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Können Resultate von Fussballspielen im voraus berechnet werden? Sind Sieger und Verlierer vor dem Spiel schon so gut wie bekannt? Roger Kaufmann, Experte für Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik, hat ein Modell entwickelt, mit dem er Spielausgänge berechnet. Elf Tage vor Beginn der Fussball-WM in Südafrika ist er ein gefragter Mann.
Roger Kaufmann weiss genau, wer in Südafrika auf dem Podest stehen wird: «Mit 15,4 Prozent ist es am wahrscheinlichsten, dass Brasilien den Pokal gewinnt, doch mit 15,2 Prozent liegt auch Europameister Spanien gut im Rennen».
Für Portugal sollte es mit 6 Prozent für den dritten Platz reichen. Für die Schweiz hingegen sieht Kaufmann schwarz: Ihre Chancen auf den WM-Titel stehen bei 1,1, Prozent.
Einige Fussballfans mögen nun denken, dass es für solche Prognosen keinen Mathematiker braucht, doch vermochte Kaufmann in seinem Vortrag auch zu überraschen: Seinem Modell zufolge wird in Südafrika – oder dann zumindest in vier Jahren – ein Aussenseiter Weltmeister. Die Chancen dazu lägen bei 26,6 Prozent.
Kaufmann erstellt seine Vorhersagen auf der Basis mehrerer Datenquellen. Etwa aufgrund der Resultate der nationalen Meisterschaften oder der monatlich aktualisierten FIFA-Weltrangliste.
Relevant ist die Anzahl der Niederlagen, die Anzahl der Unentschieden und der Siege, die eine Mannschaft errungen hat. Ausserdem fliessen die Stärke des Sturms und der Abwehr sowie die durchschnittliche Anzahl Tore einer Mannschaft in die Beurteilung mit ein.
Unberücksichtigt bleiben hingegen Informationen darüber, ob eine Mannschaft in Form ist, oder ob ein Spieler sich gerade verletzt hat, genauso wie die Anzahl Elfmeter oder Gelber und Roter Karten.
Einerseits würden seine Berechnungen dann ausufern, meinte Kaufmann. Andererseits würden seine persönlichen Sympathien in die Prognosen einfliessen, müsste er dann doch darüber urteilen, wie wichtig ein Spieler für eine Mannschaft ist. Er könne sich aber gut vorstellen, irgendwann einmal zumindest einen Teil dieser Daten trotzdem einfliessen zu lassen.
Miteinberechnet werden Heimvorteil und die Tendenz erfolgreicher Mannschaften, ihre Gegner zu unterschätzen. Bei jedem zehnten Spiel gewinne nämlich ein Aussenseiter, so Kaufmann.
Für die WM 2010 hat Kaufmann jedes einzelne Spiel mit seinem Modell berechnet. Für die Schweiz sieht es beim Startspiel gegen Spanien düster aus. Die Siegeschancen betragen 14 Prozent. Mit 26 Prozent liegt immerhin ein Unentschieden im Bereich des Möglichen, doch zu 60 Prozent rechnet Kaufmann mit einem Sieg Spaniens.
Einen praktischen Nutzen seines Modells sieht Kaufmann nicht nur bei Spielwetten. Auch Manager und Trainer könnten von seinen Wahrscheinlichkeitsrechnungen profitieren: «Stellen Sie sich vor, dass es in der 80. Spielminute zwischen Schweiz und Spanien 1:1 steht. Soll Ottmar Hitzfeld jetzt alles auf die Verteidigung setzen und versuchen, das Unentschieden zu halten? Oder soll er den Angriff forcieren? Mein Modell kann einem Trainer bei solchen Entscheiden helfen.»
Und das geht so:
1. Wenn die Schweiz das Unentschieden gegen Spanien über die Runden bringt, stehen ihre Chancen für die Achtelfinal-Qualifikation bei rund 45 Prozent. Das Team muss schliesslich noch die beiden Spiele gegen Honduras und Chile bestehen.
2. Bei einer Niederlage gegen Spanien stehen die Chancen für eine erfolgreiche Qualifikation hingegen nur bei 28 Prozent.
3. Sollte die Schweiz einen 2:1 Sieg gegen Spanien durchboxen, steigen die Chancen fürs Achtelfinale auf 75 Prozent.
Obwohl es vielen Fussballfans widerstrebt – wer will schon ein 1:1 gegen Spanien aufs Spiel setzen – spricht die Mathematik eine eindeutige Sprache: Bei einer Niederlage würden sich die Chancen auf die Achtelfinal-Qualifikation im Gegensatz zum Unentschieden lediglich um 17 Prozent verringern, bei einem Sieg hingegen gleich um 30 Prozent erhöhen.
Zumindest aus mathematischer Sicht lohnt sich also, eine Niederlage zu riskieren und alles auf den Sieg zu setzen.