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«Gott und die Entstehung des Universums»: Einen grossen Brocken hat sich die Theologische Fakultät für die erste der vier «Grossmünsterreden» anlässlich des 175-Jahr-Jubiläums vorgenommen. So gross, dass der Abend natürlich keine Antwort liefern konnte auf die Frage: «Hat Gott das Universum erschaffen?»
Das ist nach Ansicht des Theologen Konrad Schmid, Professor für Altes Testament an der Universität Zürich, auch gar nicht nötig, denn so gestellt, ziele die Frage am Gottesbegriff vorbei. «Die Vorstellung, dass Gott das Universum erschaffen habe, wie ein Künstler ein Werk erschafft, verkennt den Gottesbegriff», so Schmid. Gott erschaffe keine konkreten Dinge, sondern lebensweltliche Umstände, Beziehungen, «Angewiesenheiten». Eher möglich sei deshalb eine Aussage wie «Gott hat die Welt erschaffen.»
Anders als bei Kunstwerken, führte Schmid weiter aus, können die Schöpfungen Gottes auch nach ihrer Erschaffung nicht aus sich selber heraus existieren. Sie existierten nur, weil Gott sie erhalte. Dies wird als creatio continua bezeichnet.
Von der fortdauernden Schöpfung sprach auch der Astrophysiker Arnold Benz vom Institut für Astronomie an der ETH Zürich. «Jede Sekunde entstehen im Universum 30'000 Sterne», so Benz. Die Erschaffung des Universums sei also keineswegs abgeschlossen, denn es entstünden dabei auch immer wieder neue, zuvor unbekannte Dinge. Als Beispiel nannte Benz das menschliche Bewusstsein, das es erst seit ein paar hunderttausend Jahren gebe. In kosmischen Zeitspannen eine ziemlich kurze Zeit.
Ob Urknall oder Schöpfungsakt: sowohl in der Physik wie in der Theologie wohnt dem Anfang eine besondere Kraft inne, wie Diskussionsleiter Samuel Vollenweider, Dekan der Theologischen Fakultät, festhielt. Darum streiten mochten sich der Naturwissenschaftler und der Theologe allerdings nicht. Denn die Physik, so Benz interessiert der Anfang als solcher nicht. Die Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung des Universums – die physikalischen und mathematischen Gesetze, Zeit und Zufall – seien im Urknall entstanden. Die Physik versuche diese Gesetzmässigkeiten zu verstehen. Ihr Beginn sei nicht Untersuchungsgegenstand der Naturwissenschaften.
Auch er glaube nicht, dass die Erde vor ca. 6000 Jahren in sechs Tagen entstanden sei, wie es in der Bibel steht, räumte Schmid ein. Die Theologie habe in diesen Fragen die Naturwissenschaften frei gegeben und sei bereit, deren Erkenntnisse zu akzeptieren. Darin sieht Schmid die grösstmögliche Nähe von Theologie und Naturwissenschaft, indem erstere der letzteren in dieser Art ihr Vertrauen ausspreche. Angesichts einer zunehmenden Re-Sakralisierung der Kosmologie sei es wichtig, an diesem Vertrauen festzuhalten.
Wesentlicher ist für Schmid die Diskussion darüber, was eigentlich die interessanten Fragen sind. Denn die Naturwissenschaften hätten auf die fundamentalen Fragen, wie «Weshalb gibt es etwas und nicht vielmehr nichts?» oder «Was ist der Sinn meines Daseins?», keine Antworten.
Einen solchen«Vollständigkeitsanspruch» für die Erklärung der Welt möchte Benz den Naturwissenschaften auch gar nicht übertragen wissen: «Die Naturwissenschaften beschreiben nur einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit. Vieles kommt darin nicht vor, wie etwa ästhetische oder religiöse Erfahrungen.» Diese könnten mit den Mitteln und Methoden der Naturwissenschaften nicht erfasst werden.
Theologie und Naturwissenschaften würden von unterschiedlichen Seiten dieselbe Wirklichkeit betrachten, so Benz. Deshalb vielleicht konnte Samuel Vollenweider auch so grosse Harmonie unter den beiden Gesprächspartnern feststellen. Die Lust auf Konfrontation war nicht gross, der Wunsch nach gegenseitigem Verstehen hingegen schon. «Wo ist Gott bei der Schöpfung all der neuen Sterne im Universum?», fragte Benz. «Wir Naturwissenschaftler würden es schätzen, wenn uns die Theologen das erklären könnten.»