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Wissenschaftliche Themen sind in den Massenmedien gefragter denn je. Doch die Medienwelt funktioniert nach anderen Spielregeln als die Welt der Wissenschaft. Viele Forschende fühlen sich daher im Angesicht von Journalisten auf fremdem, manchmal gar feindlichem Terrain. Sie befürchten, dass ihre Aussagen verdreht, verkürzt und entstellt widergegeben werden. Eine Befürchung, die nicht immer ganz unberechtigt ist.
Marco Meier, Philosoph und Publizist, hielt letzte Woche vor Nachwuchsforschenden einen Vortrag über Risiken im Umgang mit Massenmedien. Einer Verteufelung der Medien redete er dabei nicht das Wort. Er stimmte auch nicht in den Chor der Pessimisten ein, welche den unaufhaltsamen Qualitätszerfall von Zeitungen, Radio und Fernsehen beklagen. Vielmehr ermunterte er die Nachwuchsforschenden, sich mit ihren Forschungsergebnissen an eine breite Öffentlichkeit zu wenden. Er riet aber, dabei mit Bedacht und Respekt vorzugehen.
Massenmedien folgen ganz anderen Kriterien als die Wissenschaft. Sie lieben den Superlativ, während es in der Wissenschaft auf das mikroskopische Detail ankommt. Sie vereinfachen und spitzen zu, wo Wissenschaft möglichst viel Komplexität ins Auge zu fassen versucht. Sie suchen die Aufmerksamkeit des eiligen Lesers, während Wissenschaft des langen Atems bedarf. Sie versuchen, Geschichten zu erzählen, die auch ohne Vorwissen verständlich sind. Sie emotionalisieren, skandalisieren und inszenieren Meinungskonflikte, wo Wissenschaft den Gestus kühler Distanz pflegt.
Solcher Unterschiede müsse man sich als Wissenschaftler oder Wissenschaftlerin im Kontakt mit den Massenmedien bewusst sein, sagte Meier. Man müsse stets genau abwägen, in welchem Mass man sich auf die Spielregeln der Massenmedien einlassen wolle, um in Genuss des raren Gutes öffentlicher Aufmerksamkeit zu kommen. Entscheidend sei, die Kontrolle niemals aus der Hand zu geben und sich nicht von den Medien instrumentalisieren zu lassen. «Achten Sie darauf, dass das Gesetz des Handelns immer auf Ihrer Seite ist», empfahl Meier den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Meier gab seinem Publikum noch eine ganze Reihe weiterer Ratschläge für den Umgang mit Massenmedien mit auf den Weg. Zum Beispiel: «Überlegen Sie sich vor dem Gespräch mit einem Journalisten genau, welches der Kerngedanke ist, den sie vermitteln wollen – und achten Sie darauf, dass er beim Gegenüber auch ankommt.» Oder: «Verschaffen Sie sich Klarheit, in welchem Kontext Ihre Aussagen verwertet werden sollen und wägen Sie ab, ob dieser Kontext Ihrem Thema würdig ist.»
Meier empfahl den Nachwuchsforschenden zudem, sich vor einem Interview genau zu informieren, welche Textsorte der jeweilige Journalist wählt, welche publizistischen Absichten er mit seinem Artikel verfolgt, welche Auskunftspersonen er sonst noch befragt und welche Bilder er zur Illustration seines Artikels verwendet.
Zum kompetenten Umgang mit Massenmedien gehöre zudem, sich in der Formulierungsweise nach dem Zielpublikum des jeweiligen Medienbeitrags zu richten, sagte Meier. Noch wichtiger sei es jedoch, glaubwürdig zu bleiben und sich nicht bei den Medien anzubiedern. Meiers Appell an die Nachwuchsforschenden: «Lassen Sie sich Ihr Recht auf Komplexität nicht nehmen!»