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Talk im Turm

«Es ist keine gute Idee, heutzutage Affe zu sein»

Zur Premiere der neuen Veranstaltungsreihe «Talk im Turm» unterhielten sich die Zoologin Barbara König und der Anthropologe Carel van Schaik zum Sozialverhalten von Affen, Mäusen und Menschen. Das Podiumsgespräch fand in entspannter Atmosphäre im Restaurant Uniturm statt. Sie können es auch auf Video verfolgen.
David Werner
Was man von wilden Tieren lernen kann: Die Verhaltensforscherin Barbara König und der Anthropologe Carel van Schaik im Gespräch mit den Magazin-Redaktoren Roger Nickl (ganz links) und Thomas Gull (ganz rechts).

Weshalb können sich Mäuse besser und schneller an veränderte Lebensbedingungen anpassen als Affen? Warum haben sich bei bestimmten Tierarten Formen sozialer Kooperation entwickelt – und bei anderen nicht? Und wie entsteht so etwas wie Kultur? Um Fragen wie diese ging es in der ersten Ausgabe des  «Talk im Turm» im vollbesetzen Restaurant Uniturm, moderiert von den Magazin-Redaktoren Thomas Gull und Roger Nickl.  Anlass des Podiumsgesprächs war das Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe des Magazins: «Wilde Tiere und was wir von ihnen lernen können.»  

Das gesamte Gespräch, das am Montag, dem 12. März im Restaurant Uniturm stattfand, können Sie hier auf Video verfolgen. (Video: MELS)

Video-Aufzeichnung auf YouTube (in HD)

Wählerisch bei der Partnerwahl

Kultur ist kein Privileg des Menschen, das zeigt die Forschung von Carel van Schaik, Professor für biologische Anthropologie an der Universität Zürich. Fertigkeiten im Werkzeuggebrauch zum Beispiel werden bei Menschenaffen von Generation zu Generation weitergegeben. Junge Orang-Utans lernen von ihren Artgenossen, insbesondere der eigenen Mutter. So lassen sich in Indonesien verschiedene, geografisch voneinander getrennte Orang-Utan-Kulturen unterscheiden.

Noch viel enger als Orang-Utans kooperieren Mäuse – obwohl sie weit weniger intelligent als die Menschenaffen sind. Wie Barbara König, Professorin für Zoologie,  nachgewiesen hat, steigern Mäusemütter ihren Fortpflanzungserfolg markant, indem sie bei der Aufzucht ihrer Jungen mit einer Artgenossin gemeinsame Sache machen. So entstehen Mütter-Gemeinschaften, die ihren Nachwuchs säugen, wärmen und verteidigen. Dabei suchen sich die Weibchen ihre Teampartnerinnen mit Bedacht aus. Finden sie keine Artgenossin, die genehm ist, ziehen sie ihre Jungen eben alleine gross.

Mäusemütter spannen bei der Aufzucht von Jungtieren zusammen, erklärt Barbara König. Orang-Utans dagegen sind Alleinerzieher, wie Carel van Schaik weiss.

Entstehung des Menschen

Unter den Affenarten kommt eine solche gemeinschaftliche Aufzucht von Jungen nur bei wenigen Arten vor. Von den grossen Primaten kennt nur der Mensch ein solches Verhalten. Carel van Schaik misst dieser Tatsache viel Bedeutung zu: Sie könnte erklären, weshalb sich der Mensch so anders als die übrigen Affenarten entwickelte. Die gemeinsame Aufzucht von Jungen gab Anstösse zur Herausbildung verfeinerter Kommunikationstechniken.

Inzwischen hat der Mensch dank seiner Lern- und Kooperationsfähigkeit die Erde derart nach seinen Bedürfnissen umgestaltet, dass für Affen kaum mehr Platz bleibt. «Es ist keine besonders gute Idee, heutzutage als Affe zu leben», sagt Carel van Schaik. Mäuse dagegen haben im Schlepptau des Menschen fast jeden Winkel des Planeten erobert: Sie vermehren sich in Bergwerksstollen, auf Koralleninseln – ja selbst zwischen gefrorenen Rinderhälften in Kühlhäusern des Londoner Hafens.

Kultur kommt nicht nur beim Menschen vor, sondern auch bei Orang-Utans, sagt Carel van Schaik.

Allgegenwärtiges Betrugsrisiko

Kooperation, das zeigte die Diskussion, bedeutet für Tiere einen erheblichen Effizienzgewinn in verschiedener Hinsicht. Sie ermöglicht zum Beispiel, dass nicht jedes Individuum alle nötigen Erfahrungen im Laufe seines Lebens selbst sammeln muss, sondern vom Wissensvorsprung der Artgenossen profitieren kann.

Angesichts solcher Vorteile mag es erstaunen, weshalb trotzdem nur rund drei Prozent aller Säugetierarten komplexere soziale Kooperationsformen entwickelten. Carel van Schaik und Barbara König nannten einen bemerkenswerten Grund dafür: Teamwork lädt zu Betrügereien ein – dies ist die Schwachstelle kollektiver Lebensweise. Nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Tieren kommt es vor, dass ein Partner die Kooperationsbereitschaft des andern missbraucht und ihn übervorteilt. Deshalb ist es so selten, dass sich bei Tierarten Ansätze für kooperatives Verhalten, die in der Evolution immer wieder auftretenden, auch wirklich durchsetzen.

Das Betrugsrisiko hemmt die Kooperationsbereitschaft nicht nur beim Menschen, sondern auch bei vielen Tierarten, erklärt Barbara König.

Eine Frage des Vertrauens

Geklappt hat dies bei den Mäusen. Sie minimieren das Betrugsrisiko durch hochgradige Selektivität in ihrer Partnerwahl. Wie Barbara König erklärte, spannen Mäusemütter in der Jungtieraufzucht nur mit Artgenossinnen zusammen, die sie gut kennen und bei denen sie davon ausgehen können, dass sie nicht einfach verschwinden, sobald sie ihren Wurf im Nest deponiert haben. Vieles in einem Mäuseleben ist damit eine Frage des Vertrauens. Ganz wie beim Menschen.

Entspannte Atmosphäre im vollbesetzten Uniturm.

Der kommende Talk im Turm findet am 4. Juni wiederum im Restaurant Uniturm statt. Das Thema steht bereits fest. Es lautet: «Unter Tag. Ausgegrabene Geschichte». Archäologen der Universität Zürich werden erzählen, was uns Ausgrabungen über die Vergangenheit verraten.