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Wer einen «Samariterkurs» besucht, übt die Rettung von Unfallopfern, und «Samariterdienste» sind ein Begriff für Hilfsdienste aus christlicher Motivation. Das alles ist inspiriert vom Lukasevangelium (Lukas 10, 30–37). Die Gestalt des barmherzig handelnden Samaritaners steht sprichwörtlich für praktizierte Liebe am Nächsten: Er sieht den Verletzten am Weg, hält an, verbindet ihn, bringt ihn in eine Herberge und beauftragt den Wirt, ihn weiter zu pflegen. Er tut, was die Not und sein Herz gebieten. Er übt wahre Menschlichkeit.
Doch wer waren und sind die Samariter oder Samaritaner wirklich? Wo kommen sie her, und wie leben sie? Was wissen wir über ihre Herkunft und ihre Geschichte? Und gibt es noch «echte» Samaritaner?
Die Samaritaner galten lange als jüdische Sekte. Tatsächlich sind sie jedoch eine eigenständige Religionsgemeinschaft, die ebenso wie das Judentum aus der Tradition des alten Israel hervorgegangen ist, diese Tradition jedoch in einer eigenständigen Weise bewahrt hat.
Heute leben nur noch etwa siebenhundert Angehörige dieser Gemeinschaft, teilweise in Holon bei Tel Aviv (Israel) und in der Gegend von Nablus im palästinensischen Westjordanland (Westbank). Dort ist auch ihr heiliger Berg, der Garizim, auf dem einst ihr Tempel stand.
Diese Region nördlich von Jerusalem heisst «Samaria», nach ihr und der Stadt, die einst Hauptstadt Nord-Israels war, sind die Samaritaner benannt. Zwischen Israel und der palästinensischen Behörde, zwischen Juden, Christen und Muslimen leben die Samaritaner unter der spirituellen Führung ihres Hohepriesters ihr eigenes, religiöses Leben strikt nach dem Gesetz Moses.
Als Heilige Schriften anerkennen die Samaritaner nur die fünf Bücher Moses, doch besitzen sie diese in einer abweichenden Textgestalt und lesen sie nach einer eigenen, nur mündlich überlieferten Aussprachetradition.
Die Samaritaner pflegen eigene altertümliche Riten wie zum Beispiel das jährliche Passafest am Berg Garizim bei Nablus. Die Propheten des Alten Testaments erkennen sie nicht an: Mose ist für sie der einzige wahre Prophet, und ihre Hoffnung zielt auf Propheten wie Mose, den Taheb (= Wiederkehrender), der in der Endzeit kommen und das israelitische Königtum um das Heiligtum auf dem Garizim wieder aufrichten wird.
Daneben besitzen die Samaritaner eine eigene geschichtliche Überlieferung in verschiedenen Chroniken in hebräischer, aramäischer und arabischer Sprache.
Die fünf Säulen des streng mosaischen Glaubens der Samaritaner sind somit:
Religiös getrennt
Aus dem Blickwinkel der Traditionen des Judentums galten die Samaritaner als Abtrünnige oder als halbheidnisches Mischvolk. Den christlichen Kirchenvätern galten sie als Häretiker.
Aus samaritanischer Sicht hingegen sind es die Juden, die die Bibel verfälscht und das Kultzentrum vom heiligen Norden nach Jerusalem verlegt haben, da ja in den fünf Büchern Moses der Garizim als heiliger Berg gilt und Jerusalem niemals ausdrücklich erwähnt wird.
Schon lange vor der Zeit Jesu waren Samaritaner und Juden religiös getrennt. So ist es von besonderer Bedeutung, dass in Jesu Beispiel gerade ein solcher Fremder, von dem man nichts Gutes erwartete, zum Vorbild gesetzt wird.
Die Erforschung der samaritanischen Geschichte ist in den letzten Jahren durch neue Einsichten voran gekommen, so vor allem durch die archäologischen Ausgrabungen auf dem Berg Garizim (Tell er-Ras) sowie durch die verbesserte Auswertung der Textfunde von Qumran am Toten Meer, unter denen sich Handschriften mit Vorstufen des samaritanischen Bibeltextes fanden.
Hingegen sind die eigenen Texte der Samaritaner bislang noch wenig erschlossen und werden in der Bibelwissenschaft kaum wahrgenommen. Sie bieten ihrerseits neue und ungeahnte Perspektiven für die Erschliessung der biblischen Geschichte.