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Rektor Andreas Fischer konnte gestern als Gastgeber gleich drei Bundesräte begrüssen, denn neben Bundespräsident Pascal Couchepin waren auch die ehemaligen Bundesräte Ruth Dreifuss und Flavio Cotti zur Preisverleihung angereist. Fischer würdigte in seiner Ansprache die Exzellenz und die praktische Relevanz der Forschung Ernst Fehrs, der die Bedeutung von Fairness und Kooperation in wirtschaftlichen Beziehungen analysiert habe. Damit, so Fischer, habe er einen Paradigmenwechsel in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung herbeigeführt. Stolz sei er auch, weil der Preis bereits zum dritten Mal innert weniger Jahre an einen Forscher der Universität Zürich gegangen sei.
Pascal Couchepin bemerkte, dass Fehr noch vor zwölf Jahren den Preis nicht hätte erhalten können, denn bis zum Jahre 1996 seien nur Naturwissenschaftler und Biomediziner ausgezeichnet worden. Seither vergebe die Stiftung ihren Preis auch an Sozial- und Geisteswissenschaftler. Fehr sei jedoch der erste Ökonom unter den 103 bisher Geehrten, und dazu würde er ihm ganz herzlich gratulieren. Seine Arbeiten seien neu, originell und hätten einen wichtigen Einfluss auf die Gesellschaft. Damit wären alle Vorgaben erfüllt, nach denen der Stiftungsrat die alljährlichen Kandidaturen beurteilen würde.
Dass Fehr die Frage des Altruismus in der Ökonomie gestellt habe und damit gezeigt habe, dass der Homo oeconomicus auch anders zu motivieren sei, als nur durch Profit, sei neu und besonders aktuell in der heutigen Zeit der internationalen Finanzkrise.
Professor Rico Maggi, Stiftungsrat der Marcel-Benoist-Stiftung, würdigte in seiner Laudatio den Preisträger als exzellenten Wissenschaftler, der einen substantiellen Beitrag zum menschlichen Zusammenleben geleistet habe. Er sei der meistzitierte europäische Ökonom, der sich vor allem durch die Originalität seiner Forschung auszeichne.
Der vielleicht wichtigste empirische Befund seiner experimentellen Untersuchungen bestehe in der Untermauerung der neuen und erfolgreichen Idee, dass Individuen das unfaire Verhalten anderer bestrafen, auch wenn dies ihnen weder gegenwärtigen noch zukünftigen Nutzen einträgt.
Der Grund dafür liegt in Fairnesspräferenzen. «Viele Menschen haben eine Vorliebe für eine gerechte Organisation der Entscheidungsprozesse sowie eine gerechte Aufteilung der Erträge», führte Maggi aus. So habe Fehr eine psychologische Wende in den Wirtschaftswissenschaften herbeigeführt, indem er den Einfluss von Emotionen auf das menschliche Verhalten experimentell nachgewiesen habe.
Während Fehrs Fragestellungen neu seien, so Maggi, und deutlich über das angestammte Gebiet der Wirtschaftswissenschaften hinausreichten, so sei seine Methode klassisch ökonomisch: er entwickle nämlich mathematische Modelle, aus welchen er Hypothesen über Verhalten ableite und diese in seinem Labor teste.
Der Preisträger Ernst Fehr selbst erläuterte in seiner Ansprache, dass er im Labor Fragestellungen nachgehen könne, die er im realen Leben durch reines Beobachten nicht analysieren könne. So wolle er wissen, welche biologischen Mechanismen hinter moralischem Verhalten stehen und warum Menschen ein Gerechtigkeitsgefühl hätten. Mit Hilfe bildgebender Verfahren und nichtinvasiver Methoden der Hirnstimulation wolle er die neuronalen Grundlagen sozialer Interaktion offenlegen.
Viele Individuen hätten ein ausgeprägtes Gefühl für Fairness, sagte Fehr und wären zu freiwilliger Kooperation bereit. Selbst wenn es sie etwas koste, seien sie bereit, egoistisches Verhalten zu bestrafen und kooperatives Verhalten zu belohnen. Fehr erläuterte, unter welchen Bedingungen diese «Reziprozitätsmotive» wirtschaftliches Verhalten massgeblich beeinflussen. So sei zum Beispiel ein erheblicher Teil der Menschen bereit, Trittbrettfahrer, die nur an den eigenen Nutzen denken, zu bestrafen und selbst zu kooperieren. Falls sichergestellt ist, dass die anderen mitmachen, tritt Kooperation viel häufiger ein, als vom ökonomischen Eigennutzmodell her angenommen wird.
Allerdings, so Fehr sei die Existenz sozialer und kooperativer Motive allein nicht ausreichend, um Kooperation unter Menschen zu erzielen. Es bedarf auch der geeigneten institutionellen Umgebung. So konnten Fehr und seine Mitarbeiter zeigen, dass trotz der Kooperationsbereitschaft vieler Menschen die Kooperation komplett zusammenbrechen kann. Wenn allerdings kooperative Personen die Möglichkeit haben, die Trittbrettfahrer zu sanktionieren, kommt stabile Kooperation zustande.
Die Bereitschaft, Sanktionen zu akzeptieren und das Verhalten anschliessend zu verändern, variiere stark zwischen den Kulturen, führte Fehr aus. «Sie ist nur in Ländern mit starken zivilen Kooperationsnormen vorhanden.» Bei Menschen, die andere Individuen, die soziale Normen verletzen, bestrafen, wird das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert. Viele Menschen seien sogar bereit, hohe Kosten in Kauf zu nehmen, um die Verletzung sozialer Normen zu ahnden, führte Fehr aus.