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SOLA-Stafette

Die ersehnte Einsamkeit des Stafettenläufers

Rund 12’500 Läuferinnen und Läufer starteten am vergangenen Samstag zur 40. SOLA-Stafette des Akademischen Sportverbandes Zürich (ASVZ). Mit dabei war Roger Stupf von der Abteilung Kommunikation. Für UZH News schildert er seine Erlebnisse.
Roger Stupf

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Erschöpft, aber glücklich: SOLA-Teilnehmer Roger Stupf am Ziel. (Bild zVg)

Es ist Samstag, und es ist noch sehr früh. Ich bin alles andere als ausgeschlafen, muss aber dennoch in aller Eile viele kleine Entscheidungen treffen: Soll ich noch eine Banane essen oder lieber nicht? Welche Hosen soll ich anziehen? Was packe ich in die Sporttasche? Ich merke: Mir fehlt die Rennerfahrung. Es ist viele Jahre her, seit ich zum letzten Mal an der SOLA-Stafette teilgenommen habe.

Die Stadt erobern

Während ich auf den Zug warte, erblicke schon den ersten mutmasslichen Mitläufer. Auch er in Laufschuhen, Trainingsanzug und kleinem Rucksack mit Reservewäsche.

Auf dem Weg nach Zürich steigen an jeder Haltestelle SOLA-Läuferinnen und -Läufer zu und mischen sich unter die Pendler. In Oerlikon an der Busstation zum Hönggerberg wird es dann klar: die Läuferinnen und Läufer haben die Stadt erobert. Ich schaue sie mir an, schätze ihre Lauferfahrung und Fitness ein. Sie scheinen alle erschreckend gut in Form zu sein.

Hallo Inge!

Am Hönggerberg, wo mein Streckenabschnitt beginnt, ändert sich die Stimmung. Nervosität kommt auf. Überall wuseln Männer und Frauen umher, zum Teil schon im Lauf-Tenue, teils noch in dicke Trainingsanzüge gehüllt, denn es ist kalt und regnerisch. Wo wollen die alle hin? Was wollen sie? Und wo soll ich eigentlich hin? 

Sportliche Grossveranstaltung: Start und Ziel der SOLA-Stafette im Irchelpark. (Bild zVg)

Erst einmal heisst es warten, bis der Start der ersten Etappe am Irchel per Lautsprecher gemeldet wird. Dann ziehe ich mich um, bringe mein Gepäck zum Transportwagen, laufe mich ein und begebe mich an den Startpunkt meiner Etappe. Dort ist die Übergabe schon in vollem Gang. Ich warte in meinem Sektor, bis die Nummer unseres Teams aufgerufen wird. Ich kenne meine Vorläuferin genauso wenig wie die Person, die mich ablösen wird. Da, ich sehe eine Läuferin mit unserer Teamnummer. Das also ist Inge. Hallo Inge, freut mich, Dich kennenzulernen! Und tschüss.

Hinter dem Baum

Ich nehme den Bändel mit dem Stick, der elektronisch die Laufzeiten registriert, und laufe los. Jetzt volle Konzentration, nicht zu schnell starten, taktisch laufen... Dummerweise wird meine Taktik schon bald durch ein dringendes Bedürfnis nach einem Austritt gestört. Offenbar habe ich doch zu viel getrunken vor dem Start – oder zu lange im kühlen Regen gewartet. Ich suche mir also einen Baum aus, um mich dahinter zu erleichtern. Zahllose Läuferinnen und Läufer ziehen an mir vorbei. Lauft Ihr nur, denke ich, euch hole ich schon wieder ein. Ich habe sie nie mehr gesehen.

Das Überholtwerden dauert auf den ersten paar Kilometern an. Bei jedem Läufer, der an mir vorbeizieht, denke ich: Hey, du bist viel zu schnell, dein Einbruch kommt noch, ich hole dich noch ein. Mit der Zeit schmilzt meine Zuversicht jedoch dahin, denn immer mehr T-Shirts entschwinden meinen Blicken. Vielleicht sind die alle doch viel schneller als ich? Vielleicht macht sich langsam mein Alter bemerkbar?

