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Doch, ein Kaffee muss sein, sie brauche seine stimulierende Wirkung, sagt Caroline Weckerle. Sie kennt sich aus mit koffeinhaltigen Pflanzen, ist Ethnobotanikerin, befasst sich also mit den Wechselwirkungen zwischen Pflanzen – vor allem Medizinalpflanzen – und Menschen.
Bald, im Juli, wird sie wieder für ein halbes Jahr nach Südwestchina fahren, ins Shuiluo-Tal, 2000 Meter über Meer, in den Ausläufern des Himalayas – ein Gebiet, das zu den Biodiversity Hotspots gehört. Caroline Weckerle: «Wir untersuchen dort vergleichend, wie fünf verschiedene Tibeto-Burmanische Ethnien Wildpflanzen nutzen.» Im Vordergrund stehen Pflanzen, die auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) verwendet werden.
TCM boomt, und doch gibt es im deutschsprachigen Raum kaum ethnobotanische Weiterbildungsangebote. So wurde Weckerle von der universitären Fachstelle für Weiterbildung angefragt, ob sie Interesse hätte, zusammen mit dem Institut für Naturheilkunde einen Zertifikatsstudiengang in Ethnobotanik und Ethnomedizin aufzubauen. Zielpublikum: Fachpersonen aus den Bereichen Gesundheit, Pharmazie, Bildung und andere Interessierte mit Hochschulabschluss oder vergleichbaren Qualifikationen.
Der jungen Forscherin gefiel die Idee, mit Erwachsenen zu arbeiten. Seit Anfang März erhalten die 20 Teilnehmenden nun in sechs zweitägigen Modulen eine Einführung in Ethnobotanik und Ethnomedizin. Sie erfahren, wie die Molekularbiologie die botanische Systematik verändert hat; sie werden mit der Convention of Biological Diversity vertraut gemacht, dem rechtlichen Rahmen, an den sich alle Forschenden zu halten haben. Ein weiteres Modul befasst sich mit der Rolle der Ethnobotanik in der Naturheilkunde.
Die Teilnehmenden sind Ärztinnen, Pharmakologen, Lehrpersonen, Leute aus dem Umweltbereich, aus Naturheilkunde und Gartenbau. Eine spannende Vielfalt. Was die Kurskonzeption nicht einfacher macht. Caroline Weckerle: «Wir versuchten, im ersten Modul eine Basis zu legen, auf der alle aufbauen können.»
Es komme enorm viel zurück: «Die Leute stellen sofort Bezüge her zu ihrem eigenen Erfahrungshintergrund.» Es werde viel diskutiert und einiges auch in Frage gestellt. Praktiker aus dem gärtnerischen Bereich bringen einen handfesten Blickwinkel ein. Sie fragen zum Beispiel, warum eine bestimmte Pflanze just auf diesem Boden gedeihe und wie man sie vermehren könnte. «So ausführliche Diskussionen mit zwanzig so unterschiedlichen Leuten erlebe ich sonst nie», freut sich Caroline Weckerle.
Für die Dozierenden ergäben sich daraus Inputs für ihre Projekte. Caroline Weckerle wird ihre Forschung im Shuiluo-Tal künftig stärker auf so genannte Ritualpflanzen konzentrieren: «Die lokalen Heiler, die Dumbus, verwenden diese Pflanzen für Räucherungen, um krankheitsverursachende Dämonen zu vertreiben.»
Das Forschungsteam hat Rauchproben gesammelt. Nun wollen sie herausfinden, ob es in den Ritualpflanzen Stoffe gibt, deren Wirksamkeit man auch pharmakologisch erklären kann. Die Zeit drängt. Die untersuchten Ethnien kennen keine Schrift, ihr kulturelles Gedächtnis sind die Heiler. Doch diese Heiler sterben aus, weil sie ihre Tätigkeit während der Kulturrevolution nicht ausüben und keinen Nachwuchs ausbilden durften. Weckerle: «Mit den Dumbus verlieren diese Ethnien auch ihre Geschichte.»