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«Was kannst Du denn mit deinem Studium nach dem Abschluss anfagen?»: Diese Frage haben wohl die meisten Studierenden der Geisteswissenschaften schon oft zu hören bekommen. Die neue Veranstaltungsreihe «Berufsaussichten für Geisteswissenschaftler/innen» der Career Services der UZH will aufzeigen, dass den Absolvierenden viele Möglichkeiten offen stehen, obwohl ein geisteswissneschaftliches Studium keine Berufsausbildung ist und auf kein spezifisches Tätigkeitsfeld zielt.
Sichtbar wird diese Vielfalt an drei Veranstaltungen, an denen Berufsleute über ihre typischen oder weniger typischen beruflichen Werdegänge und heutigen Tätigkeiten berichten. Im laufenden Frühlingssemester liegt der Fokus bei Absolventinnen und Absolventen eines Studiums der Sprach- und Literaturwissenschaften.
Über einen für Geisteswissenschaftler typischen Beruf berichtete an der ersten Veranstaltung gestern Mittwoch Anne Roth-Stier. Die Altphilologin unterrichtet als Gymnasiallehrerin Latein und Griechisch. Es sei ein «wunderschöner Beruf», schwärmte sie, der aber viel Einsatz und Fingerspitzengefühl auch auf der menschlichen Ebene erfordere: «Ist das Klima in der Klasse gut, wird auch die Stunde gut.» Nicht immer sei der Alltag ein Zuckerschlecken, wobei Mobbing zwischen Schülern zu ihren schlimmsten Erfahrungen zählten.
Man solle sich nicht vom Klischee des ferienverwöhnten Lehrers irreleiten lassen, sagte Roth-Stier. Der Beruf sei mit Unterricht, Exkursionen, Weiterbildung und der Beziehungspflege zu Eltern und Schülern arbeitsintensiv. «Ein Lehrer ist nie fertig mit Vorbereiten», gab sie den Studierenden zu bedenken und riet dringend, dem Perfektionismus abzuschwören. Lehrer sein sei zwar kein «8 to 5»-Job, sollte aber auch kein «8 to 8»-Job sein, der einen zuhause nicht mehr loslasse.
Wichtig sei, den Austausch mit Fachkollegen zu pflegen – am besten auch mit solchen, die an anderen Schulen unterrichteten. Sinnvolll sei auch, das Unterrichtsmaterial gegenseitig auszutauschen: «Sie müssen nicht alles neu erfinden.»
Die Karrieremöglichkeiten, gibt Anne Roth-Stier zu, seien in Lehrerberuf beschränkt, dessen müsse man sich bewusst sein – nach oben stehe höchstens der Weg zum Prorektor und zur Rektorin offen.
Einen untypischeren Beruf für eine Geisteswissenschaftlerin übt die Romanistin Gabriela Stöckli aus. Sie studierte Spanisch und war danach sechs Jahre als Assistentin am Romanischen Seminar der UZH tätig. Am selben Tag, als sie ihre Dissertation ablieferte, war auch die Eingabefrist für die Bewerbung auf ein Stelleninserat. Gesucht wurde eine 80-Prozent-Geschäftsleitung in einem neu aufzubauenden Projekt namens «Übersetzerhaus Looren».
«Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort», sagte Stöckli rückblickend. Sie bekam die Stelle und leitet seit 2005 einen Wohn- und Arbeitsort, der Literatur-Übersetzerinnen und Übersetzern aus aller Welt dazu dient, sich in einem ruhigen Umfeld ihrer Arbeit widmen zu können.
Als Geschäftsleiterin mit einem inzwischen fünfköpfigen Team muss Gabriela Stöckli zwar nicht mehr wie zu Beginn alles regeln. Wer in einem Kleinbetrieb arbeite, sollte aber Spass daran haben, sich auch um Kleinigkeiten zu kümmern. Gleichzeitig sei es sehr befriedigend, von A bis Z an der Gestaltung eines Projektes teilzuhaben.
Ihre Arbeit erlebt Stöckli als fortwährende Weiterbildung. Das meiste, was sie für diese Tätigkeit benötige, habe sie im Beruf gelernt: «Ich mache etwas, das ich mir im Studium nicht vorstellen konnte – weil es diese Art von Stelle nicht gab.»
Sie empfahl den Studierenden, wenn immer möglich schon während des Studiums in ihrem Interessengebiet tätig zu sein. «Lesen sie jetzt, später werden sie kaum mehr Zeit dazu haben», gab sie den angehenden Sprachwissenschaftlern zudem mit auf den Weg. Ihr Doktortitel sei wohl nicht ausschlaggebend gewesen, um ihre heutige Stelle zu erhalten. Aber die Dissertationszeit habe ihr erlaubt, nochmals tief in die Themen Sprache und Text einzutauchen und habe ihr Denken geprägt.
Auch für die Sinologin Brigitte Moser war ihre heutige Tätigkeit während des Studiums unvorhersehbar. Sie ist Projektleiterin in einem Startup-Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von Software-Plattformen spezialisiert hat. Moser war nach dem Studium ebenfalls ein Jahr als Assistentin tätig, entschied sich dann aber gegen eine Dissertation und erstmal für eine Weltreise.
Danach startete sie als Assistentin bei ihrem heutigen Arbeitgeber. Auch Brigitte Moser geniesst die Vorteile des kleinen, innovativen Umfeldes: die Vielseitigkeit, den ausgeprägten Teamgeist und die Flexibilität in der Arbeitsgestaltung. «Mit meinem Studienfach hat meine jetzige Tätigkeit eigentlich nichts zu tun», sagte sie. Ein Sinologiestudium sei aber wohl Ausdruck von Offenheit und der Bereitschaft, den eigenen Horizont zu erweitern. Sie plädierte dafür, auf dem beruflichen Weg vor allem ein Leben lang offen und neugierig zu bleiben – «dann werden Sie auch erfolgreiche Arbeit leisten».