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Die Nationalen Forschungsschwerpunkte (NFS) sind aus der Schweizer Forschungslandschaft nicht mehr wegzudenken. Zahlreiche Nachwuchsforschende gingen aus den Schwerpunktprogrammen hervor, neue Forschungsgebiete konnten etabliert werden, und es entstanden fruchtbare Kooperationen über die Universitätsgrenzen hinaus. Viele der Forschungsschwerpunkte haben sich zu Aushängeschildern der Universitäten entwickelt. Dabei gibt es sie noch gar nicht lange: Die vierzehn ersten NFS nahmen 2001 den Betrieb auf, einer davon (Co-Me) wurde an der ETHZ angesiedelt, drei davon (Neuro, Finrisk, Strukturbiologie) an der Universität Zürich.
Der Schweizerische Nationalfonds will weiterhin am Modell der Nationalen Forschungsschwerpunkte festhalten. Etwa fünfzehn bis zwanzig Programme sollen in Zukunft jeweils gleichzeitig laufen, die Kosten sollen etwa zehn bis fünfzehn Prozent des Gesamtbudgets des Nationalfonds betragen. Längst laufen die NFS der zweiten und dritten Generation. Starttermin für die vierte Generation ist 2014.
Was aber soll mit den Projekten geschehen, die nun nach zwölf Jahren auslaufen? Das war Thema eines prominent besetzten, vom NFS Stukturbiologie organisierten Podiumsgesprächs an der ETH Zürich.
Moderatorin Esther Girsberger wollte zunächst Grundsätzliches wissen und fragte zum Einstieg alle Podiumsteilnehmer, wie sie die Wettbewerbsfähigkeit der akademischen Forschung in der Schweiz einschätzten. Dieter Imboden, Forschungsrats-Präsident des Schweizerischen Nationalfonds, erklärte, die Wissenschaft in der Schweiz sei zwar im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt.
Hingegen sei Wissenschaft für den hiesigen Nachwuchs nicht so attraktiv, wie sie sein sollte. Viele Talente verzichteten heute auf eine akademische Laufbahn zugunsten einer Karriere in der Wirtschaft. Ein häufiger Grund dafür sei, dass ihnen im entscheidenden Moment gerade keine geeignete Stelle an einer Universität angeboten werden könne. «Wir überlassen es zu sehr dem Zufall, ob begabte Leute den Weg in die Wissenschaft finden oder nicht», konstatierte Imboden.
Ebenso bedauerlich sei, dass heute trotz zahlreicher Kooperationsprojekte zwischen Wirtschaft und Hochschulen weit weniger Menschen als früher den Weg aus der Industrie zurück an die Akademie fänden. «Die Gedanken fliessen gut zwischen Industrie und Hochschule, die Leute leider nicht mehr.» Die Ursache ortete Imboden darin, dass bei Berufungen zu sehr auf Publikationszahlen geachtet werde; Quereinsteiger hätten so kaum mehr Chancen.
Während Dieter Imboden auf die Notwendigkeit einer effektiveren Laufbahnförderung aufmerksam machte, brach Daniel Wyler, Prorektor Medizin und Naturwissenschaften der UZH, eine Lanze für eine beherztere Berufungspolitik. Man müsse Spitzenleuten Entfaltungsmöglichkeiten bieten, die sie andernorts nicht vorfänden – und dazu auch einmal Mut zu unkonventionellen Lösungen zeigen.
Besonders gute Entfaltungsmöglichkeiten für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – darin waren sich die Podiumsteilnehmer einig – bieten die Nationalen Forschungsschwerpunkte. Der Grund: Die Mittel für die NFS werden grosszügig und unbürokratisch vergeben. «Die NFS», betonte Imboden, «sind viel stärker buttom up organisiert als vergleichbare Formen der Verbundforschung in anderen Ländern.» Sie würden nicht wie anderswo als Hebel benutzt, um die Forschung von aussen inhaltlich mitzusteuern.
Klaus Müller, langjähriger Head of Science & Technology beim Pharmakonzern F. Hoffmann-La Roche und ausserordentlicher Professor in Basel, der auf dem Podium die Sichtweise der Industrie vertrat, teilte diese Ansicht: Entscheidend sei, dass man den Forschenden vertraue und sie ihren eigenen Ideen folgen lasse, statt sie zu kontrollieren. Nur so kämen Ergebnisse zustande, die dann auch für die Industrie interessant sein könnten.
Was den auslaufenden Forschungsschwerpunkt Strukturbiologie anbelangt, so plädierte Klaus Müller nachdrücklich dafür, dieses Forschungsfeld angesichts seiner grundlegenden Bedeutung weiterhin gesondert zu fördern. Nobelpreisträger Kurt Wüthrich, der vor zwölf Jahren massgeblich an der Gründung des NFS Strukturbiologie beteiligt war, argumentierte in dieselbe Richtung. Die Mittel des NFS seien zwar im Vergleich zur kostspieligen Forschungsinfrastruktur bescheiden gewesen, hätten aber gleichwohl wesentlich zum Erfolg beigetragen.
Mauro Dell’Ambrogio, Staatssekretär für Bildung und Forschung, stellte demgegenüber klar, dass die Hochschulen kontinuierliche Ausgaben aus eigenen Mitteln bezahlen müssten. «Es geht nicht, dass Mittel, welche die Hochschulen für befristete Projekte bekommen, plötzlich in Daueraufgaben umgewidmet werden», sagte er. «Die zeitliche Begrenzung der NFS ist gewollt und macht Sinn.» Die NFS hätten die Funktion, an der Hochschulen inhaltliche Neuausrichtungen eines Fachs in Gang zu setzen – und nicht, Strukturen zu verstetigen.
Unter normalen Umständen, so Dell’Ambrogio, könnten inhaltliche Neupositionierungen an Hochschulen praktisch nur über die Neubesetzung eines Lehrstuhls vorgenommen werden, der durch Pensionierung frei geworden sei. Der Vorteil Nationaler Forschungsschwerpunkte liege darin, dass ein angestrebter Wandel durch Schaffung einer passenden Assistenzprofessur frühzeitig angebahnt werden könne.
An der Universität Zürich erfüllte der NFS Strukturbiologie exakt diese erwünschte Funktion- Innerhalb von zwölf Jahren, so erklärte Prorektor Daniel Wyler, sei dank des NFS die Umstellung des Biochemischen Instituts auf Biophysik und Strukturbiologie gelungen. Mit den Geldern wurden nicht nur Projekte und Technologieentwicklungen finanziert, sondern eben auch Assistenzprofessuren, welche die angestrebte Neuausrichtung vorwegnahmen.
«Die Bilanz des NFS Strukturbiologie», so Wyler «ist für die Universität Zürich rundum erfreulich.» Erstens hätten hervorragende Forschungsleistungen und erfolgreiche Abgängerinnen und Abgänger die Reputation der UZH befördert, zweitens könnten etliche Errungenschaften – finanziert durch instituts- und hochschuleigene Mittel – fest verankert in den universitären Strukturen weiterbestehen. Die zwölf Jahre des NFS Strukturbiologie sind also von bleibender Wirkung.