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«Die Schweiz ist Innovationsweltmeisterin», mit diesen Worten leitete Ursula Renold ihren Vortrag ein und machte deutlich, dass vor allem das Bildungssystem mit seinen Schweizer Besonderheiten massgeblich zu diesem Erfolg beiträgt.
Wie aber lässt sich ein solch komplexes System steuern, und wie kann man künftigen Herausforderungen frühzeitig begegnen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz aufrecht zu erhalten und auszubauen?
Die Bildungsforschung liefere die entscheidende Basis zur zielgerichteten Steuerung des Bildungssystems, meinte Renold. Durch neue Forschungsergebnisse könne der Fortschritt bezüglich bestehender Bildungsziele kontrolliert, vorhandene Erkenntnislücken identifiziert und in Angriff genommen werden.
Ein wichtiges Instrument dabei sei der Bildungsbericht, der 2006 in einer Vorläuferversion erstmals erschienen ist und nun eine unersetzliche Quelle für die aktuelle und künftige Steuerung des Bildungssystems darstelle.
Mehr Hochschulabsolventen – nicht die bessere Lösung
Als ein Beispiel führte Renold die Analyse der Arbeitsmarktchancen verschiedener Bildungsabschlüsse an. So zeigen Untersuchungen, dass diejenigen Jugendlichen, die keinen obligatorischen Bildungsabschluss besitzen, am ehesten von Erwerbslosigkeit betroffen sind.
Überraschend ist der Befund, dass es nicht Hochschulabsolventen sind, die am wenigsten von Erbwerbslosigkeit betroffen sind, sondern Absolventen der höheren Berufsbildung (Tertiär B).
Die höhere Berufsbildung geht also mit dem geringsten Erwerbslosigkeitsrisiko einher. Diese Erkenntnis sei besonders hinsichtlich der immer wiederkehrenden Forderung nach einer Vergrösserung des Anteils der Hochschulabsolventen auf Kosten der beruflichen Bildung von hoher politischer Bedeutung, sagte Renold.
Ausreichendes Angebot an Lehrstellen rechnet sich
Als weiteres Beispiel nannte Renold die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe. Angesichts des hohen Anteils Jugendlicher, die eine berufliche Ausbildung anstreben – es sind mehr als zwei Drittel eines Jahrgangs – ist ein ausreichendes Angebot an Lehrstellen essenziell. Die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen liegt jedoch nicht in der Hand des Staates, sondern in privatwirtschaftlicher Verantwortung.
Um die Betriebe nicht nur von der moralischen Notwendigkeit, sondern auch von der betriebswirtschaftlichen Zweckmässigkeit einer dualen Ausbildung überzeugen zu können, liefere zum Beispiel die von Professor Stefan Wolter, Leiter der Forschungsstelle für Bildungsökonomie, Universtiät Bern, durchgeführten Kosten-Nutzen-Studien wertvolle Befunde, meinte Renold. Diese würden belegen, dass sich das Anbieten einer Lehrstelle für den Betrieb rechnet und die Ausbildung eines Lehrlings in der Regel einen positiven Nettoertrag mit sich bringe.
«Win-Win-Situation» für Staat und Privatwirtschaft
«Dementsprechend handelt es sich hier um eine echte Win-win-Situation», sagte Renold. «Die Unternehmen profitieren, weil sie gut ausgebildete Arbeitskräfte bekommen, der Staat profitiert, weil die von der Privatwirtschaft organisierte und getragene Ausbildung ihm Bildungskosten in Höhe von etwa drei Milliarden Franken erspart, die er wiederum in andere Bildungsbereiche investieren und so die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Standorts erhöhen kann.»
Und nicht zuletzt profitieren auch die Auszubildenden. Sie erhalten eine hervorragende Vorbereitung für den Einstieg in den Arbeitsmarkt und eine solide Basis für ihre langfristige Beschäftigungsfähigkeit.
Labiles Gleichgewicht zwischen schulischer und beruflicher Bildung
Besonders interessant im Hinblick auf die Zukunft ist die Frage, wie sich die – durch die demographische Entwicklung – absehbar schrumpfenden Schülerjahrgänge auf das Bildungssystem auswirken. Daten aus der Vergangenheit deuten an, dass bei sinkender Schülerzahl vor allem die Zahl der Lehrlinge zurückgehen, diejenige der Maturanden jedoch eher konstant bleiben wird.
Dies kann die Gewichtung zwischen schulischer und beruflicher Ausbildung verschieben und sowohl Qualitätsverluste in der gymnasialen als auch in der beruflichen Ausbildung nach sich ziehen, so Renold. Diesen Entwicklungen wird also in Zukunft verschärfte Aufmerksamkeit zu widmen sein.