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Der Zeitpunkt der Veranstaltung war denkbar unpassend. Denn die Stunden von 18 bis 20 Uhr gehören zu den kostbarsten des Tages, in denen berufstätige Eltern gern bei ihren Kindern sind. Doch das Leben richtet sich nicht immer nach den Idealvorstellungen. Dies gilt auch für die sieben erfolgreichen Berufsleute mit Kindern, welche in der Aula der UZH über ihre persönlichen Lebensmodelle sprachen.
Die Podiumsteilnehmer vertraten Lösungen jenseits des traditionellen «Hausfrau & Brotverdiener». Das Ziel ist in allen Familien dasselbe: Privates und Beruf so zu vereinbaren, dass beide Bereichen erfüllend und möglichst alle zufrieden sind: Frau, Mann und Kinder.
Michael und Gabriela Schaepman-Strub sind beide Wissenschaftler und haben zwei Kinder (5- und 7-jährig). Er ist Professor am Geographischen Institut, sie Oberassistentin am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften mit einem Pensum von 60 Prozent. Die Wissenschaftlerin und Mutter sagte, die Frage «Kinder oder Karriere» habe sich für sie nie gestellt: «Ich muss nicht unbedingt Professorin sein, nur weil mein Mann Professor ist.»
Entscheidend sei, wie man die eigene Karriere definiere. So oder so brauche es gegenseitiges Verständnis, Geduld und Organisation. Etwa wenn sie für Feldforschungen in ferne klimatischen Zonen reist. Oft arbeiten Schaepmans spät abends zu Haus, wenn die Kinder im Bett sind.
Geholfen hat ihnen die Auslanderfahrung in Holland. Michael Schaepman kokettierte sogar damit, dass er nur wegen der Kinder Karriere gemacht habe. So wurde er genau am errechneten Geburtstermin seines Sohns in Holland zu einer Probevorlesung eingeladen. Er bat darum, das Assessement zu verschieben. Wider Erwarten bekam er keine Absage. Später habe sich heraus gestellt, dass die Universität es stark zu seinen Gunsten gewichtet habe, dass Schaepman neben beruflichen Ambitionen eben private Prioritäten habe.
Ab und zu kommen ihm Kinder und Beruf aber trotzdem in die Quere. So musste der Professor schon einen vollen Hörsaal sitzen lassen, um die kranke Tochter notfallmässig in der Krippe abzuholen.
Daria und Valdo Pezzoli-Olgiati haben zwei Söhne (8 und 12) und sind beide in leitenden Positionen berufstätig. Sie ist Professorin für Religionswissenschaft in Zürich; er Chefarzt einer Pädiatrie-Abteilung am Kantonsspital Lugano. Die Familie wohnt im Tessin und hat die Erziehungsarbeit aufgeteilt: Vater und Mutter haben je einen Familientag pro Woche, zudem hilft die Grossmutter Olgiati mit, die notabene in den 60erJahren schon Berufsarbeit und Familienrolle unter einen Hut gebracht hatte. Daria Pezzoli ist zwei Tage pro Woche an der Universität in Zürich präsent, zwei weitere Tage arbeitet sie zuhause. Die Zuständigkeit sei klar geregelt: «Wenn ich weg bin, bin ich weg. Und wenn ich da bin, bin ich ganz da.»
Klar gebe es immer wieder Spannungen zwischen Ideal und Realität, sagt Kinderarzt Pezzoli. Familienarbeit bedeute, dass immer wieder Unvorhergesehenes dazwischen kommt: «Da hilft es, dass ich im Beruf an Notfälle gewohnt bin». Trotz Hektik könne er Ruhe bewahren und improvisiere gern. Pezzoli profitiert auch in der Sprechstunde von den Erfahrungen als Hausmann und Vater: «Es ist extrem spannend, die Entwicklungsschritte der eigenen Kinder emotional zu verfolgen und später darüber nachzudenken.»
