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2007 wurden 27 Professoren aus der Schweiz und 28 aus Deutschland an die Universität Zürich berufen. Die Zahlen für 2008: 26 Schweizer und 38 Deutsche. 2009 waren es gemäss Berufungsstatistik mehr Schweizer (27) als Deutsche (22). Dennoch: Weshalb ist Zürich für deutsche Professorinnen und Professoren so attraktiv?
Rektor Andreas Fischer: Die Universität Zürich ist international positioniert und hoch angesehen. Im Shanghai-Ranking 2009 zum Beispiel steht sie auf Platz 54 und rangiert damit – wenn auch knapp – vor den bestplatzierten deutschen Universitäten. Sie ist infrastrukturell und personell hervorragend ausgestattet, mit einem vergleichsweise hohen Lohnniveau. Auch die Unterrichtssprache Deutsch und die Ähnlichkeit der Universitätssysteme machen unsere Universität speziell für Deutsche attraktiv. Sie tauchen hier nicht in ein völlig anderes System ein, sondern finden sich schnell zurecht. Das ist ganz anders, wenn man zum Beispiel nach England oder nach Frankreich geht.
Und dann gibt es auch noch ein demographisches Argument: Die Bevölkerung in Deutschland ist zehnmal grösser als die der Schweiz. Angenommen, der Nachwuchs ist in Deutschland gleich gut ausgebildet wie hier, dann stehen zehn deutsche Nachwuchsforscher einem Schweizer oder einer Schweizerin gegenüber.
Die Universität Zürich ist sehr daran interessiert, eine gute Mischung an Nationalitäten im Lehrkörper zu haben. Es gibt nicht nur deutsche und Schweizer Professoren. 2009 kamen 14 Professoren aus dem übrigen Ausland (ohne Deutschland) neu hierher. Das sind 23 Prozent aller Neuberufenen.
Welche Fakultäten sind für ausländische Professoren besonders interessant?
Die Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät und – seit jüngerer Zeit – die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät sind besonders international ausgerichtet. Das hat auch etwas mit den Wissenschaftskulturen zu tun: Es gibt beispielsweise keine «deutsche» Chemie, während ein Fach wie die Germanistik in deutschsprachigen Ländern anders und intensiver gepflegt wird als in nicht-deutschsprachigen.
Die Auswahl der Kandidaten bei Berufungen erfolgt natürlich in den Berufungskommissionen, aber unser Bestreben geht dahin, eine möglichst breite Palette von Professoren aus aller Welt und aus allen Wissenschaftskulturen zu rekrutieren.
Welche Rolle spielen Deutschkenntnisse bei Berufungen?
Wir erwarten von allen Professorinnen und Professoren, dass sie gewisse Deutschkenntnisse haben bzw. – wenn dies nicht der Fall ist – im Verlauf ihres «Sich-Einlebens» erwerben. Amtssprache hier in Zürich ist Deutsch, und auch die grossen Vorlesungen auf Bachelor-Stufe werden in der Regel auf Deutsch gehalten.
Auf der Master- und Doktorats-Stufe ist Englisch als Unterrichtssprache meist kein Problem mehr, weil die Studierenden dann in der Regel genug Englischkenntnisse besitzen, um der Thematik folgen zu können. In den grösseren «Fremdsprach-Philologien» (Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch) findet der Unterricht in den entsprechenden Sprachen statt.
Wie sind Ihre Erfahrungen bei Berufungen?
Professuren werden grundsätzlich international ausgeschrieben, und im Berufungsprozess werden die Kandidaten und Kandidatinnen nach fachlichen Kriterien ausgewählt. Wir bitten die Berufungskommissionen jedoch, Kandidaturen von Schweizern und/oder Frauen besondere Aufmerksamkeit zu schenken und in ihren Berichten darüber Auskunft zu geben. Es gibt für diese beiden Gruppen jedoch keine Quoten.
In den Medien wurde der Vorwurf laut, dass einzelne neue deutsche Professoren das ganze Team für ihren Lehrstuhl aus Deutschland mitgenommen haben.
Solche Fälle gibt es wohl. Die Mitnahme von Mitarbeitenden ist jedoch nicht Gegenstand von Berufungsverhandlungen. Dort wird lediglich festgelegt, wie viele Stellen einer Professur zugeordnet sind. Die Professoren können die Stellen dann frei vergeben, und wenn sie jemanden aus Deutschland oder aus einem anderen EU-Land anstellen wollen, ist das dank der Personenfreizügigkeit ohne weiteres möglich. Wir nehmen darauf keinen Einfluss. Nach einer gewissen Zeit, das lehrt die Erfahrung, vergeben sie Stellen an die Zürcher Nachwuchskräfte.
Was macht die Universität Zürich, um den Schweizer Nachwuchs zu fördern?
Die Universität Zürich hat einen eigenen Forschungskredit, mit dem sie Nachwuchskräfte finanziell unterstützt. Wir finanzieren damit jährlich einige Dutzend Forschungsprojekte von hervorragender wissenschaftlicher Qualität. Dem Forschungskredit der Universität Zürich stehen jährlich fünf Millionen Franken zur Verfügung. Dazu kommt zur Zeit eine weitere Million Franken von der Mercator-Stiftung.
Seit einiger Zeit fördern wir ausserdem die sogenannten Assistenzprofessuren – das sind auf sechs Jahre befristete Professuren für Nachwuchskräfte. Eine solche Professur erlaubt eine optimale Vorbereitung für die Bewerbung auf einen Lehrstuhl. Zurzeit sind 63 Assistenzprofessorinnen und -professoren an der Universität Zürich tätig.
Schliesslich gibt es – in einigen Fakultäten ganz neu – die strukturierten Doktoratsprogramme, in denen die Absolventen gezielt und in relativ kurzer Zeit auf eine akademische Karriere vorbereitet werden.
Stehen diese Programme Doktorierenden aller Nationalitäten offen?
Ja. Gerade im Bereich der Doktorate ist es ein Leistungsmerkmal einer Universität, wenn sie für Wissenschaftler aus der ganzen Welt attraktiv ist. Ein Paradebeispiel dafür ist die Graduiertenschule von «Life Science Zurich», ein Programm, das es seit längerem gibt und das Forschende von überall her anzieht. Für uns gehören alle, die in Zürich doktorieren, zum eigenen Nachwuchs, unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit.
Können Sie persönlich nachvollziehen, weshalb die SVP der Stadt Zürich mit ihrem Inserat gegen den «deutschen Filz» ein so grosses Echo ausgelöst hat?
Ja. Als Folge der bilateralen Verträge, der dadurch ermöglichten Freizügigkeit und des wirtschaftlichen Gefälles zwischen Deutschland und der Schweiz sind Zürich und die Schweiz als Arbeitsort für Deutsche sehr attraktiv geworden.
Auch im Alltag sind unsere deutschen Nachbarn ja präsenter als noch vor wenigen Jahren. Die Ansagen im Tram erfolgen ohne hörbaren Schweizer Akzent, im Restaurant bedient ein Kellner aus Berlin und im Spital arbeitet eine Ärztin aus Bayern.
Zwei verwandte, aber unterschiedliche Kulturen treffen im Alltag ständig aufeinander. Dass das nicht immer nur harmonisch abläuft, ist ganz normal. An der Universität pflegen wir internationale Offenheit jedoch schon lange. Ausländische Kolleginnen und Kollegen sind für uns eine Selbstverständlichkeit.