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«Über Geld spricht man nicht, man hat es.» Diese Schweizer Redensart hätte man sinngemäss bis vor relativ kurzer Zeit auch auf die wissenschaftliche Beschäftigung mit Kapitalmärkten und Unternehmensfinanzierungen, kurz Finance genannt, in der Schweiz anwenden können. Dass dies heute ganz anders ist und Finance nicht nur an der Universität in Lehre und Forschung einen wichtigen Platz einnimmt, sondern auch in der Öffentlichkeit breit diskutiert wird, das zeigte der Themenabend «Die Zukunft der Finance», den die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät aus Anlass des 175-Jahr-Jubiläums der Universität Zürich am Dienstag durchführte.
Zwar ist das Institut für Schweizer Bankwesen der Universität Zürich (ISB) bereits 40 Jahre alt, doch die Hälfte der Zeit bestand es aus nur einem Lehrstuhl und zwar zum Fach allgemeine Betriebwirtschaft. Von all den Spezialisierungen der Finance, die heute an den zwölf Lehrstühlen des ISB gelehrt werden, war man damals noch weit entfernt.
Fast die ganze Entwicklung mitgemacht und für einige Jahre als Direktor mitgeprägt hat Professor Rudolf Volkart, der sich selbst ironisch als «Urgestein des ISB» bezeichnete. In dieser Zeit hat sich die Lehre in dem Fach stark gewandelt. Dies zum einen wegen der in den vergangenen zehn Jahre aufgekommenen Mittel und Methoden des E-Learning, andererseits aber auch wegen der Reformen in den Studiengängen.
Die neuen Möglichkeiten haben dabei nicht bloss technische Änderungen gebracht. Dies ganze Lehrsituation hat sich geändert – zum besseren, wie Volkart betonte: «Was wir im E-Learning gemacht haben war nur dank intensiver Teamarbeit mit der entsprechenden Delegation von Kompetenzen und Verantwortung möglich.» Dieser Schritt zur Teamarbeit sei für ihn «eine Krönung der Lehre».
An seiner E-Learning-Vorlesung sind denn auch mehrere fortgeschrittene Studierende und Assistierende als Tutoren beteiligt. Stellvertretend für das ganze Team stellte Assistent und Projektleiter Benjamin Wilding die Elemente des europäisch preisgekrönten Projekts «eCF – get involved in corporate finance» vor.
Volkart hält noch immer gut besuchte «reale» Vorlesungen, doch werden diese aufgenommen und sind als Podcast via Internet abrufbar. Wer nicht an die Universität gehen will, oder für die Vorlesung gerade keine Zeit hat, kann sie sich – inklusive aller Folien und Notizen Volkarts – herunterladen und unabhängig von Zeit und Ort hören. Dazu werden Selbstlern-Lektionen mit Lerntests, Diskussionsforen und Gruppenarbeiten im Web angeboten, an denen die Studierenden teilnehmen müssen.
Doch nicht nur in der Lehre, auch in der Forschung geht die Finance an der Universität Zürich innovative Wege. Auf alle Seiten nämlich streckt das Fach in jüngster Zeit seine Fühler aus. Ein Versuch, so der Direktor des ISB, Professor Thorsten Hens, der stetigen Verästelungen der Wissenschaft in immer mehr Teilgebiete, interdisziplinäre Zugänge entgegen zu halten. Als Spezialist in Behavioral Finance selber in einem der neuen Gebiete tätig, gab er einen Überblick über die interdisziplinäre Forschung im Bereich Finance.
Mit der Psychologie, Neurologie, Biologe, Soziologie, den Medien- und den Umweltwissenschaften, ja gar mit Design laufen derzeit Forschungsprojekte. Untersucht werden Fragen wie, weshalb Finanzentscheide nicht allein auf rationaler und ökonomischer Grundlage gefällt werden, welche Anlagestrategien sich im evolutionären «survival of the fittest» am besten durchsetzen, oder ob Isländer ein anderes Anlageverhalten haben als Türkinnen.
Dahinter steht nicht allein pure Forschungslust, sondern die Suche nach neuen Ansätzen für die praktische Anwendung, etwa bei der Anlageberatung, wie in dem mit der Zürcher Hochschule für Künste gemeinsam initiierten Projekt eines interaktiven Beratungstisches. «Viele Kunden haben völlig irreale Vorstellungen von den Finanzprodukten, die sie kaufen», sagte dazu Hens. Die Expertise der Gestalter soll nun dazu dienen, komplizierte strukturierte Produkte und die damit verbundenen Risiken besser zu veranschaulichen.
Dass jedoch nicht nur Laien, sondern auch die hochbezahlten Bankenprofis in ihrer Risikoeinschätzung ziemlich daneben liegen können, das muss dieser Tage nicht speziell betont werden. In seiner fulminant vorgetragenen Analyse zum Schweizer Finanzplatz sparte denn auch Kurt Schiltknecht, früherer Direktor des Bereichs Volkswirtschaft bei der Schweizerischen Nationalbank und Partner von Bankier Martin Ebner nicht mit klaren Worten.
Nicht die Angriffe auf das Bankgeheimnis seien eine Gefahr für den Finanzplatz Schweiz, sondern die jüngsten Milliarden-Verluste der Grosbanken. Denn diese zerstörten das Vertrauen: «Will ich mein Vermögen einer Bank anvertrauen, die 40 Milliarden abschreiben muss?», so Schiltknechts rhetorische Frage. Für ihn zeigt sich in heutigen Fehlentscheiden auch eine späte Folge davon, dass die Schweizer Banken in den 80-er Jahren kaum an Finanzmarkttheorie interessiert waren, weshalb diese an den Universitäten auch nicht gelehrt worden sei. «Einige, die damals studierten, sind heute in Positionen, wo sie wichtige Entscheide treffen müssen.»
Nicht einstimmen kann Schiltknecht in den plötzlich so beliebten Ruf nach mehr und strengerer Aufsicht und Regulationen. Im Gegenteil wetterte er gegen «verhältnisblödsinnige Regulationen» an den Börsen oder unsinnige Auflagen wegen der Geldwäschereibekämpfung. Regulierungen zur Vermeidung von Risiken würden immer grössere Risiken hervorrufen, als keine Regulierungen, ist Schiltknecht überzeugt. «Statt Regulierung Deregulierung» lautet sein Rezept.
Im Argen liegen für Schiltknecht auch die Rechte der Aktionäre. «Corporate Governance kann aber nur funktionieren, wenn die Aktionäre ihre Interessen gegenüber Management und Verwaltungsrat durchsetzen können», so Schiltknecht. Mehr Corporate Governance, oder mit anderen Worten Ethik oder Moral, wünscht er sich auch bei den Anreizsystemen. Denn Banker, widersprach er den Ausführungen von Thortsen Hens, handelten durchaus rational und ökonomisch. «Vielleicht sind sie dumm bei den Risiken, die sie eingehen, aber sie sind äusserst rational, wenn es um die Maximierung ihres Verdienstes geht.»