Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen

Europa – von der Tragödie zum Triumph

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen beschwor gestern in einem Referat an der UZH das Erfolgsmodell Europa. Der Schweiz dankte er für ihre Zusammenarbeit mit der NATO. Internationale Kooperationen über die Bündnisgrenzen hinaus würden immer wichtiger, um weltweit Sicherheit zu gewährleisten.
Adrian Ritter

Kategorien

NATO-Generalsekretär Andres Fogh Rasmussen: «Europa ist heute bereit, eine wichtigere Rolle in Fragen der Sicherheit zu spielen.»

Europa ist ein Erfolgsprojekt, trotz der gegenwärtigen Wirtschaftskrise. Statt in Tyrannei und Terror hätten wir in den vergangenen Jahrzehnten in einer noch nie dagewesenen Periode von Prosperität und Frieden gelebt, sagte Andres Fogh Rasmussen in seinem Referat an der UZH: «Wir haben Europas Tragödie in einen Triumph verwandelt.» Er sei stolz darauf, dass es gelang, die «europäische Familie» zu einigen und die nötigen Strukturen für Freiheit, Frieden und Sicherheit zu schaffen.

Die Türen geöffnet

Die NATO, 1949 gegründet, sei eine der wichtigsten dieser Strukturen. Sie habe massgeblich zum Erhalt des Friedens und zur Prosperität der europäischen Länder – auch der Schweiz – beigetragen: «Unter dem Sicherheitsschirm der NATO wurde die EU zur treibenden Kraft für wirtschaftliche und politische Kooperation.»

Nach dem Kalten Krieg habe das Bündnis die osteuropäischen Länder dabei unterstützt, wichtige Reformen einzuleiten. Und die NATO habe ihre Türen geöffnet und halte sie weiter offen: Die Zahl der Mitglieder stieg in den letzten 15 Jahren von 16 auf 28 Staaten. Gegenwärtig bewerben sich Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Georgien um eine Mitgliedschaft in der NATO.

Von Konsumenten zu Produzenten

Während die europäischen Staaten im Kalten Krieg weitgehend «Sicherheitskonsumenten» eines starken US-Engagements waren, seien sie seither auch zu wichtigen Sicherheitsproduzenten geworden, stellte Rasmussen fest.

Mehr europäische Truppen als je zuvor seien heute in internationalen Einsätzen tätig, etwa im Rahmen der NATO-Operationen in Afghanistan, Kosovo, Somalia oder im vergangenen Jahr in Libyen: «Das sind klare Anzeichen, dass Europa heute bereit ist, eine wichtigere Rolle in Fragen der Sicherheit zu spielen.»

Sicherheit global

Dies sei umso bedeutender, als nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Sicherheit heute nur noch global betrachtet werden könne: «Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen oder Cyberwar kennen keine Grenzen», so Rasmussen. Die NATO passe sich diesen Herausforderungen an, indem sie ihre Truppen flexibler einsetzbar mache und auch ausserhalb des NATO-Gebiets tätig würde.

Das Bündnis habe die Zusammenarbeit nicht nur innerhalb der NATO, sondern mit Staaten in der ganzen Welt intensiviert – etwa kürzlich in Form einer Kooperation mit Australien. Auch mit China würde sich Rasmussen einen «strukturierteren Dialog» wünschen.

Gemeinsame Anschaffungen

Rasmussen ist überzeugt, dass multinationale Kooperationen im Bereich Sicherheit zunehmen werden. Schon heute werde innerhalb der NATO angesichts knapper öffentlicher Finanzen immer häufiger «smart defence» praktiziert. Dabei beschaffen Staaten etwa gemeinsam teure Transportflugzeuge und teilen sich deren Nutzung.

«Es muss mehr und effizienter in Verteidigung und Sicherheit investiert werden», so Rasmussen. Die NATO sieht er für die Zukunft als Zentrum eines globalen Netzwerks von Sicherheits-Partnerschaften.

