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Es soll Leute geben, die würden sich nie ins Moulagenmuseum getrauen, zu sehr gingen ihnen die ausgestellten Objekte unter die Haut. Angehende Dermatologinnen und Dermatologen gehören definitiv nicht dazu. Für sie ist das Moulagenmuseum so wichtig wie Mekka für gläubige Muslime: Einmal im Laufe des Studiums muss man dorthin. Denn auch die schönsten Querschnitte und Mikroskopaufnahmen von Hautkrankheiten sind nicht so anschaulich und eindrücklich wie die Moulagen, die an der Haldenbachstrasse 14 ausgestellt sind.
Vom simplen Fusspilz bis zum aggressiven Hautkrebs kann man im Moulagenmuseum so gut wie jede Hautpathologie studieren: Ekzeme, Allergien, Tumoren, Syphilis, Borreliose, Neurodermitis, Schuppenflechte, Krätze und was der Krankheitsbilder mehr sind. Insgesamt 600 Moulagen beherbergt das Museum, weitere 1200 lagern im (neuen) Depot. Die Zürcher Moulagen gelten weltweit als die am besten erhaltene und naturähnlichste Sammlung.
Kein anderes Material eignet sich so gut, Haut naturgetreu abzubilden wie das Wachsharzgemisch, aus dem Moulagen sind. Auch lässt es sich gut mit anderen Materialien verbinden: mit Haaren, Horn oder getrocknetem Hautleim für die Nägel; und die (geheime) Moulagenmasse kann mit Pigmenten in allen Hauttönen und -nuancen eingefärbt werden.
Das Museum enthält neben der Lehrsammlung von Hautkrankheiten (die dem Lehrplan für künftige Ärzte entsprechen) auch eine historische Abteilung mit zum Teil fast 100-jährigen Moulagen. Moulagen gibt es seit Mitte des 19. Jahrhunderts, sie dienten schon damals dem Studium und der Dokumentation von Krankheiten. Solche alten Objekte sind von grossem medizinhistorischem Wert.
So weiss man auch heute noch, welche Hauterkrankungen früher vorkamen, wie sie aussahen und wie man sie früher klassifizierte und behandelte – selbst wenn sie mittlerweile ausgerottet sind wie die Pocken oder bei uns nicht mehr vorkommen wie der Kopfgrind oder die «Fressende Flechte» (Lupus vulgaris).
Moulagen von chirurgischen Krankheitsbildern (eine Rarität und nur in Zürich und Paris zu sehen) und historische histologische Zeichnungen ergänzen die Darstellungen «des für alle sichtbar leidenden Menschen», so der Leiter des Moulagenmuseums, der Dermatologe Michael Geiges. Auch wer die Moulagen früher herstellte, wird gezeigt: die Moulageusen Ruth Beutl-Willi und Elsbeth Stoiber zum Beispiel.
Von letzterer wurde Museumsleiter Geiges in die Kunst des Moulagehandwerks eingeführt. Und Elsbeth Stoiber war es auch, die in den 1970er Jahren – als die verbesserte Farbfotografie die Moulagen kurzfristig verdrängt hatte – erreichte, dass die Moulagensammlung nicht aufgelöst bzw. eingeschmolzen wurde, sondern in ein öffentliches Museum umgewandelt wurde (ab 1993).
Für das 20-jährige Jubiläum des Moulagenmuseums hat Michael Geiges eine Sonderausstellung eingerichtet. Sie zeigt, wie sich die Moulagen historisch entwickelten, wie sie als Lehrmittel eingesetzt werden und wie sie für die Zukunft fachgerecht aufbewahrt werden. Denn Moulagen erleben ein Revivial. Weshalb, ist nicht ganz einfach zu erklären (siehe auch Video). Sicher ist, sie sind der perfekte Kontrast zu digitalen Abbildungen: handfest und eindringlich.