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Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen haben eines gemein: Sie sind medizinische Feinmechaniker. «Wir arbeiten in der Wiederherstellungsmedizin als Mikrochirurgen», sagt der jetzige Leiter der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an der UZH, Klaus W. Grätz. Als Chirurg kam Grätz erst auf Umwegen zur Kiefer- und Gesichtschirurgie, doch dann habe ihn die Arbeit gefangen genommen. Er selbst war Schüler von Hugo Obwegeser, der heute als Pionier der Kiefer- und Gesichtschirurgie gefeiert wird.
«Ich
musste mich umstellen, als ich 1984 an die Klinik kam», erzählt Grätz, «denn
eine Operation am Bein ist ganz anders als die diffizile Arbeit in der
Mundhöhle.» Zudem musste Grätz mit Instrumenten arbeiten, die er so nicht
kannte: Obwegeser selbst hatte zum Beispiel Nadelhalter entwickelt, deren
Vorteile Grätz erst mit der Zeit zu schätzen lernte. «Die Nadelhalter hatten
kein Schloss, so wie ich es gewohnt war, deshalb musste ich aufpassen, dass ich
bei der Arbeit nicht abrutschte.»
Die «neue» Kieferchirurgie
Obwegeser propagierte weltweit als Erster die Methode, nicht von aussen, sondern direkt in der Mundhöhle zu operieren. Der Vorteil: Das Gesicht blieb narbenfrei. Rasch fanden seine Methoden Anhänger, vor allem in den Vereinigten Staaten.
Obwegeser gilt als Pionier und Gründervater der korrektiven Chirurgie der Kieferfehlstellungsanomalien. Von Zürich aus fand diese «neue» Kieferchirurgie ihren Weg in die ganze Welt. Die Unterkieferverlagerung (sagittale Spaltung) war die erste grosse Innovation und ist der Start der modernen korrektiven Chirurgie des Gesichts. Später kam die transorale Kinnrandverschiebung und 1962 die Oberkieferverlagerung (Le-Fort-1-Osteotomie) dazu.
Diese drei Eingriffsmethoden ermöglichten neu ein standardisiertes Vorgehen zur Korrektur einer Kieferfehlstellung. Die bahnbrechenden Innovationen wurden seither weiterentwickelt und verfeinert, finden aber immer noch routinemässig ihren Einsatz.
Anspruchsvolle Ausbildung
Die Ausbildung zum Facharzt für Kiefer- und Gesichtschirurgie ist anspruchsvoll. Neben der Approbation als Abschluss des Studiums der Humanmedizin ist ein Studium der Zahnmedizin mit zugehöriger Approbation erforderlich, um damit die Facharztausbildung absolvieren zu können. Die künftigen Spezialisten absolvieren eine zweijährige Weiterbildung in Allgemeinchirurgie und dann eine vierjährige klinische Fachausbildung in Kiefer- und Gesichtschirurgie.
Die Fachausbildung des Kiefer- und Gesichtschirurgen umfasst die Traumatologie, die Tumorchirurgie, die Behandlung von angeborenen und erworbenen Fehlbildungen des Gesichtsschädels, die Therapie von Kieferfehlstellungen und Kiefergelenkerkrankungen, Infektionen im Kiefer- und Gesichtsbereich, die präprothetische Chirurgie und oralchirurgische Eingriffe.
Wenn das Billige teuer wird
Diese umfassende Ausbildung ist nicht überall in Europa üblich. Deshalb kommen heute auch Patienten in die Klinik nach Zürich, die sich von verlockenden Angeboten im Ausland haben verführen lassen. Ein Zahn-Implantat kostet in Osteuropa nur wenig, doch können nach der Operation schlimme Komplikationen auftreten, etwa im Bereich der Gesichtsnerven, so Grätz. «Dann kann das Billige sehr teuer werden.»