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Vortrag von Bundesrat Schneider-Ammann

«Gut, hat die EU den Nobelpreis erhalten»

Bundesrat Johann Schneider-Ammann zeichnete in einem Vortrag an der Universität Zürich ein optimistisches Bild der wirtschaftlichen Situation in der Schweiz. Das Land habe im krisengeschüttelten internationalen Umfeld weiterhin gute Chancen. Die Beziehung zur EU dürfe allerdings nicht länger tabuisiert werden.
David Werner
Bescheinigt dem dualen Bildungssytem der Schweiz einen glänzenden Erfolg: Bundesrat Johann Schneider-Ammann während seiner Rede an der UZH. (Bild: David Werner)

Im Zuge der Finanz- und Schuldenkrise verschieben sich weltweit die Gewichte. Neue Konstellationen bilden sich heraus, und damit verändern sich auch die Handlungsspielräume der Schweiz. Welche Chancen und Risiken das mit sich bringt, war Thema eines Vortrags, den Bundesrat Schneider-Ammann am Montag auf Einladung des Schweizerischen Instituts für Auslandforschung an der Universität Zürich hielt.

Für den Chef des Volkswirtschaftsdepartements steht ausser Frage, dass die Schweiz enger mit anderen Ländern zusammenarbeiten muss, um nationale Interessen wie Wohlstand und Unabhängigkeit langfristig zu wahren. «Das Nischendasein, das uns zum Erfolgsmodell gemacht hat, lässt sich nicht fortsetzen», sagte er. Allein habe die Schweiz keine Chance, sich zu behaupten. Dies gelte insbesondere für das Gebiet von Forschung und Innovation. Nur ein geeinter europäischer Bildungs- und Forschungsplatz könne der asiatischen Konkurrenz «die Stirn bieten».

Schadenfreude unangebracht

Eindringlich plädierte Schneider Ammann dafür, die Beziehungen zur EU auf eine «langfristig tragfähige Basis» zu stellen. Die Schweiz sei von Europa nicht nur umgeben, sondern auch abhängig. Schadenfreude angesichts der derzeitigen Schwierigkeiten in Europa hält er für unangebracht. Jeder dritte Arbeitspatz der Schweiz sei mit der EU verbunden, die EU sei der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt für Schweizer Produkte und Dienstleistungen und habe eine enorme Bedeutung als Rekrutierungsgebiet für Fachkräfte. Der Blick der Schweiz auf Europa, kritisierte der Bundesrat, sei innenpolitisch befangen. Eine grundsätzliche, über punktuelle Fragen hinausgehende Debatte zum Verhältnis Schweiz-Europa dürfe nicht länger tabuisiert werden.

Mit einem Zusammenbruch der Euro-Zone rechnet Schneider-Ammann nicht, vielmehr sieht er Anzeichen für eine Besserung der Situation. Mit seiner optimistischen Einschätzung bezog er ausdrücklich eine Gegenposition zum britischen Historiker Niall Ferguson, der im Januar in einem Vortrag an der Universität Zürich die Zukunft Europas in düsteren Farben dargestellt hatte. Er freue sich, dass die EU den Friedensnobelpreis erhalten habe, bekannte Schneider-Ammann. «Im Vergleich zu den grossen politischen Leistungen der EU werden die derzeitigen Turbulenzen um den Euro in den Geschichtsbüchern dereinst nicht viel Raum einnehmen», prophezeite er.

Gegen eine «Über-Akademisierung»

Ein grosser Teil von Schneider-Ammanns Rede war dem Thema Bildung und Forschung gewidmet – zwei Bereiche, die ab 2013 unter dem Dach des Volkswirtschaftsdepartements zusammengeführt werden. Die Schweiz müsse sich «noch entschiedener» zur Wissensgesellschaft entwickeln, forderte der zukünftige Bildungsminister. Zugleich aber warnte er vor einer «Über-Akademisierung» der Gesellschaft. Das duale Bildungssystem der Schweiz habe sich glänzend bewährt. Die Gewichte zwischen Berufsbildung und Gymnasium dürften keinesfalls zugunsten des Letzteren verschoben werden.

Die USA, Grossbritannien und Frankreich nannte Schneider-Ammann als Beispiele für «überakademisierte Gesellschaften». Die Kopflastigkeit der dortigen Bildungssysteme sei ein Grund für hohe Jugendarbeitslosigkeit und eine galoppierende Deindustrialisierung. In Europa seien seit Beginn der Finanzkrise drei Millionen industrielle Arbeitsplätze verloren gegangen, der Anteil der Industrie am Bruttoinlandprodukt betrage nur noch 15 Prozent, in der Schweiz dagegen immerhin noch 23 Prozent.

Inzwischen habe sich die Einsicht durchgesetzt, dass Länder, die noch über einen starken industriellen Kern verfügten, strategisch besser gerüstet seien. Die Schweiz gehöre zu diesen Ländern. Damit dies so bleibe, brauche es aber eine besondere Förderung des Nachwuchses in naturwissenschaftlichen und technischen Fächern.