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UZH News: Herr Murer, in einem Interview zu Beginn Ihrer Amtszeit als Prorektor haben Sie erklärt, dass Sie dazu beitragen möchten, die Forschung und den Nachwuchs an der Universität Zürich zu fördern. Was waren damals die Herausforderungen?
Heini Murer: Die Universität Zürich wächst. Die Zahl der Studierenden nimmt stetig zu und die Forschung ist durch Erfolge im Drittmittelbereich sogar einem eher überproportionalen Wachstum unterworfen. Als LERU-Universität freut uns dies ganz besonders!
Die Kehrseite der Medaille ist, dass wir, besonders in den «Labor-Disziplinen», starke infrastrukturelle Engpässe haben. Ich nenne zwei Beispiele: Die Laborflächen in kliniknahen Bereichen sind Mangelware, und die Labortierhaltung an der UZH entwickelt sich langsam zu einer «existenziellen» Frage. Die Probleme sind auf sämtlichen Stufen erkannt. Im Moment müssen wir viel improvisieren, aber das hat seine Grenzen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, wollen wir weiterhin in der Spitzenliga mitspielen.
Sie haben sich für den akademischen Nachwuchs stark gemacht. Wie brachten Sie die verschiedenen Ansprüche der Fakultäten, des Mittelbaus und der Professoren unter einen Hut?
Grundlage ist und muss bleiben: möglichst frühe Eigenständigkeit und Förderung – oder besser Coaching – des wissenschaftlichen Nachwuchses durch die Mentoren. In den meisten Fällen sind dies Professoren und Professorinnen. Der Entscheid für eine universitäre Laufbahn muss bereits zu einem Zeitpunkt fallen, wo auch ausserhalb der Universität noch attraktive Laufbahnen möglich sind. Die Bedürfnisse der Geisteswissenschaften sind zum Teil anders als diejenigen der experimentellen Wissenschaften.
Wir müssen Rahmenbedingungen vorgeben, die den Gepflogenheiten der Fakultäten genügend Spielraum lassen. Ein neues Nachwuchsförderungskonzept wird dem Rechnung tragen.
Was sind die Eckpfeiler dieses Förderungskonzepts?
Zusätzliche finanzielle Förderung auf Stufe Doktorat und Postdoktorat im Rahmen des kompetitiven Forschungskredites, finanzielle Anreize zur Schaffung zusätzlicher Assistenzprofessuren. Auch wird bei der Berufung auf akademische Schlüsselpositionen verstärkt auf den Leistungsausweis im Bereich der Nachwuchsförderung geachtet.
Sie haben an etwa 140 Berufungsverhandlungen teilgenommen. Nach welchen Kriterien wählten Sie die «Besten» aus?
Wissenschaftliche Kompetenz steht natürlich an erster Stelle. In den Naturwissenschaften und der Medizin gelten hierfür klare Kriterien; aber Brillanz kann und darf nur die «Eintrittskarte» sein.
Zusätzliche Kriterien müssen ebenfalls mit einbezogen werden: Erfolg und Ausweis in der Nachwuchsförderung, die Fähigkeit und Bereitschaft zur Lehre und – ganz wichtig – die Teamfähigkeit. Im Klinikbereich ist ein Ausweis im Dienstleistungsbereich, wie zum Beispiel in der Patientenbehandlung oder in der Klinikleitung, notwendig. Der Mix der Auswahlkriterien ist aber nie der gleiche, er hängt von der zu besetzenden Position ab. Und am Schluss muss es auch menschlich stimmen.
Ein weiteres wichtiges Geschäft war die universitäre Medizin. Wie haben Sie den «Draht» zu den Spitälern gefunden?
Da half mir meine 30-jährige Mitgliedschaft in der Medizinischen Fakultät enorm. Die universitäre Medizin in Zürich ist international sehr gut positioniert und hat ein ebenso gutes Potenzial für die Zukunft. Damit das so bleibt und gar noch ausgebaut werden kann, sind alle gefordert: die UZH, die mit den Besonderheiten der Medizin umgehen kann, die Träger der Universität und der universitären Spitäler, die anerkennen müssen, dass hier die Medizin von morgen entwickelt werden soll und dass dazu genügend Ressourcen, Finanzen und Infrastruktur bereitgestellt werden müssen.
