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Hilfe für Haiti

Prothese mit Flip-Flops

Viele Menschen erlitten beim Erdbeben von Haiti im Januar 2010 Quetschungen und Wunden, so dass Arme und Beine amputiert werden mussten. Jetzt sind die Wunden verheilt, die Menschen warten auf Fachleute, die Prothesen herstellen und anpassen, damit sie wieder laufen können. Thomas Böni, Orthopäde des Universitätsspitals Balgrist, war mit einem Team aus Technikern und Physiotherapeuten vor Ort.  
Marita Fuchs

Thomas Böni hat eine ruhige, besänftigende Stimme. Sein Französisch versteht die kleine Patientin, auch wenn sie selbst kreolisch antwortet. Fasziniert schaut das 12-jährige Mädchen den «weissen Doktor» an, dann streicht sie über seinen Arm. «Ein Weisser ist etwas Besonderes für haitianische Kinder», erklärt Böni. Er passt der Patientin eine Prothese an. Das Kind konnte sich bisher lediglich auf den Knien fortbewegen. Jetzt kann es stehen.

Thomas Böni (links) und sein Team legen einen Gips an.

Stolz schaut das Mädchen in die Runde. Doch dann setzt sie sich wieder. Ob sie mit der Prothese auch Flip-Flops tragen könne? «Mhm», meint Böni, «da lässt sich was machen.» Schliesslich ist der Orthopäde und Oberarzt an der Universitätsklinik Balgrist mit einer Equipe aus Orthopädietechnikern und Physiotherapeuten angereist. Der Techniker fräst eine Kerbe in die Prothese und schon ist auch das Laufen in den beliebten Sandalen möglich.

Kontinuierliches Hilfsangebot

Böni und sein Team arbeiteten im Sommer in Haiti. Für einen Monat übernahmen sie die Verantwortung für die Orthopädie im Albert-Schweitzer- Spital in Deschapelles. Sie lösten eine amerikanische Equipe ab; nach ihnen kommen deutsche Helfer. «Es ist sehr wichtig, dass die Hilfe kontinuierlich angeboten wird und eine gute Übergabe von Team zu Team gewährleistet ist», sagt Böni. «Denn die Patienten müssen ja weiterhin behandelt werden.»

Thomas Böni (r.) am Krankenbett mit einem haitianischen Arzt.

Jetzt ist Böni wieder in Zürich. «Ich habe noch nie in einem Entwicklungsland gearbeitet, es liegen wirklich Welten zwischen hier und dort», erzählt er. Allein schon die Arbeit im Spital: «Plötzlich musste ich im Notfall Verletzungen operieren, die ich als Spezialist für Orthopäde schon lange nicht mehr durchgeführt hatte. Zum Glück ist das Albert-Schweitzer-Spital nicht vom Erdbeben zerstört worden, so war die Ausstattung im Operationssaal passabel», sagt Böni. «Oft mussten wir jedoch auch improvisieren, und darin sind die Haitianer Meister.»

Vom Tap-Tap gefallen

Viele Unfälle geschähen auch durch die Not im Land. So habe er zum Beispiel Leute operieren müssen, die von einem Tap-Tap gefallen seien. Tap-Taps heissen die Autos mit einer Ladeklappe, auf der so viele Menschen sitzen, dass immer mal wieder einer in einer scharfen Kurve oder bei einem Schlagloch herausfällt und sich schwer verletzt.

Kommen die Patienten ins Spital, werden sie nicht von der Familie allein gelassen. Auch daran musste sich Böni erst gewöhnen. «Die Angehörigen legen sich einfach unter das Bett des Patienten und verbringen dort die Nächte. Tagsüber betreuen sie die Bettlägerigen: waschen, kochen, teilen Essen aus und sorgen für Unterhaltung.»

Mit neuen Gehhilfen: Patienten des Albert-Schweitzer-Spitals in Haiti und ein Orthopädietechniker aus Zürich.

Im Spitalalltag hatten ungefähr 30 Prozent der Patienten eine Verletzung aufgrund des Erdbebens; viele davon benötigten eine Prothese. «Dank eines amerikanischen Spenders hatten wir zum Glück eine grosse Auswahl an Prothesen-Material, das allerdings jeweils individuell angepasst werden muss.» Um für weiteren Nachschub zu sorgen, startete die Universitätsklinik Balgrist eine grosse Sammelaktion für Prothesen und Rollstühle. Die Sendung werde jetzt nach Haiti verschifft, sagt Böni.

Letztlich sei die Hilfe nicht nur ein Geben, ist Böni überzeugt. Er selbst und seine Begleiter hätten viele gute Erfahrungen gemacht. So hatte er zuweilen mit Krankheiten zu tun, die in der Schweiz kaum mehr vorkommen. Damit konfrontiert zu werden, könne auch für junge Ärzte in der Ausbildung interessant sein.

Deshalb plädiert Böni dafür, dass sich die Universitätsklinik Balgrist langfristig in Haiti engagiert, «etwa wie das Kinderspital mit dem Spital von Beat Richner in Kambodscha (Beatocello)». Das Engagement der Ärzte und Techniker werde von den Haitianern sehr geschätzt, meint Böni. Möglich wurde sein Einsatz durch eine Finanzspritze des Universitätsspitals Balgrist.

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