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Wenn die Schmerzhemmung im Rückenmark versagt, werden Schmerzen chronisch. Herkömmliche Medikamente helfen nicht lange, denn Gewöhnungseffekte und Nebenwirkungen machen den Nutzen zunichte.
Julia Knabl und Robert Witschi von der UZH und PD Dr. Andreas Hess von der Universität Erlangen-Nürnberg haben einen Weg gefunden, die Schmerzhemmung gezielt zu aktivieren, ohne die unangenehmen Wirkungen auszulösen. Für ihre Studie wurden sie gestern am Deutschen Schmerzkongress mit dem ersten Preis der Kategorie Grundlagenforschung des «Förderpreises für Schmerzforschung 2008» ausgezeichnet (7`000 Euro).
Schmerzreize aus allen Körperregionen werden über spezialisierte Nervenzellen des Rückenmarks zum Gehirn vermittelt und dort verarbeitet. Im Rückenmark wirken verschiedene Botenstoffe an diesem Prozess mit, auch hemmende wie gamma-Aminobuttersäuer (GABA), die wie ein Filter wirken und Schmerzreize abmildern. Bei chronischen Schmerzen, zum Beispiel durch Rheuma oder Nervenverletzungen, versagt dieser Filter.
Medikamente, welche die Wirkung von GABA verstärken, können die Hemmung im Rückenmark wieder aufbauen. Als Tabletten verabreicht, wirken sie jedoch nicht nur im Rückenmark, sondern auch im Gehirn und rufen Nebenwirkungen wie Gedächtnisstörungen und Schläfrigkeit hervor. Außerdem setzt bald ein Gewöhnungseffekt ein und die Medikamente wirken nicht mehr ausreichend.
Im Rahmen ihrer Dissertationen untersuchten Robert Witschi und Julia Knabl die Schmerz-Rezeptoren und fanden neue Wege zu deren Hemmung. Ihre Forschung fand an der Abteilung Neuropharmakologie am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich statt. Geleitet wird die Abteilung von Prof. Hanns Ulrich Zeilhofer, Doppelprofessor an der UZH und am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der ETHZ.
Witschi und Knabl verwendeten gentechnisch veränderte Mäuse, deren Rezeptor für GABA leicht verändert war. Sie fanden heraus, welche Untergruppen des Rezeptors die erwünschte, schmerzlindernde Wirkung der Medikamente vermitteln. Es stellte sich heraus, dass es nicht dieselben Rezeptoren sind, welche die unerwünschten Wirkungen vermitteln.
Entsprechend konnten die Forschenden auf die Suche gehen nach einem Wirkstoff, der nur die erwünschten Rezeptoren anspricht. Sie fanden das Gesuchte in der Substanz «L-838.417», die einige Jahre zuvor von einem Pharmaunternehmen entwickelt worden war, aber nicht als schmerzlindernd bekannt war. Im Experiment erwies sich die Substanz als ebenso wirkungsvoll gegen Schmerzen wie Morphin, ohne jedoch einen Gewöhnungseffekt zu haben.
Anders als im Tierversuch wird «L-838.417» allerdings vom menschlichen Organismus zu schlecht aufgenommen und zu schnell wieder ausgeschieden. Der nächste Schritt besteht für die Abteilung Neuropharmakologie deshalb nun darin, nach Wirkstoffen zu suchen, welche ähnlich schmerzstillende Eigenschaften zeigen, ohne diese Nachteile aufzuweisen.