UZH und Kliniken müssen diese Interessen gemeinsam vertreten. Sämtliche Professoren und Professorinnen sind auch Angestellte der UZH: Wir tragen eine gemeinsame Verantwortung für eine hochstehende akademische Medizin. Diese Gemeinsamkeit darf unter dem zunehmenden Kostendruck nicht auseinander brechen, dafür habe ich gekämpft. Medizin im akademischen Umfeld darf nicht primär der finanziellen und betrieblichen Effizienz untergeordnet sein.
Wenn die Kliniken und deren Träger realisieren und auch akzeptieren, dass dies das Credo der UZH ist, dann ist der Draht gesichert. Gemeinsam sind wir eben noch stärker!
Sie setzen sich dafür ein, Ressourcen zwischen Hochschulen und Universitätsspitälern zu bündeln und zusammenzufassen. Was bleibt in diesem Bereich noch zu tun?
Die UZH alleine ist nicht in der Lage, die universitäre Medizin zu finanzieren. Es müssen neue Wege beschritten werden, um die universitäre Medizin gesamtheitlich, das heisst durch die Bildungs- und die Gesundheitsdirektion, zu finanzieren. Das erfordert Änderungen in der bisherigen Governance, sprich: Universität und medizinische Fakultät müssen in den Entscheidungsgremien universitärer Kliniken stark vertreten sein.
Die Schweiz und insbesondere auch Zürich hat ein enormes Potenzial: Die UZH, die ETH, die universitären Spitäler sind eigentlich ein Powerhouse, das es in diesen Bereichen gemeinsam zu nutzen und auszubauen gilt.
Sie sind von Haus aus Biochemiker und haben sich lange im Forschungsrat des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) engagiert – wie wirkte sich dieses Amt auf Ihre Tätigkeit als Prorektor aus?
Als Präsident und Vizepräsident der Abteilung Biologie und Medizin war ich fünf Jahre lang Mitglied des Präsidiums im Gesamtforschungsrat des SNF. Das hat mir geholfen, meinen Horizont für andere Disziplinen zu öffnen, und es gab mir in vielen meiner Stellungnahmen und Entscheide eine Legitimation. Denn ich brachte nicht nur den Background als Wissenschaftler und Institutsdirektor mit, sondern hatte die Wissenschaftsförderung bereits im nationalen Umfeld mitgestaltet.
In all meinen Jahren als Prorektor bin ich auch anderen internationalen Forschungs- und Nachwuchsförderungsinstitutionen treu geblieben. So zum Beispiel bin ich Mitglied im Selection-Pannel für Starting Grants des European Research Councils. Nachwuchsförderung und Forschungsförderung faszinieren mich, sie fordern mich dazu heraus, mit der Forschung in ganz engem Kontakt zu bleiben.
Wie haben Sie bei der hohen Arbeitsbelastung Ihre Work-Life-Balance im Gleichgewicht behalten?
Sich mit Forschung zu befassen, erlebe ich als Privileg. Meine Arbeit war stets auch mein Hobby.
Sie übergeben nun Ihr Amt, wo findet man Sie im August?
Im August werde ich aufräumen. Danach spanne ich für einige Zeit aus: Berge, Reisen.
Aber dann: Die Wissenschaft fasziniert mich weiterhin. Ich bin und bleibe Nierenphysiologe, brauche zwar kein eigenes Labor mehr, möchte aber meine Erfahrungen an die nun so erfolgreiche nächste Generation von Nierenphysiologen weitergeben. Ich werde mich auch in verschiedenen lokalen, nationalen und internationalen Gremien einbringen.
Ich muss wohl eher etwas aufpassen, dass mein Ruhestand nicht allzu unruhig wird. Heini muss halt noch lernen, «nein» zu sagen.