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In aller Eile musste am Freitagnachmittag noch ein grösserer Hörsaal organisiert werden. Ein persönliches Treffen mit dem Nobelpreisträger Brian Schmidt wollten sich die Physik-Studentinnen und Studenten der UZH natürlich nicht entgehen lassen. So kamen statt der erwarteten 40 knapp 100 Studierende, um dem Nobelpreisträger von 2011 zuzuhören und ihm ihre Fragen zu stellen.
Schmidt entdeckte 1997 mit seinem Team, dass sich die Ausdehnung des Universums beschleunigt. Dies führte zunächst zu Konsternation: Denn eigentlich wollten Schmidt und seine Gruppe am Mount Stromlo Observatorium der Australian National University messen, wie sich die Ausdehnung des Universums verlangsamt. Ihre Daten zeigten aber genau das Gegenteil dessen, was damals allgemein angenommen wurde.
Es sei ihnen so gegangen, wie den Forschern, die im vergangenen Jahr Neutrinos gemessen hatten, die schneller als das Licht unterwegs waren. Es konnte nicht sein: «Wir dachten, wir hätten irgendwo einen groben Fehler gemacht und überprüften alles erneut», erzählte Schmidt. Aber es half nichts, die Daten deuteten noch immer auf eine beschleunigte Ausdehnung des Universums hin. «Nun hatten wird diese Ergebnisse und mussten sie der Welt mitteilen».
Dass ihnen diese Resultate am Ende nicht den Spott der Physikergemeinde, sondern die höchste Auszeichnung der Wissenschaftswelt eingebracht haben, hatte zwei Gründe: Erstens war eine zweite Gruppe um Saul Perlmutter, die unabhängig von Schmidt dasselbe Phänomen untersuchte, zum gleichen Ergebnis gelangt. Zweitens liessen sich mit der Annahme einer beschleunigten Ausdehnung nun gewisse bisher unlösbare Probleme der Kosmologie plötzlich erklären.
«Den Nobelpreis zu gewinnen stand nicht auf der Liste der Dinge, die ich im Leben erreichen wollte», erklärte Schmidt auf eine Frage der Studierenden. Ursprünglich habe er Meteorologe werden wollen, doch das habe sich bald als wenig herausfordernd herausgestellt. Deshalb habe er ohne grosse Ambitionen auf Astrophysik gewechselt. «Ich dachte, ich werde irgendwo in der Industrie landen.»
Es sei nicht entscheidend, was man mache, sondern wie man etwas mache: «Man kann jeden Beruf interessant machen», gab Schmidt den Studierenden auf den Weg. Als Illustration erzählte er von seinem Ferienjob bei der Supermarktkette Safeway, wo er für die Versorgung einer kleinen Insel in Alaska mit Milchprodukten verantwortlich war. Weil nur wenige Schiffe für den Transport zur Verfügung standen, war die Schwierigkeit, das richtige Quantum Milch zu liefern: Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig.
Schmidt berechnete daraus ein Modell, das auf der Annahme basierte, dass die Milch höchstens einmal alle 100 Jahre ausgehen dürfte. Was er nicht berechnete: Auf einer Lieferung wurde die ganze Milch verschüttet. Das trug ihm den Groll der Inselbewohner und eine Geschichte auf der Titelseite der Lokalzeitung ein.
Anekdoten aus dem Leben eines Nobelpreisträgers, Einblicke in Vergangenheit und Zukunft des Universums, Einschätzungen zu Sinn und Nutzen der Physik: Die Fragen der Studierenden an Brian Schmidt bewegten sich in einem breiten Spektrum und Schmidt beantwortete sie routiniert und stets mit einer Prise Humor.
Wozu denn physikalische Grundlagenforschung gut sei? Zu vielem, nur nicht immer auf direktem Weg, so Schmidt: Das CERN etwa habe das world wide web hervorgebracht. WiFi sei aus einem – wissenschaftlich erfolglosen – Projekt zur Suche nach evaporierenden schwarzen Löchern hervorgegangen.
Was ihm bei der Entgegennahme des Nobelpreises durch den Kopf gegangen sei? «Verbeuge dich! Verbeuge dich! Verbeuge dich!», erzählte Schmidt und spielte im Hörsaal die durch ein genaues Protokoll festgelegte Übergabezeremonie mit Verbeugungen vor dem König und dem Publikum nach. Er habe es aber geschafft ohne grösseren Fauxpas durch das vierstündige, live im schwedischen Fernsehen übertragene Nobel-Dinner mit der Königsfamilie zu kommen. Auch wenn er beinahe über das Kleid der Kronprinzessin gestolpert wäre.
«Der Austausch mit den Studierenden macht mir immer grossen Spass», erkläre Schmidt nach der zweistündigen Fragestunde, die nur der Anfang für das Wochenendprogramm war. Anschliessend ging es zum Spaghetti-Essen mit den Studierenden und am Samstag und Sonntag standen ein Kurs an der Chocolate Academy und ein Besuch auf dem Weinschiff auf dem Programm. Für Brian Schmidt, der in Australien auch ein Weingut betreibt und selber Wein herstellt, eine besondere Freude.
Schmidt habe auf die Anfrage des Fachvereins sofort und begeistert geantwortet, erzählt Bettina Leibundgut vom Fachverein Physik. Geholfen habe dabei, dass Prasenjit Saha vom Physik-Institut der UZH Schmidt aus gemeinsamen PostDoc-Zeiten gut kennt. Nach dem gelungenen Debut sollen die persönlichen, unkomplizierten Treffen mit hochkarätigen Wissenschaftlern in Zukunft weitergeführt werden, sagt Leibundgut. Ziel ist, jedes Jahr ein solches Wochenende zu organisieren.