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Als Forscher modelliert der Astrophysiker Ben Moore mit der riesigen Rechenpower von teilweise selbst gebauten Supercomputern die Entstehung und Entwicklung unseres Universums – vom Urknall bis zum Ende im Nichts in einigen Milliarden Jahren. In kurzen, eindrücklichen Simulationen machen der Kosmologe und seine Mitarbeitenden am Institut für Theoretische Physik der Universität Zürich im Zeitraffer Prozesse im Weltall anschaulich, die sonst unvorstellbar lang dauern. Etwa die Entwicklungen direkt nach dem Urknall oder die Kollision und Verschmelzung zweier Galaxien.
Bislang waren solche Simulationen nur einer kleinen Schar von Experten vorbehalten. Dies soll sich nun ändern: Denn Ben Moore wird mit seinen Studierenden eines der Love-Mobiles an der diesjährigen Street Parade gestalten. Ein Bestandteil von «Professor Moore’s Big Bang Truck», so der Name des Gefährts, sind grosse Screens, über die die astrophysikalischen Simulationen der Wissenschaftler flimmern. «Unser Love-Mobile ist nicht einfach eine rollende Disco», sagt Ben Moore, «wir haben auch viele physikalische Special Effects an Bord.» Mit seinem schon jetzt viel beachteten Auftritt an der Streetparade vom nächsten Samstag will der Physiker auch Werbung für die Wissenschaft und die Universität Zürich machen.
An der Techno-Party bringt Ben Moore zwei Dinge zusammen, die ihm besonders am Herzen liegen: die Physik und die Musik. Denn der 44-jährige Wissenschaftler ist auch leidenschaftlicher Gitarrist und tritt regelmässig mit der Elektro-Band «MILK 67» in Clubs auf.
Die Band wird auch auf dem Love-Mobile den Ton angeben. Kräftig unterstützt von Klangeffekten – etwa dem akustisch aufbereiteten Echo des Urknalls – und Lichtspektakeln, die mit teilweise eigens dafür entwickelten – physikalischen – Instrumenten produziert werden. Eine Woche vor der Streetparade laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren.
Speziell für die Streetparade hat Jonathan Coles, Doktorand an Moores Institut, die Laserharfe weiter entwickelt – ein elektronisches Musikinstrument, das aus mehreren Laserstrahlen besteht. Laserharfen gibt es bereits seit den 1980er-Jahren. Berühmt gemacht hat das Instrument der französische Computermusiker Jean-Michel Jarre. Das technische Prinzip hinter der Laserharfe: Unterbricht man einen Laserstrahl mit der Hand, wird dies von Fotodioden registriert. Diese lösen wiederum einen vorgegebenen Synthesizer-Ton aus – mit mehreren Laserstrahlen lassen sich so einfache Melodien spielen.
Coles hat nun auf relativ einfache Weise eine völlig neue Generation von Laserharfen entwickelt. Er hat einerseits eine Kamera so modifiziert, dass sie nur das grüne Licht des Lasers wahrnimmt. Andererseits hat er neue Software geschrieben. Die Kamera kann nun erkennen, auf welcher Höhe der Strahl unterbrochen wird. Via Computer wird so die Tonhöhe bestimmt – je weiter weg der Unterbruch von der Laserquelle entfernt ist, desto höher der Ton. Auf diese Weise lassen sich bereits auf einem Laserstrahl ganze Melodien spielen. Jetzt bräuchte der Nachwuchsforscher nur noch genügend Zeit, um mit seiner neuen Lichtharfe für den Auftritt auf dem Love-Mobile zu üben. Doch gerade die Zeit ist knapp, denn bis zur Streetparade müssen die Physiker noch einige Hürden nehmen.
Besonderes Kopfzerbrechen machen den Wissenschaftlern die Bedingungen bei Tageslicht. Zwar funktioniert Jonathan Coles Laserharfe im Dunkeln einwandfrei, die Laserquelle ist aber zu schwach, um das Spektakel auch bei Tag sichtbar zu machen. Er hofft nun mit einem stärkeren Laser das Problem zu lösen.
Ebenfalls eine Herausforderung ist die Teslaspule, die auf dem Love-Mobile der Physiker mitfahren soll. Teslaspulen sind relativ gefahrlose Hochspannungsgeneratoren, die vor allem für physikalische Experimente verwendet werden. Werden sie von einem Keyboard per Digitalinterface angesteuert, lässt sich damit auch Musik machen. Denn entlädt sich die Teslaspule, werden – je nach Frequenz der Entladungen – unterschiedliche Töne hörbar. Zudem werden im Dunkeln imposante Blitze sichtbar. Aber eben vor allem im Dunkeln: Ben Moore und sein Team suchen nun gemeinsam mit Experten des «Technorama Winterthur» nach Strategien, wie die Lichteffekte der Teslaspule auch an der Streetparade sichtbar gemacht werden könnten.
Mit seinem «Big Bang Truck» möchte Ben Moore an der Streetparade vor allem auch zukünftige Studierende und deren Eltern ansprechen. «Viele wissen gar nicht, dass man auch an der Universität Physik studieren kann», betont der Professor, «das Fach wird oft ausschliesslich mit der ETH assoziiert.»
Rund 30 bis 40 Jugendliche beginnen jedes Jahr ein Physikstudium an der UZH. Diese Zahl möchte Moore mit publicity-trächtigen Auftritten wie diesem erhöhen. «Wir wollen aber nicht einfach nur mehr Studierende», betont der Wissenschaftler, «wir wünschen uns auch eine grössere Auswahl, damit wir die Besten auswählen können.» Neben all diesen taktischen Erwägungen steht für Moore an der grossen Techno-Party vom kommenden Wochenende aber vor allem der Spass im Vordergrund. Er selbst wird sich dann die E-Gitarre umschnallen und auf der Bühne seines Love-Mobiles für einige Stunden vom nüchternen Forscher zum ekstatischen Rockstar mutieren.