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Es war seine allererste Seminararbeit, damals im Gaststudium an der London School of Economics and Political Science (LSE). Und er muss seine Sache ausserordentlich gut gemacht haben. Denn die betreuende Dozentin prophezeite Dennis Schoeneborn Erfolg im wissenschaftlichen Arbeiten. Sie sollte Recht behalten: Der Organisationsforscher ist seit 2008 Oberassistent am Institut für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich, sowie Gastdozent im Ausland – zur Zeit an der Copenhagen Business School in Dänemark.
Damals in London erlebte Dennis Schoeneborn etwas, was er von seinem Studium in Hannover so nicht kannte. Er schrieb in einem Jahr neun Hausarbeiten. «Jede davon wurde genau durchleuchtet, es gab detailliertes Feedback und konkrete Verbesserungsvorschläge», sagt der 36-Jährige. Für Schoeneborn eine prägende Erfahrung: «Die Grundlage meines wissenschaftlichen Werdegangs wurde dort gelegt.»
In seiner aktuellen Forschung widmet sich Schoeneborn der Untersuchung von Organisationen, die unter Extrembedingungen operieren – wie etwa das Terror-Netzwerk al Kaida oder das Hacker-Kollektiv. Er untersucht dabei, inwieweit diese Organisationen überdauern können und wie sie durch die Initiierung medial stark sichtbarer Kommunikationsereignisse – Terroranschläge oder Hacker-Attacken – doch etwas wie eine organisationale Identität herausbilden.
Vom positiven Einstieg in das wissenschaftliche Arbeiten profitieren nun die Studierenden, die in Schoeneborns Unternehmenskommunikations-Seminar sitzen. «Der wissenschaftliche Beruf bleibt für viele Studierende etwas, worunter sie sich wenig vorstellen können. Beim Schreiben von Arbeiten ist man dagegen ziemlich nah an dem, was es heisst, Wissenschaftler zu sein.» Werde das Verfassen von Arbeiten optimal betreut, könne dies dazu beitragen, dass sich mehr Studierende für ein Doktorat interessieren – «was wünschenswert wäre».
Die Fähigkeit, wissenschaftliche Arbeiten schreiben zu können, bringt gemäss Schoeneborn aber auch Vorteile in der Wirtschaftspraxis: «Als ich als Unternehmensberater tätig war, merkte ich, dass weniger die so genannten praxisnahen Inhalte aus dem Studium zum Tragen kamen, sondern vielmehr die theoretischen Tätigkeiten.»
Durch das Schreiben von Arbeiten lerne man Dinge, die in jedem Beruf gefragt seien. So etwa die Fähigkeit, sich schnell in neue Themengebiete einzuarbeiten oder Unmengen an Literatur strukturieren, also strukturiert zu denken. Hinzu kommt das Erlernen einer analytischen Herangehensweise an Probleme, sprich das Herunterbrechen von Fragestellungen auf ihre Einzelbestandteile, sowie die wissenschaftliche, begründete Argumentation.
Im verschulten Bolognasystem ginge die Möglichkeit persönlichen Wachstums und eigenen Denkens jedoch mehr und mehr verloren. «Die Entwicklung zeigt leider, dass der Fokus einiger Studierenden auf dem schnellen Erwerb von ECTS-Punkten liegt und der Weg des geringsten Widerstandes gewählt wird», sagt der Wissenschaftler.
Seminararbeiten schreckten da eher ab, da sie tendenziell mehr Aufwand bereiten als Prüfungen. Schoeneborn hält darum gerade zu Beginn des Studiums die Bedeutung schriftlicher Arbeiten hoch: «Ich lasse meine Studierenden ‹Wissenschaftler spielen›, indem ich sie zu möglichst grosser Eigenständigkeit anhalte. Letztlich behandele ich sie ähnlich, als seien sie Koautoren in einem Publikationsprojekt.»
Konkret gibt er den Studierenden grobe Themenfelder vor, die Fragestellung der Arbeit sollen sie aber selber entwickeln. «Damit haben viele Mühe: Oft wird ein zu allgemeines Thema gewählt, und die Studierenden stehen wie der Ochs vor'm Berg, da es an Selektionskriterien zur Eingrenzung der jeweils relevanten Literatur fehlt», sagt der Organisationsforscher. Er lässt die Studierenden zunächst ein Exposé abgeben, in dem sie die Stossrichtung ihrer Arbeit abstecken – bei dieser «thematischen Engführung» hilft er auch.
Erst danach beginnt das eigentliche wissenschaftliche Arbeiten. Es werden kleinere empirische Untersuchungen wie etwa Interviews oder die Auswertung von Zeitungsartikeln durchgeführt. «Ich möchte, dass in jeder Arbeit ein eigener, neuer Ansatz erkennbar ist und keine blosse Reproduktion der bestehenden Literatur.»
Der grösste Aufwand für ihn bedeute das Lesen und Bewerten der Arbeiten. Das Feedback an die Studierenden ergebe sich aus den Kommentaren, die er bereits beim Sichten und Korrigieren der Arbeit schreibe. «Ich gebe sehr gerne Feedback, da ich so das akademische Potenzial wecken kann, das in nahezu jedem Studierenden schlummert.»