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Bedeutende Entwicklungen in der Forschung gehen oft mit grossen Sprüngen in der Technologie einher. «Im Fall der personalisierten Medizin ist das der technische Fortschritt in der Genom-Sequenzierung, die eine exakte Analyse der rund 30‘000 Gene in unserer Erbsubstanz ermöglicht», sagte Martin E. Schwab, Professor für Hirnforschung an der Universität und der ETH Zürich, einleitend zum Symposium. In der Tat ist die Gensequenzierung – bis vor wenigen Jahren eine sehr teure Technik – seit dem Humangenomprojekt rund tausend Mal schneller und eine Million Mal günstiger geworden. «Heute kann das gesamte Genom eines Menschen innerhalb von zwei Tagen für 2000 Franken sequenziert werden», so Schwab.
Von einer eigentlichen Revolution sprach Doron Lancet, Humangenomiker vom Weizmann Institute of Science in Israel. In seinem geschichtlichen Rückblick wies er darauf hin, dass im Humangenomprojekt Fragmente vom Erbgut verschiedenster Personen gemischt wurden. Heute aber könnte grundsätzlich jeder Mensch seine eigene, individuelle Genom-Enzyklopädie erstellen lassen. Auf der Basis solcher persönlichen Gendatensätze liessen sich Fehler im Genom frühzeitig diagnostizieren, was insbesondere bei den sogenannten monogenen Erkrankungen, die durch einen Defekt in einem einzelnen Gen hervorgerufen werden, gut funktioniere, führte er weiter aus.
Als Beispiel dafür, was personalisierte Medizin bedeuten kann, nannte Lancet den plötzlichen Herztod bei jungen Menschen. Seine Gruppe hatte das verantwortliche Gen und dessen Mutation entschlüsselt. «Das Wissen wird heute für diagnostische Gentests verwendet. Auch eine Medikation ist vorhanden, so dass sich der Tod effektiv verhindern lässt, sofern man über die Veranlagung Bescheid weiss», so der Forscher.
Die meisten bekannten Krankheiten sind jedoch polygenischer Natur, beruhen also auf einer Kombination von mehreren Genvarianten und Mutation. So etwa die Schizophrenie. «Die genetische Entschlüsselung solch komplexer Krankheitsbilder ist ein gewaltiges Unterfangen – wir stehen da erst am Anfang», betonte Lancet. Doch mit global vereinten Kräften und mit der notwendigen Technik werde die Forschung in den nächsten Jahren all die feinen Nadeln im genomischen Heuhaufen finden, versicherte er.
Andreas Papassotiropoulos, Direktor der Abteilung für Molekulare Neurowissenschaften an der Fakultät für Psychologie der Universität Basel, beleuchtete die Thematik der personalisierten Medizin aus der Sicht der Hirnforschung. Sein Fachgebiet umfasst die molekularen Grundlagen des menschlichen Gedächtnisses: «Die Humangenetik ist wichtig für die Identifikation von gedächtnisrelevanten Genen und deren Proteinmolekülen», erläuterte er, «wichtig dabei ist, keine falschen Rückschlüsse zu ziehen.»
Was er damit meinte, verdeutlichte Papassotiropoulos beispielhaft am Gen für den Serotonin-Rezeptor. Dieses Gen liegt in zwei Varianten vor. Die zughörigen Proteine unterscheiden sich an einer bestimmten Stelle im Bauplan durch die jeweiligen Bausteine «Tyrosin» und «Histidin». «Wenn man Menschen gemäss diesem Kriterium in zwei Gruppen aufteilt und sie auf ihre Gedächtnisleistung prüft, so zeigt sich deutlich, dass die Gruppe mit der Tyrosin-Variante im Schnitt schlechter abschneidet», sagte Papassotiropoulos und wies darauf hin, dass analog dazu weitere Variationen von Genen existierten, die in Gruppenuntersuchungen ähnliche Leistungsunterschiede offenbarten.
«Das zeigt uns, dass die betrachteten Gene die Gedächtnisleistung effektiv beeinflussen. Doch was bedeutet das nun für den einzelnen Träger der Tyrosin-Variante – hat er folglich ein schlechtes Gedächtnis?», fragte der Forscher. Mitnichten lautete die Antwort. Gruppenvergleiche, so signifikant sie auch seien, erlaubten lediglich Aussagen über die Gruppe, aber keinerlei Rückschlüsse auf das Individuum. Das sei ein häufiger Interpretationsfehler im Zusammenhang mit personalisierter Medizin, resümierte er. «Um herauszufinden, ob Sie ein gutes Gedächtnis besitzen, brauchen sie keine Genom-Analyse – Sie können das ganz einfach selber testen», schmunzelte der Forscher.