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Das Timing war perfekt: Just am Tag der Bekanntgabe der diesjährigen Träger des Right Livelihood Awards war der Stifter des Preises, der deutsch-schwedische Publizist Jakob von Uexküll, zu Gast an einem Podiumsgespräch in der Aula der UZH.
Dieses Jahr werden vier Persönlichkeiten mit dem «Alternativen Nobelpreis» – wie der Right Livelihood Award auch genannt wird – ausgezeichnet, darunter der Agronom Hans R. Herren, der mit einem biologischen Programm zur Schädlingsbekämpfung in Afrika Millionen von Menschen das Leben rettete. Herren ist der erste Schweizer, der den Right Livelihood Award erhält. Er war als Zuhörer des Podiumsgesprächs im Saal anwesend.
Jakob von Uexküll und Ökononomie-Professor Ernst Fehr unterhielten sich in dem von Haig Simonian flott und kurzweilig moderierten Gespräch darüber, wie das Gute in der Welt gefördert werden kann.
Fehr, Direktor des Instituts für Volkswirtschaftslehre der UZH, nahm die Wirtschaftswissenschaften gegen den Vorwurf in Schutz, sich für die Frage nach dem langfristigen Wohl der gesamten Gesellschaft zu wenig zu interessieren. Für die modernen Wirtschaftswissenschaften sei diese Frage immer zentral gewesen – «auch wenn die Antworten, die sie gegeben hat, nicht immer die richtigen waren».
Im Zentrum des Gesprächs stand die Frage, ob der Sinn für das Gute angeboren sei oder ob er dem Menschen erst anerzogen werden müsse.
Jakob von Uexkülls salomonische Antwort lautete: «Wir haben alle gute und böse Anteile. Welche davon schliesslich zum Tragen kommen, darüber entscheiden die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.»
Der Ökonom Ernst Fehr äusserte sich in ähnlicher Weise: Was den Sinn für Ethik anbelange, spiele die gesellschaftliche Prägung vermutlich die grössere Rolle als genetische Determinanten. «Seit mehr als fünf Jahren arbeite ich daran, einen biologischen Marker für Altruismus zu finden, doch bisher habe ich nichts gefunden», sagte er.
Dennoch glaube er an die Existenz eines Altruismus per se – sofern man ihn nicht zu streng definiere. Zahlreiche Experimente hätten gezeigt, dass Menschen in vielen Situationen zum Wohle anderer handelten, ohne dafür eine Gegenleistungen zu erwarten. Allerdings sei kaum nachzuweisen, ob sie dies «nur» täten, um sich dadurch ein gutes Gefühl zu verschaffen, oder weil sie damit einem reinen altruistischen Impuls folgten. Diese feine Unterscheidung sei aber letztlich nicht entscheidend.
Jakob von Uexküll sparte erwartungsgemäss nicht mit Kritik am Zustand der gegenwärtigen westlichen Gesellschaft: «Wir werden selten als Bürger angesprochen, stattdessen immer als Konsumenten», monierte er.
Eine gute Gesellschaft, so definierte v. Uexküll, sei eine, welche auch das Wohl zukünftiger Generationen im Blick habe. Er bemängelte, dass die Ökonomen und Politiker, die gegenwärtig an den Schalthebeln sässen, kaum den Mut zeigten, Visionen für eine nachhaltiger wirtschaftende Gesellschaft zu entwickeln und durchzusetzen.
Die Wünsche und Bestrebungen der meisten Machthaber sei ganz darauf gerichtet, eine Welt zu reinstallieren, wie sie vor der Finanzkrise bestanden hätte – statt sich zu überlegen, wie die Wirtschaft besser organisiert werden könne.
Dennoch zeigte sich v. Uexküll durchaus hoffnungsfroh: Er habe in persönlichen Gesprächen erfahren, dass Entscheidungsträger ein ganz anderes, viel verantwortungsvolleres Denken an den Tag legten, sobald sie aus ihren institutionellen Rollen schlüpften. «Es gibt», sagte v. Uexküll, «mehr gute Menschen, als man glaubt.»
Die Frage, ob es universelle Kriterien für die Bestimmung des Guten gebe, wurde von beiden Gesprächsteilnehmern bejaht. Menschenrechte, so Fehr, stünden für ihn höher als ein relativistischer Wertepluralismus.
Ein weiteres Thema des Abends war die Vorbildfunktion der Schweiz für andere Länder. Jakob von Uexküll lobte die direkte Demokratie: Sie fördere das Engagement der Bürger und halte jenen Zynismus im Zaum, der für das Verhältnis der Bürger zur Politik in vielen anderen Ländern leider bestimmend geworden sei.
Diskutiert wurde schliesslich auch die Bedeutung einer Vertrauenskultur für eine gute Gesellschaft. Fehr kritisierte, dass trotz des gegenwärtigen wissenschaftlichen Hypes rund um das Thema Vertrauen viel zu wenig darüber nachgedacht werde, wie Vertrauen überhaupt geschaffen werde.
Bezugnehmend auf die Vertrauenskrise, in welcher die Finanzbranche steckt, mahnte Ernst Fehr an, verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen. Das könne nur geschehen, indem man institutionelle Regeln setze. So müssten zum Beispiel die Banken dazu gebracht werden, mehr Eigenkapital zu halten.