Die Juristin Kathrin Arioli sass ohne Partner auf dem Podium und vertrat ein Modell, das sie punkto Kinder und Karriere selbst lebt. Für die Leiterin der Fachstelle für Gleichstellung des Kantons Zürich war der Traum vom Traummodell mit der Trennung vom Partner geplatzt. «Aber es kann auch ohne Partner gut herauskommen», sagte die Mutter von zwei Teenagern. Gerade nach der Trennung sei es für sie wichtig gewesen, beruflich vorwärts zu kommen: «Ich habe das gewollt!» Der Vater übrigens nehme seinen Teil der Erziehungspflichten durchaus wahr – seit der Trennung sogar mehr als davor.
Als Fachfrau für Gleichstellungsfragen verwies Arioli auf die hohen Anforderungen an Partnerschaften, um die Ambitionen im Beruf und Familie zu vereinbaren: «Es braucht eine permanente Auseinandersetzung: Wie machen wir das? Wie wollen wir das meistern?» Persönlich habe sie zwar weder auf ihre Karriere noch auf ihre Kinder verzichtet, aber auf andere Ansprüche: «Ich bin keine gute Hausfrau und will auch keine sein.»
Rechtsanwältin Stephanie Gerwe Harder hat zwei Kinder im Alter von 8 und 10 Jahren und dazu einen Kaderjob in der Rechtsabteilung der Credit Suisse. Die Stelle verlangt, dass sie morgens sehr früh aus dem Haus geht und unter der Woche nur selten zum Abendessen mit der Familie zuhause ist.
Als sich ihr die Karrierechance bot, verteilte das Paar die Rollen neu. Ihr Mann, ebenfalls Anwalt, verwirklichte den Traum der eigenen Kanzlei. Nicht ohne Stolz erzählte Wolfgang Harder, wie er es dank unkonventionell reduzierten Arbeitszeiten schafft, vor und nach der Schule bei den Kindern zu sein: «Bei mir gibt es keine Gerichtstermine vor 9 Uhr und offiziell keine Termine nach 15 Uhr.»
Diese Freiheit, die er sich mit der Selbständigkeit geschaffen habe, habe aber ihren Preis. So verzichte er auf die «exorbitanten Honorare renommierter Kanzleien», die durch permanente Verfügbarkeit gerechtfertigt werden müssten. Die Frage sei, welche Art von Karriere man wolle: «Permanent verfügbar zu sein, steigert die Qualität der Arbeit nicht.»
Gerwe Harder sagte, sie kämpfe ab und zu mit den Konventionen der Gesellschaft, welche nach wie vor arbeitenden Müttern ein schlechtes Gewissen mache. Doch die Kinder seien glücklich mit der Betreuung, die auch dank der Unterstützung durch Freunde und Verwandte funktioniere.
Weder den Frauen noch den Männern in den Runde wäre es je in den Sinn gekommen, wegen ihrer Kinder auf das Berufsleben zu verzichten. «Es war nie eine Wahl», sagten mehrere Frauen. Interessant war, dass in der ganzen Runde gerade die erfolgreiche Karriere beider Partner eine kreative Aufteilung der Familienaufgaben ermöglichte.
Ohne Zweifel sind aber alle Paare finanziell privilegiert. «Kinderbetreuung kostet Geld!», sagte deshalb Wolfgang Harder bereits am Anfang. Auch Professorin Pezzoli-Olgiati verwies auf die Schwierigkeiten, die sich vor allem für Mitarbeitende «im Mittelbau» der Universität ergeben: «Eine Dissertation in drei Jahren und Kinderbetreuung, das bringt niemand unter einen Hut.»
Aus dem Publikum wurde Schaepman-Strub gefragt, wie sie denn ihre Perspektiven für eine Teilzeit-Karriere mittelfristig einschätze. Mindestens für weitere vier Jahre sei dies in ihrem Institut geregelt und möglich, sagte die Naturwissenschaftlerin. Ihr Mann dagegen wurde aus dem Publikum direkt gefragt, warum er denn nicht Teilzeit arbeite. Schaepman antwortete, über ein Teilzeitpensum als Professor sei nie verhandeln worden. Tatsächlich ist dies an der UZH für eine Professur nur im Fall von Jobsharing vorgesehen.