und schon gar keine Garantie, dass sie gelingt. Und doch lohnt sich der Schritt ins Ungewisse. So lautete der Kanon der vier Referierenden, die zum Academic Career Talk des Graduate Campus eingeladen wurden: Anna Beliakova, Mathematikprofessorin an der UZH, Martin Lochner, Chemieprofessor an der Universität Bern, Andrej Vckovski, CEO und Mitgründer des Softwareunternehmens Netcetera und der Physiker Stephan Schreckenberg, Head Risk Research Relations bei der Rückversicherung Swiss Re. Alle haben einen Doktortitel in den sogenannt exakten Wissenschaften und einen von Umbrüchen geprägten Werdegang. Ihre aktuellen, sehr unterschiedlichen Positionen zeigen, dass der Entscheid zu einem Doktorat in exakten Wissenschaften keineswegs eine endgültige berufliche Richtung vorgibt.
«Eine akademische Karriere kann man nicht planen», machte die Mathematikprofessorin Anna Beliakova klar und fügte als Exempel ihre eigene Geschichte an. Als junge Physikstudentin aus Weissrussland war sie am Tag des Mauerfalls in Berlin und nutzte die Gelegenheit, um einen Physikprofessor der Freien Universität Berlin für eine Doktoratsstelle anzufragen. Die Antwort verstand sie aus sprachlichen Gründen zwar nicht, interpretierte diese aber richtigerweise als «Ja». Mit dieser Anekdote verdeutlichte Beliakova, wie wichtig Flexibilität für ihre wissenschaftliche Karriere war, die einen Wechsel von Physik zu Mathematik mit sich brachte. Statt nach einem im Voraus festgelegten Plan habe sie stets nach ihren persönlichen Wünschen und den jeweiligen Bedingungen entschieden und sei damit gut gefahren.
Alles auf eine Karte zu setzen könne durchaus eine schöne, vor allem aber auch eine gefährliche Strategie sein, fügt Andrej Vckovski bei. Er ist Mitgründer und CEO der Informatikdienstleisterin Netcetera, die 1996 von einer Gruppe Geographie-Doktorierender der UZH gegründet wurde. Vckovski studierte vor seinem PhD in Geographie nicht Informatik, sondern Physik an der ETH Zürich. Seit dem Bankrott einer ersten eigenen Firma weiss er: «Scheitern ist eine Option» – nicht nur für die Privatwirtschaft, sondern genauso für eine akademische Laufbahn.
Die Möglichkeit des Scheiterns mitzudenken bedeutet keineswegs, den gesetzten Zielen pessimistisch entgegenzublicken, sondern im Gegenteil, die Vielfalt möglicher Alternativen zu erkennen. Durch die zielgerichtete Arbeit während des Doktorats gerate der Blick über die eigene Forschungsarbeit hinaus leicht vergessen, wodurch das mögliche Beschäftigungsfeld nach dem PhD entsprechend klein erscheinen könne, waren sich die Referierenden einig.
Dieser Umstand war möglicherweise auch eine Ursache für Unsicherheiten bezüglich der Berufsaussichten, die sich in der anschliessenden Diskussionsrunde im Publikum bemerkbar machten. «Gibt es denn überhaupt noch Arbeitsstellen für uns?», lautete eine Frage. Angesichts des Mangels an MINT-Fachkräften – also in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – bestünde eigentlich kein Grund zur Sorge. In der Privatwirtschaft sind gut ausgebildete Personen, auch mit Doktortitel, nach wie vor gesucht.
Und auch wenn die hohe Zahl von Bewerbungen für eine Professur heute zuweilen desillusionierend wirken mag, so war eine akademische Laufbahn schon immer ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Um den individuell richtigen Weg zu finden, der mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht geradlinig verlaufen wird, gilt es die zahlreichen Möglichkeiten, die sich im Anschluss an ein Doktorat bieten, kennenzulernen und dadurch die eigenen Chancen aktiv zu vervielfachen. Die Academic Career Talks wollen einen Beitrag zu dieser Horizonterweiterung leisten.