Im Gleichgewicht

Mit der Zeit werden es weniger, die mich überholen. Nach Kilometer sieben laufe ich stetig hinter einem orangen T-Shirt her. Endlich finde ich Ruhe, endlich bin ich ganz bei mir. Im herrlich frühlingsgrünen Hönggerwald stellt sich ein Gefühl des Gleichgewichts ein. Da ist er, der legendären «Flow». Ich bin gut unterwegs, geniesse die Natur. Nach der Brücke über die Limmat ändert sich dann die Stimmung ein wenig: Es geht nun Asphaltstrecken entlang durch das Limmattal.

Gute Seelen

Mir fällt auf, wie gut die SOLA wieder einmal organisiert ist: Jeder Strassenübergang ist perfekt beschildert, gefährliche Wegstücke sind signalisiert. Ein Schild gemahnt: «Läufer, welche die Strasse überqueren, werden disqualifiziert». Die Verlockung war gross angesichts der Hunderten von Metern, die man der Strasse entlang Richtung Unterführung lief, während einem auf der anderen Seite altbekannte T-Shirts entgegenlaufen. Das Fleisch wurde schwach, aber zum Glück blieb der Geist willig.

Auch an der Verpflegungsstation, die bald auftaucht, warten gute Seelen auf mich. Ich nehme dankbar einen Becher Wasser und gönne mir ein paar Meter Trinkpause im Laufschritt, bevor ich frisch gestärkt den kleinen Aufstieg zu den Buchleren in Angriff nehme. Die meisten vor mir haben nichts getrunken, sind wohl wegen des kühlen Wetters weitergerannt. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich nun doch einige Läuferinnen und Läufer einhole.

Erinnerungen

Kilometer elf ist hinter mir und ich beginne schon das Ziel Buchleren zu erahnen. Hier bin ich früher schon gestartet. Mir fallen frühere SOLA-Rennen ein: Zum Beispiel jenes, zu dem ich, auf meine Walliser Bergwurzeln vertrauend, mit viel zu wenig Training angetreten war, um dann beim Aufstieg zum Uetliberg einen üblen Einbruch zu erleben. Oder jenes, zu dem ich zu spät aufbrach, und so schon vor dem eigentlichen Lauf einen Spurt hinlegen musste, um rechtzeitig beim Start zu sein. Das wurde ein langes Rennen! Aber das Wetter war super damals!

Ganz anders als heute. Es ist immer noch grau und regnerisch. Aber das stört mich nun nicht mehr. Denn ich bin im Endspurt Richtung Buchleren. Ich hole noch zwei Läufer ein, biege um die Ecke und sehe dort schon meinen Nachläufer: Ah, das ist also Stefan. Freut mich, dich kennenzulernen! Und tschüss.

Alles wunderbar

Ich weiss nicht, wie gut ich gerannt bin, doch plötzlich ist alles wunderbar. Die Beine schmerzen zwar, und der Puls rast noch immer. Aber ich bin glücklich und zufrieden. Einige Minuten geniesse ich die Atmosphäre bei der Übergabestelle, sehe jene, denen der Lauf noch bevorsteht, zum Uetliberg marschieren und bin froh, dass ich meinen Teil bereits geschafft habe.

Ich laufe noch ein wenig aus, hole meine Sachen und ziehe mich um. Die Wettkampfzone leert sich allmählich. Die Läuferinnen und Läufer warten beim Bus und lassen sich in alle Richtungen nach Hause transportieren. Bei jeder Umsteigestation verlieren sich mehr SOLA-Läuferinnen und -Läufer im samstäglichen Einkaufsgewimmel. Der Alltag hat uns wieder.

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