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Klinische Dozierende

Wie man mit Patienten richtig umgeht

Sonia Frick ist Klinische Dozentin. Sie unterrichtet am Krankenbett. Studierende lernen von ihr, was im Umgang mit Patientinnen und Patienten wichtig ist.
Marita Fuchs
Sonia Frick ist Präsidentin der neugegründetetn Vereinigung Klinischer Dozentinnen und Dozenten der Universität Zürich.

Sonia Frick hat einen langen Arbeitstag hinter sich. Jetzt, um acht Uhr abends empfängt sie die Schreibende, weil sie sich Zeit nehmen will und nicht ständig weggepiepst werden möchte. Die Flure sind leer, die Patientinnen und Patienten haben sich schon zur Ruhe begeben. Die Ärztin im weissen Kittel trägt auf ihrem Namenschild: «KD Dr. S. Frick». «Das Kürzel kennt niemand», sagt sie lächelnd, «Manche Patienten meinen, es wäre ein militärischer Rang».

Ganz auf die Lehre ausgerichtet

Und tatsächlich ist der Titel «KD» relativ unbekannt: Er steht für «Klinischer Dozent». Der Titel wurde im Jahr 2003 von der Medizinischen Fakultät eingeführt, um diejenigen Ärztinnen und Ärzte auszuzeichnen, die vor allem für die klinische Lehre arbeiten. «Anders als die Privatdozenten, die neben ihrem Lehrauftrag mit Vorlesungen und Kursen auch noch mit Forschungsthemen und Publikationen ausgelastet sind, richten sich die Klinisch Dozierenden ganz auf die Schulung aus», erläutert Sonia Frick.

Noch sind didaktisch interessierte und versierte Mediziner Mangelware. An vielen Hochschulen gilt die Maxime: Die Lehre liegt einem – oder eben nicht. Andere Länder sind da weiter. In den USA gibt es schon seit längerem die «Clinical Professorship». An europäischen Universitäten wie im schottischen Dundee oder im niederländischen Maastricht schulen inzwischen ebenfalls professionelle Ausbilder.

Klinische Dozierende der Universität Zürich haben mehrere Jahre Erfahrung in der klinischen Weiterbildung, Fortbildungskurse in Didaktik absolviert und mindestens vier Jahre lang Studierende unterrichtet, bevor sie den Titel erhalten. Die Hälfte ihrer Arbeitszeit investiert Sonia Frick auch heute in die Weiterbildung der Assistenzärzte und Ärztinnen sowie in die didaktische Ausbildung der angehenden Mediziner und Medizinerinnen, die in den klinischen Kursen häufig zum ersten Mal mit Patienten am Krankenbett konfrontiert werden.

«Krass!»

Dabei steht ein fächerübergreifendes, problemorientiertes Lernen und praktischer Anschauungsunterricht im Vordergrund. Das klingt nahe liegend, ist für die Studierenden jedoch oftmals Neuland, denn gerade in den ersten Semestern wird hauptsächlich theoretisches Wissen vermittelt. Gepaukt wird häufig ohne Praxisbezug – und die ersten Patienten, die Medizinstudenten zu sehen bekommen, sind reglos und stumm: die Leichen in der Anatomie.

Wie man mit Kranken und Hilfsbedürftigen umgeht, mit ihnen spricht, sie richtig berührt und untersucht, muss geschult werden. «Menschlichkeit lässt sich zwar nur bedingt lernen, doch die Vermittlung sozialer Kompetenzen ist mir ein Anliegen», sagt Sonia Frick. So gehe es zum Beispiel nicht an, dass Studierende den Befund eines Patienten anschauen und vor seinen Augen ausrufen «So krass!».

Mediziner in der Ausbildung: Lernen, mit Kranken und Hilfsbedürftigen umzugehen.

Mit sanftem Druck

Bei Sonia Frick lernen die Studierenden, den Umgang mit Patientinnen und Patienten: Mit wie viel Druck kann man eine Leber abtasten, wie lässt sich die Funktion eines Gelenks testen? Und wie benutzt man das Stethoskop und lernt dabei, wie eine Lungenentzündung klingt? «Durch die Arbeit am Krankenbett sinkt die Hemmschwelle vor der Praxis», sagt Sonia Frick.

Dabei können sich die Studierenden bei ihrer Ausbilderin viel abschauen, denn neben der Untersuchung ist das Gespräch mit dem Patienten sehr wichtig. Klare Fragen und ehrliches Interesse am Patienten bringe sie dazu, offen über ihre Beschwerden zu berichten. «Und nur so lässt sich eine gute Anamnese und schliesslich eine fundierte Diagnose stellen», schlussfolgert Sonia Frick.

Auch der Umgang mit alten Leuten oder mit Drogenabhängigen will gelernt sein. «Manchmal sind die Studierenden echte Greenhorns», erzählt die Ausbilderin lachend. So beschrieb ein Fixer bei der morgendlichen Visite einem jungen Mediziner das Blaue vom Himmel; der glaubte jedes Wort und erstellte eine ganz falsche Krankengeschichte. Auch die kritische Analyse des Gegenübers gehöre zur Ausbildung. Es freue sie sehr, wenn die ihr anvertrauten Medizinerinnen und Mediziner mit der Zeit Praxis und Theorie in Einklang bringen und differenzierte Diagnosen erstellen, ohne den Blick auf das Wesentliche – den Menschen – zu verlieren.

Vereinigung Klinischer Dozierender seit Anfang Jahr

Sonia Frick ist davon überzeugt, dass die von manchen Patienten als seelenlos empfundene Medizin nicht mit einer verstärkten Hinwendung zu immer mehr Technik begegnet werden darf. Es seien auch die unmittelbaren Erlebnisse am Krankenbett, die Medizinstudenten das Selbstvertrauen geben, das sie später als Ärztinnen oder Ärzte brauchen.

Als Präsidentin der Anfang Jahr gegründeten Vereinigung Klinischer Dozierender möchte sie die Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen gegenüber der medizinischen Fakultät vertreten. Sonia Frick selbst arbeitet im Stadtspital Triemli, während andere der im Moment etwa dreissig Mitglieder im Universitäts-Spital, im Kinder-Spital, an Privatkliniken oder als Hausärzte tätig sind. Durch die Vielfalt der Arbeits- und Einsatzorte entstehe ein Fundus an Wissen, der zurück in die Ausbildungsplanung des Medizinstudiums fliessen könne, meint Frick. «Die aktuell noch nicht abgeschlossene Studienreform des Medizinstudiums gibt dem praktischen Lernen ein grösseres Gewicht; da hinein passt das Konzept der Klinischen Dozenten hervorragend.»

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