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150 Jahre Augenklinik

«Meine zwei Blau»

An der gestrigen Jubiläumsfeier der Augenklinik, die auf stolze 150 Jahre Bestehen zurückblicken kann, sprach als Gastredner der Biochemiker und Autor Gottfried Schatz. Er erklärte, warum Blau seine Lieblingsfarbe ist. 
Marita Fuchs
Biochemiker und Autor Gottfried Schatz: «Farbempfinden hat immer mit persönlicher Wahrnehmung zu tun.»

«Blau ist meine Lieblingsfarbe», sagte Gottfried Schatz, «aber nur das Blau, das mir mein linkes Auge zeigt.» Das rechte und das linke Auge lägen nämlich im Streit, seit Schatz für sein trübes linkes Auge eine neue blitzblanke Plastiklinse bekam. Seither sieht Schatz zwei verschiedene Blau. «An einem wolkenlosen Tag zeigt das linke Auge einen violettblauen, das rechte hingegen einen graublauen Himmel.»

Seine ‚Farbschizophrenie’ habe viele Vorteile. Sie erinnere ihn daran, dass die Farbe eines Objekts anders als dessen Form keine Eigenschaft in sich ist, sondern mit ganz persönlicher Wahrnehmung zu tun habe.

Das frühe Leben sah die Welt in Blau

Blau war wahrscheinlich die erste Farbe, die Lebewesen auf unserem Planeten wahrnehmen konnten. Die frühen Bakterien auf der Erde entwickelten Chlorophyll und konnten sich so vom Licht der Sonne ernähren. Um bei allzu greller Sonne das gefährliche Ultraviolettlicht zu meiden, entwickelten sie Sensoren für kurzwelliges Blaulicht und konnten so die Welt in Farben sehen.

Unsere Augen besitzen verschiedene Lichtsensoren, alle sind in der Netzhaut angesiedelt. Einer der Sensoren registriert den Tag-Nacht-Rhythmus. Die Netzhautstäbchen werden in der Dunkelheit aktiv. Doch sie erkennen weder feine Details noch Farben. Deswegen sind in der Nacht alle Katzen grau und deshalb sollte man nie in der Dämmerung den Farbton der Schuhe auf die Kleidung abzustimmen versuchen, sagte Schatz. Und auch bei Schummerlicht in Bars lassen die Netzhautstäbchen ihren Eigentümer im Stich: Anders als am Tag sehe man die verräterischen Einstichstellen der Botoxspritzen nicht.

Sobald es jedoch hell ist, werden die Zäpfchenzellen der Netzhaut aktiv. Sie erkennen Blau, Grün und Rot. Da sich diese Farbbereiche überlappen und das Gehirn ihre Signale miteinander kombiniert, kann der Mensch ein bis zwei Millionen verschiedener Farben sehen. Viel mehr als andere Säugetiere, wie Katze, Hund oder Pferd.

Frauen mit dem vierten Sinn

Es gibt allerdings Menschen, die viel weniger Farben sehen, da ihnen entweder der Grünsensor oder der Rotsensor fehlt. Farbenblindheit ist genetisch bedingt und in der Regel sind Männer betroffen. Sie können Grün und Rot nur schlecht unterscheiden. Andererseits vermuten Biologen, dass es Frauen gibt, die neben den üblichen drei Farbsensoren noch einen vierten besitzen, der vorzugsweise auf Orange anspricht.

Dank diesem zusätzlichen Sensor sollten diese Frauen bis zu 100 Millionen Farben unterscheiden können. Farben auf Fotos oder Fernsehschirmen erscheinen ihnen unnatürlich oder gar falsch. Ihr Farbreich ist so gross, dass ihnen die Worte fehlen, um den Farbraum zu benennen.

Seit wir das Genom des Menschen kennen, weiss man auch um die enorme Variationsbreite, die die menschliche Spezies aufweist. Ähnlich unterschiedlich sind auch unsere Sinnesempfindungen. Unterschiede müssen nicht genetisch verankert sein. Künstler hätten schon immer intuitiv gewusst, dass jeder mit seinen Sinneswahrnehmungen allein ist. Einsamkeit sei die Kehrseite von Individualität.

Gottfried Schatz bedankte sich bei den Ärzten der Augenklinik, speziell bei der Direktorin Klara Landau, denn ohne sie und ihr Team würde er heute nicht mehr sehen können. Auch keine zwei Blau mehr.

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