Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf an der UZH

«Ein Pfund Mut ist mehr wert als eine Tonne Glück»

Meinungsmacherinnen und solche, die es werden wollen, waren am Samstag auf Einladung der Zürcher Frauenzentrale zu einer Tagung an die UZH gekommen. Das Schlussreferat hielt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf zum Thema «Herausforderungen lustvoll angehen». Sie sprach den anwesenden Frauen in einem beeindruckenden und persönlich gehaltenen Referat Mut zur Politik zu.
Marita Fuchs

Kategorien

Sie habe zu Beginn ihrer Amtszeit als Bundesrätin grosse Solidarität von verschiedener Seite erfahren, vor allem auch von Frauen. Das habe sie getragen und ihr geholfen, die sehr schwere Zeit zu überstehen, sagte Eveline Widmer-Schlumpf, Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) zu Beginn ihres Referats. Ihr Mann habe ihr damals vor dem Entscheid der Amtsübernahme gesagt, es gehe darum, am Ende des Lebens noch in den Spiegel schauen zu können, und so habe sie sich entschieden, die Herausforderung anzunehmen. Später sei sie häufig von Leuten angesprochen worden, die gesagt hätten: «Wir sind ganz anderer Meinung als Sie, aber wir sind froh, dass Sie da sind.» Darüber habe sie sich sehr gefreut, denn Akzeptanz trotz unterschiedlicher Meinung – das verstehe sie unter politischer Kultur.

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf sprach am Samstag an der Universität Zürich zum Thema: «Herausforderungen lustvoll angehen».

«Eine Frau als Kreisrichterin? - Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr!»

Dass sie Karriere in der Politik gemacht habe, sei nicht Ergebnis einer bewussten Karriereplanung gewesen, sondern habe sich ergeben, erzählte Eveline Widmer-Schlumpf. Ursprünglich habe sie gar nicht in die Politik gehen wollen, und das auch so mit ihrem Mann abgesprochen. Was die promovierte Juristin jedoch wollte: Familie und Beruf vereinen. Deshalb sei sie ans Gericht gegangen, wo sie in Teilzeit arbeiten konnte. Damals sei das Richteramt jedoch noch fest in Männerhand gewesen, und ein Mann aus dem Kreispräsidentenverband habe ihr gesagt: Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass eine Frau Kreisrichterin wird. Das habe sie dann doch besonders angestachelt, und sie habe sich gedacht: «Jetzt werde ich Kreispräsidentin!»

«Es hat mich gepackt»

Die Arbeit als Kreisrichterin habe ihr sehr viel Spass gemacht, es sei nahe am Leben gewesen, so habe sie damals Streit zwischen Nachbarn geschlichtet oder geholfen, Steuererklärungen auszufüllen. Der nächste Schritt, ins Verwaltungs- oder Kantonsgericht, habe ihr ihre damalige Partei verbaut. Dafür sei sie dann in den Grossen Rat gegangen und Kantonrätin geworden. «Damals hat die Politik mich gepackt», erzählte Widmer-Schlumpf. Besonders gereizt habe sie die Aufgabe, Probleme über Parteien und Fraktionen hinaus anzupacken und zu bewältigen. 1998 wurde sie als erste Frau Mitglied der Regierung Graubündens.

Im Wahlkampf starken Anfeindungen ausgesetzt

Ihr Wahlkampf damals sei etwas «eigen» verlaufen, denn sie sei äusserster Kritik ausgesetzt gewesen, vor allem auch von Frauen. Sie sei immer wieder gefragt worden, wie es denn ihrem Mann ginge und den drei Kindern, und ob sie kein schlechtes Gewissen habe. «Das war für mich nicht einfach, ich bin plötzlich unsicher geworden, ob der eingeschlagene Weg auch der richtige ist», berichtete Widmer-Schlumpf.

Einmal habe sie auf einer Wahlkampftour durch das Bündnerland im Auto Lokalradio gehört; plötzlich sei ein Beitrag mit ihrer Tochter, die von den Medienleuten auf dem Schulweg abgefangen und befragt worden sei, gekommen. Die Radiomacher fragten: «Was meinst Du dazu, dass Deine Mutter jetzt meint, sie müsse in die Bündner Regierung?» Ihre Tochter habe geantwortet: «Das ist uh lässig, wir haben das zusammen gemacht, und das schaffen wir auch.» Dieser Moment sei für sie ganz wichtig gewesen, die spontane und fröhlich-muntere Antwort ihrer Tochter habe sie in ihrem Weg bestärkt. Die Familie habe sie stets unterstützt.

Sich gut imprägnieren

Zudem habe sie damals einen Parteikollegen gehabt, der ihr sehr beigestanden habe. Er riet ihr, sich mehr abzuhärten. «Du musst Dich fest imprägnieren, damit du Politik als etwas Gutes erleben kannst.» Das sei wirklich sehr wichtig, führte Widmer-Schlumpf aus, denn man dürfe nicht alles an sich herankommen lassen.

In der Bündner Regierung übernahm sie das Departement Finanzen und Militär, obwohl viele meinten, Erziehung und Kultur passe viel besser zu einer Frau. Für sie seien jedoch Finanzen und Militär deshalb wichtig gewesen, weil sie wusste, dass sie dort vor allem im sozialen Bereich entscheidend mitwirken konnte. So habe sie sich für Gleichstellungsfragen und Wiedereinsteigerinnen eingesetzt. Damals sagte der zuständige Regierungsrat ihr, sie wäre besser daheim am Kochherd geblieben, dort könne sie nicht so viel Unfug anrichten.

Kompetenz in der Sache

Im Anfang ihrer Regierungszeit habe sie, wie andere Frauen auch, im Glashaus gesessen. Alles sei kommentiert worden, Kleidung, Frisur, Schuhe. Damit könne man umgehen. «Wirklich wichtig ist nicht das Äussere», meinte Widmer-Schlumpf, «sondern die Sicherheit in der Sache. Man muss wirklich dossierfest sein, überzeugt davon, das Richtige zu tun, und die Sache im Griff haben.» Nur das zähle und gebe Sicherheit, auch schwierige Situationen zu überstehen.

Sie habe damals eine grosse Überschuldung im Kanton Graubünden angetroffen. Mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe sie eine Vier-Jahres-Planung gemacht und sei das Problem aktiv angegangen. Trotz vieler Kritik habe sie ihre Planung durchgezogen und damit gute Erfahrungen gemacht.

Selbst Schwerpunkte setzen

Auch in ihrer Departementsarbeit für den Bund habe sie zunächst die Situation überprüft und dann neue Schwerpunkte gesetzt. Zum Beispiel habe sie Projekte, die zuvor abgelegt worden seien, wieder aufgenommen, etwa den Bereich Sterbehilfe oder die Pflegekinderverordnung. Die Entwicklung der Aktienrechtsreform habe gezeigt, dass im Bankenbereich die Aufsicht verstärkt werden müsse. Die Arbeit gehe also nicht aus.

Am Ende des Referats forderte die Bundesrätin die Frauen auf, politisches Engagement zu wagen und sich leiten zu lassen von einer Aussage des ehemaligen Präsidenten Abraham Lincoln: «Ein Pfund Mut ist mehr wert als eine Tonne Glück.»

Weiterführende Informationen