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Als das Hauptgebäude der UZH vor mehr als hundert Jahren geplant und gebaut wurde, befanden sich Stadt und Universität Zürich in einer dynamischen Entwicklungsphase. So ist es auch heute wieder: Die Stadt platzt aus allen Nähten, und die UZH leidet unter Raumnot. Im angestammten Hochschulquartier findet sie schon längst keinen Platz mehr. Das wissenschaftliche Leben der UZH spielt sich heute in über 200 Gebäuden ab, die über verschiedene Stadtquartiere verteilt sind. Der jüngste Standort wurde im Herbst 2013 in Schlieren bezogen.
Die räumliche Zersplitterung der UZH soll längerfristig aber rückgängig gemacht werden. Der Plan ist, die beiden Standorte Zentrum und Irchel auszubauen, um hier dereinst die gesamte Universität unterzubringen.
Ist es eine zeitgemässe Strategie, die Präsenz der UZH in der dichtgedrängten Stadtmitte auszubauen, wo der städtische Raum sich heute doch von Baden bis weit ins Glatttal hinein erstreckt?
Eindeutig ja, fanden die Podiumsteilnehmer. Tristan Jennings vom VSUZH, der die Studierenden in der Diskussionsrunde vertrat, sagte, er habe als Schüler von der Stadt aus immer gern zur Universität hinaufgeschaut und sich ausgemalt, wie inspirierend es sein müsse, hier zu studieren. Es sei wichtig, dass das wissenschaftliche und das städtische Leben «miteinander in Berührung kommen». Dazu trage die zentrale Lage der UZH viel bei. Weit ausserhalb gelegene Campus-Anlagen seien hingegen «wie ein Dorf» auf sich selbst bezogen.
Martino Stierli, SNF-Förderungsprofessor am Kunsthistorischen Institut der UZH, lobte die «produktive Reibung» zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, welche durch die Präsenz der Universität im Zentrum entstehe. Für die Wissenschaft sei die Stadt als «Resonanzraum» von grosser Bedeutung, und auch die Stadt profitiere: Die Studierenden bereicherten das städtische Leben und bewahrten die Altstadt vor musealer Erstarrung.
Stierli begrüsst daher die Absicht der Universität, den Standort im Zentrum auszubauen. Er selbst erfahre in seiner täglichen Arbeit, dass die gegenwärtige räumliche Situation die Kooperation zwischen den teilweise weit auseinander liegenden Instituten erschwere.
Neben der UZH wollen auch die ETH und das Universitätsspital ihren Baubestand im Zentrum erneuern und erweitern. Im Umkreis der Rämistrasse und der Universitätsstrasse soll ein eigentliches Wissenschafts-Cluster entstehen. Patrick Gmür, Direktor des Amtes für Städtebau der Stadt Zürich, gab auf dem Podium einen kurzen Einblick in den Stand dieser Planung.
Aus der Sicht des Stadtentwicklers besteht die grosse Herausforderung darin, auf dem begrenzten und bereits dicht bebauten Areal «einige Hunderttausend zusätzliche Quadratmeter Nutzfläche» unterzubringen. Gegenwärtig, so Gmür, werde abgewogen, was wünschbar und was machbar sei und wie hoch gebaut werden könne. Dazu würden zahlreiche Workshops mit allen Beteiligten organisiert.
Die kritische Bemerkung des Kunsthistorikers Martino Stierli, dass es heute bei der Realisierung öffentlicher Grossprojekte oft an Enthusiasmus und am Mut zur grossen Geste fehle, wies Patrick Gmür zurück. Es mangle nicht an Visionen, vielmehr sei es heute einfach schwieriger geworden, so grosse Bauvorhaben, wie das UZH-Hauptgebäude eines gewesen sei, zu realisieren. Die finanziellen, städtebaulichen, rechtlichen und ökologischen Rahmenbedingungen seien viel komplexer als früher. Ausserdem würden grosse Bauprojekte in der Bevölkerung und der Politik intensiver diskutiert. «Baufragen», so Gmür, «dienen heute oft als politisches Ventil.»
Gmür zeigte sich aber überzeugt vom grossen Wert der Hochschulpräsenz mitten in der Stadt. «Die UZH gehört in die Stadt», sagte er, und lobte bei dieser Gelegenheit das Hauptgebäude der Universität mit seinem grosszügigen Lichthof. Es sei der «beste Raum, den wir in Zürich haben».
Gute Noten erhielt das Hauptgebäude der UZH auch von der Architektin Isa Stürm. Das Gebäude bringe den Wert der Bildung und den Stellenwert Zürichs als Bildungsstandort eindrücklich zur Geltung. Einschränkend fügte sie hinzu, dass es für heutige Massstäbe vielleicht etwas zu «patriarchalisch» und «respekteinflössend» wirke. Heutige innovative Hochschulbauten – Stürm nannte als Beispiel die ETH Lausanne – seien weniger «durchchoreografiert» und böten dafür mehr Flexibilität. Sie ermöglichten es den Nutzerinnen und Nutzern, sich die Räume auf individuelle Weise «anzueignen».
Zum Schluss lenkte Moderator Matthias Daum die Diskussion auf die Frage, ob im digitalen Zeitalter Raum- und Architekturfragen für die Universität nicht an Bedeutung verlören, wo das Lernen und Lehren durch elektronische Mittel wie die zum Beispiel die Massive Open Online Courses (MOOC) doch immer ortsunabhängiger werde.
Rektor Michael Hengartner antwortete darauf, dass schon die Erfindung des gedruckten Buches vor über funfhundert Jahren das Lernen ortsunabhängiger gemacht habe. Universitätsbauten seien deshalb aber nicht überflüssig geworden.
Erfindungen wie die «Books» und «MOOCs» seien nützlich, um Wissen zu vermitteln. Doch universitäre Bildung bedeute eben nicht bloss, Wissen zu transportieren, sondern in erster Linie, kritisch und wissenschaftlich denken zu lernen. Die entscheidende Voraussetzung dafür sei der unmittelbare und kontinuierliche Austausch zwischen Lernenden und Lehrenden. Für diesen Austausch aber brauche es – früher wie heute – genügend geeignete Räume.
Das Hauptgebäude der UZH, das sich bis heute als Herz der Universität bewährt habe, sei ein grosser Wurf; an die Unerschrockenheit seiner Erbauer gelte es bei der räumlichen Erweiterung der UZH anzuknüpfen, sagte Hengartner.