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Dan Ariely ist einer der erfolgreichsten und kreativsten Verhaltensökonomen der Welt und bekannt für seinen unkomplizierten und humorvollen Vortragsstil. Am Mittwoch konnte er seine Rhetorik in der Aula der Universität voll zur Geltung bringen und erfüllte damit alle Erwartungen des zahlreich erschienenen Publikums. Der umtriebige Ökonom sprach auf Einladung des «Excellence Foundation Zurich». Er mied das Vortragspult, ging vor dem Publikum auf und ab und stellte zwischendurch Fragen an die Zuhörerinnen und Zuhörer. Wie sich auf seine Anfrage hin herausstellte, sassen im Publikum massenweise Lügner und Schwindler.
«Doch Sie befinden sich in bester Gesellschaft», beruhigte Ariely, «denn selbst Gott ist ein Lügner.» Dazu erzählte Ariely eine Geschichte aus dem alten Testament: Als Gott Sarah verkündete, dass sie einen Sohn gebären werde, wunderte sie sich, dass das möglich sei mit ihrem doch so alten Mann. Als dann Gott zu Abraham ging und ihm verkündete, er werde einen Stammhalter bekommen, fragte Abraham, ob Gott es Sarah schon gesagt und wie sie reagiert habe. Gott log und sagte: Sarah habe sich gewundert, dass sie als alte Frau noch ein Kind bekommen könne.
Lügen und Schwindeln gehören zum Alltag, sagte Ariely. In Studien konnte er nachweisen, dass bereits in einem zehnminütigen Gespräch zwischen zwei Personen mindestens zwei bis drei Mal gelogen wird.
Lügen wir, was das Zeug hält? Um das herauszufinden, liess Ariely Studierende Mathematiktests mit zwanzig Aufgaben in kurzer Zeit lösen und bezahlte ihnen für jede richtig gelöste Aufgabe bis zu sechs Dollar. Doch anstatt die Aufgaben abzugeben, durften die Probanden die Aufgabenblätter schreddern und danach selbst angeben, wie viele Aufgaben sie gelöst hatten.
Wären die Probanden allesamt kühl kalkulierende Schummler, hätte jeder von ihnen die maximale Anzahl von gelösten Aufgaben angegeben und wäre mit vollem Geldsack aus dem fünfminütigen Experiment marschiert. Die Wahrscheinlichkeit, beim Betrügen ertappt zu werden, war schliesslich gleich null. Statt der gesamten Aufgabenzahl gaben die meisten Teilnehmer an, sechs Aufgaben gelöst zu haben, auch wenn sie nur eine gelöst hatten. Nur wenige der Probanden gaben eine höhere Zahl an als sechs.
Wir sähen zwar den Vorteil des Betrügens, interpretierte Ariely dieses Verhalten, doch auch beim Lügen wolle niemand die Selbstachtung verlieren. Wer Bleistifte aus der Firma mitgehen lasse, fühle sich nicht als schlechter Mensch. Wenn er jedoch Geld im selben Wert wie die Stifte aus der Gemeinschaftskasse nehme, spiele das Gewissen nicht mehr mit. Beim Lügen sei nicht die Gefahr, ertappt zu werden, das Entscheidende, sondern sich selbst nicht beim Lügen zu erwischen. Das habe sich auch in Experimenten mit Ex-Strafgefangenen gezeigt, sagte Ariely. Auch diese Gruppe will offenbar an das Gute in sich glauben.
Natürlich seien wir unehrlich, weil wir aus Lügen einen Vorteil ziehen wollen, sagte der Verhaltensökonom. Aber der Mensch und die Welt seien viel komplexer. Wir könnten auch aus altruistischen Motiven lügen. Zusammenfassend gebe es drei Dinge, die Menschen zum Schwindeln bringen: Interessenkonflikte, unscharfe Regeln und der Hang des Menschen, seine Handlungen zu rationalisieren und die Welt und sich so zu sehen, wie er sie gern sehen möchte.
Auf die Frage des Publikums, ob es beim Lügen einen Unterschied zwischen Kulturen und Ländern gebe – etwa zwischen Schweizern und Amerikanern –, meinte Ariely, dass nach seinen Tests die Unterschiede so gering seien, dass man sie vernachlässigen könne. Es gebe jedoch unter den Berufsgruppen einen grossen Unterschied: Banker würden doppelt so oft lügen wie Politiker.