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Im Kanton Zürich gibt es neben dem obligatorischen Schulfach «Religion und Kultur» den kirchlichen Religionsunterricht. Seit einigen Jahren beschränkt sich dieser nicht mehr nur auf den Konfirmationsunterricht. Schüler, die sich konfirmieren lassen, müssen nun schon ab der Unterstufe Religionskurse besuchen. Hintergrund dieses Ausbaus ist das «Religionspädagogische Gesamtkonzept» (rpg) der Zürcher Landeskirche.
Die Theologin Rahel Voirol-Sturzenegger untersucht in ihrer Dissertation die Umsetzung dieses Konzepts. Sie leistet dafür religionspädagogische Grundlagenarbeit. «Es gibt relativ wenig empirische Forschung in schulischer Religionspädagogik in der Schweiz, und im Bereich kirchlicher Bildung gibt es praktisch nichts», sagt sie.
Voirol, die eine Ausbildung als Primarlehrerin hat, interessiert sich für die Umsetzung der Theorie in die Praxis. Dafür hat sie via Mailversand mehrere hundert Fragebogen an Lehrpersonen, Kirchenpflegemitglieder und Pfarrerinnen und Pfarrer verschickt. Sie fragt darin unter anderem, wie die vom rpg vorgegebenen Ziele verfolgt werden. «Ich habe festgestellt, dass die Lehrpersonen zum Teil auch ganz andere Ziele verfolgen, als vom rpg vorgeschrieben», so Voirol.
«Die Person der Lehrkraft spielt für jeden Unterricht eine entscheidende Rolle. Im Bereich religiöser Bildung bedeutet das, dass die individuelle Religiosität des Lehrers oder der Lehrerin die Kinder beeinflussen kann», konstatiert sie. Deshalb sei es wichtig, die persönlichen Voraussetzungen messen zu können.
Der deutsche Religionspsychologe Stefan Huber hat dafür ein Instrument entwickelt. Anhand von 15 Fragen, die auf einer Skala von eins bis fünf beantwortet werden müssen, kann eruiert werden, wie wichtig einer Person die Religiosität ist. Dadurch werden die Probanden in hochreligiöse, religiöse und nicht religiöse Personen eingeteilt.
«Unter den Befragten gibt es keine nicht religiösen Personen», sagt Voirol. «Der Anteil der Hochreligiösen im Verhältnis zu den Religiösen ist bei den Pfarrerinnen und Pfarrern allerdings höher als bei den Kirchenpflegemitgliedern.» Ob es Zusammenhänge gibt zwischen dem Grad der Religiosität und den Auswirkungen auf den Unterricht untersucht die Theologin derzeit.
Die Frage, ob sie den kirchlichen Religionsunterricht neben dem schulischen Angebot von «Religion und Kultur» als nützlich erachte, beantwortet Voirol mit ja. Den neutralen religionskundlichen Unterricht der Schulen findet sie rein informativ sehr wichtig. Aber es sei auch wichtig, Glauben, den man erlebt, zu thematisieren und zu reflektieren. «Man sieht immer wieder, dass religiöser Glaube ins Extreme abgleiten kann. Religiöse Erfahrungen können die Menschen unglaublich erheben, sie können ein Drogenersatz sein. Hier muss nachgefragt werden, was geschieht. Der ganze Mensch muss einbezogen werden, neben dem Bauch eben auch der Kopf.»
Voirol sagt von sich selbst, dass sie Religion und Kirche schon als Kind fasziniert haben. Sie hat an den kirchlichen Aktivitäten gerne und rege teilgenommen und hat dabei fast immer mit offenen Menschen zu tun gehabt. Deshalb wollte sie schon früh Pfarrerin werden. Als ausgebildete Primarlehrerin, die Theologie studierte, habe man sie schnell einmal in die religionspädagogische Ecke gestellt. Dagegen hat sie sich zuerst gewehrt. «Letztendlich bin ich aber doch wieder da gelandet, vielleicht aus der Erfahrung des Religionsunterrichts heraus. Ich habe den Unterricht immer als spannend, aber auch als sehr schwierig empfunden.»
Auch heute als Forscherin kann sie die kirchliche Praxis nicht ganz lassen. «Ich bin immer wieder an der Front tätig, als Pfarrerin in Form von Stellvertretungen.» Während der Dissertation hat Voirol auch an der Entwicklung eines Lehrmittels der Reformierten Kirche für die Primarschulzeit mitgearbeitet.
Ganz zurück in die Praxis möchte Voirol momentan aber nicht. Ihr würde die Möglichkeit des vertieften Reflektierens fehlen. «Ich staune darüber, dass ich kaum einen Moment hatte, wo mir meine Dissertation nicht einfach Spass gemacht hat. Die Durchhänger, von denen viele andere Doktoranden erzählen, hatte ich zum Glück wirklich nicht.» Natürlich habe sie manchmal das Gefühl, das ganze Projekt, all die Daten und Auswertungen, wüchsen ihr über den Kopf. «Aber wenn ich dann dransitze, finde ich es genial.»