Referierte auf Einladung des Europa Instituts an der Universität Zürich (EIZ): Anders Fogh Rasmussen (links) neben EIZ-Direktor Andreas Kellerhals.

Gefragte Schweiz

Eine der stetig gewachsenen Partnerschaften sei diejenige mit der Schweiz, so Rasmussen. Obwohl nicht Mitglied der NATO, wisse die Schweiz, dass sie nicht abseits stehen könne, sondern dass Sicherheit heute «kooperative Sicherheit» bedeute.

Er dankte der Schweiz für ihr Engagement bei NATO-Aktivitäten etwa zur Friedenssicherung im Kosovo oder bei der gemeinsamen militärischen Ausbildung. Die Schweiz sei mit ihrer Diplomatie und ihrer Erfahrung in Fragen des internationalen Rechts eine wichtige Partnerin für Organisationen wie die UN, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die NATO.

Mehr Transparenz und Demokratie

Die Schweiz und die NATO teilten zentrale Werte wie Freiheit, Demokratie und Respekt für Menschenrechte. Die NATO arbeite gemäss den Prinzipien der UN-Charta, so Rasmussen: «Alle gegenwärtigen Operationen der NATO basieren auf UN-Mandaten.»

Der NATO wie auch der Schweiz sei bewusst, wie wichtig es sei, sich in einer unsicheren Welt für Werte wie Freiheit, Menschenrechte und Demokratie einzusetzen, um die weltweite Sicherheit zu verbessern.

So arbeiteten Experten der Schweiz und der NATO gemeinsam daran, weltweit transparentere und demokratischere Sicherheitsinstitutionen zu schaffen. Er begrüsse deshalb das Interesse der Schweiz an einer stärkeren Zusammenarbeit mit der NATO, etwa im Bereich «Cyber Security».

Geduld in Afghanistan

Aus dem Publikum kamen nach dem Referat Fragen zur Situation in der Türkei, Syrien und Afghanistan. Rasmussen verteidigte die vom NATO-Mitglied Türkei verlangte Stationierung von Patriot-Raketen an der türkisch-syrischen Grenze als rein defensiv. Seiner Ansicht nach werde dies helfen, die Situation zu deeskalieren.

Bezüglich Afghanistan forderte Rasmussen Geduld. Nach Jahrzehnten des Krieges brauche die Entwicklung einer Demokratie Zeit – auch in Europa habe dies Jahrhunderte gedauert. Der NATO stehe noch viel Arbeit bevor, bis sie Ende 2014 die Verantwortung für die Sicherheit an die afghanischen Behörden übergeben könne. Immerhin habe das Land aber einen Präsidenten und ein Parlament gewählt und es seien Fortschritte bezüglich der Sicherheit zu verzeichnen.

Kein Mandat für Syrien

Die Entwicklungen in Libyen, Tunesien und auch in Afghanistan stimmten ihn zuversichtlich, so Rasmussen. Wenn Staaten den Übergang zu Demokratie wagten, sei es entscheidend, auch die Streitkräfte unter demokratische Kontrolle zu stellen. Die Schweiz könnte mit ihrer demokratischen Tradition diesbezüglich wertvolle Dienste leisten, die problemlos mit ihrer Neutralität in Einklang zu bringen wären.

«Die NATO ist nicht die Weltpolizei» antwortete Rasmussen auf die Frage, warum das Bündnis zwar in Libyen interventiert habe, dies aber gegenwärtig nicht in Syrien tue. Im Unterschied zu Libyen bestehe kein UN-Mandat, so der Referent. Zudem sei die syrische Gesellschaft ethnisch, politisch und religiös deutlich komplexer strukturiert.

Ein Eingriff in Syrien könnte die Situation noch verschlimmern, ist Rasmussen überzeugt. Nötig sei eine politische Lösung, wobei er sehr bedaure, dass sich der UN-Sicherheitsrat bisher nicht einigen und ein klares Signal auszusenden vermochte.