Navigation auf uzh.ch
Frau Aeppli, an der Veranstaltung «Schiffbau im Schiffbau» werden Sie am 29. Februar zusammen mit Bundesrat Moritz Leuenberger und Rektor Hans Weder die Jubiläumsfeier eröffnen. Gibt es noch andere Programmpunkte im Rahmen des UZH-Jubiläums, auf die Sie sich besonders freuen?
Regine Aeppli: Als Juristin und ehemalige Jus-Studentin an der Universität Zürich bin ich natürlich besonders neugierig auf die Fakultätstage der Rechtswissenschaften. Sehr gespannt bin ich auch auf die Brain Fair im Rahmen des Parcours des Wissens auf dem Sechseläutenplatz.
Die Universität Zürich feiert sich selbst; worauf darf sie aus regierungsrätlicher Sicht besonders stolz sein?
An erster Stelle beeindruckt mich die Art, wie sie die Herausforderungen der Globalisierung meistert; die Universität Zürich hat sich zur kompetitiven Forschungsuniversität entwickelt und schneidet im internationalen Vergleich regelmässig hervorragend ab.
Geht diese Entwicklung auf Kosten der regionalen Verwurzelung?
Die Universität besteht «durch den Willen des Volkes» und ist nach wie vor der Allgemeinheit verpflichtet. Das steht auch im Zweckartikel des Universitätsgesetzes. Der Kanton finanziert die Universität mit jährlich einer halben Milliarde Franken; als Gegenleistung erwartet er, dass die Universität gut qualifizierte Akademikerinnen und Akademiker für den Arbeitsmarkt hervorbringt. Die internationale Ausrichtung ist zur Erfüllung dieser Aufgabe kein Hindernis, ganz im Gegenteil. Wenn es der Universität gelingt, aus dem Ausland hervorragende Köpfe anzuziehen, nützt dies in erster Linie der Region Zürich und in zweiter dem ganzen Land. Die internationale Ausrichtung der Universität ist im Übrigen nichts Neues: Zur Zeit ihrer Gründung 1833 waren die meisten Professoren Deutsche, daran sollte man sich gelegentlich erinnern. Es ist ein grosser Vorteil, dass wir Spitzenleuten ein attraktives Umfeld bieten können, so dass ihnen der Entscheid, nach Zürich zu kommen, vergleichsweise leicht fällt. Natürlich muss bei alledem der eigene wissenschaftliche Nachwuchs nach Kräften gefördert werden. Und es ist wichtig, dass sich Forschende, egal woher sie stammen, nicht im Elfenbeinturm verstecken, sondern die Öffentlichkeit an ihrem Wirken teilhaben lassen. Ob sie sich mit Studierenden auch auf Mundart unterhalten können, scheint mir dagegen weniger wichtig zu sein.
Sie haben selbst an der Universität Zürich studiert. Ganz spontan: Woran erinnern Sie sich zuerst?
Schön waren die unzähligen Stunden, die ich diskutierend und debattierend im Lichthof verbrachte. Mit leisem Schrecken erinnere ich mich hingegen an einen Zwischenfall aus den Anfangszeiten meines Studiums. Ich kam gerade aus einer Vorlesung und betrat den Lift zum Uniturm. Kurz bevor die Tür sich schloss, fiel mir ein, dass ich meine Notizen im Hörsaal vergessen hatte. Im Fahrstuhl neben mir stand Karl Oftinger, einer meiner Professoren. Ich sagte: «Halten Sie bitte den Lift an, bis ich meine Unterlagen geholt habe!» Er ging natürlich nicht darauf ein und wartete nicht auf mich. Ich dachte mir zunächst nichts bei meiner dreisten Forderung – erst Minuten später wurde mir bewusst, was ich mir da als Studienanfängerin einem renommierten Jus-Professor gegenüber herausgenommen hatte. Ich nehme an, dass er die Begebenheit rasch vergessen hat. Mir selbst war sie lange Zeit peinlich.
Wie stark hat sich Ihrem Eindruck nach die Universität seit Ihrer Studienzeit verändert?
Die auffälligsten Veränderungen haben mit der Bologna-Reform zu tun. Das Universitätsstudium ist verbindlicher geworden, als dies zu meiner Zeit der Fall war, und ich denke, das ist gut so. Natürlich kann ich die Klagen über den Verlust an Freiräumen nachvollziehen, ich glaube allerdings, dass nur die wenigsten Studierenden so selbstständig und so gut organisiert waren, dass sie die Freiräume für sich optimal nutzen konnten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es den Bedürfnissen der meisten Studierenden entgegenkommt, wenn an sie klarer definierte Anforderungen gestellt werden. Ich selbst fand es als Studentin nicht immer einfach, mich zu orientieren; ich hätte mir etwas straffere Strukturen und weniger Anonymität gewünscht.
Könnten Sie sich vorstellen, sich heute nochmals in einen Vorlesungssaal zu setzen?
Ein Vollstudium werde ich nicht mehr in Angriff nehmen, aber sehr gern würde ich an der Universität einzelne Weiterbildungsveranstaltungen besuchen, etwa zu ethischen Fragen, weil mich diese auch beruflich häufig beschäftigen. Ich finde die Idee des lebenslangen Lernens sehr wichtig. Überhaupt bin ich dafür, Möglichkeiten zu schaffen, Theorie und Praxis, Bildung und Beruf zusammenzubringen. Die Zweistufigkeit des Studiums, die mit dem Bologna-System eingeführt wurde, bewerte ich nicht zuletzt deswegen positiv, weil sie Studierenden ermöglicht, eine Phase der Praxis einzuschalten.
Haben Sie persönliche Erfahrungen, was die Verklammerung von Studium und Berufspraxis anbelangt?
Ja, sehr positive. Nach meinem Studienabschluss arbeitete ich einige Jahre in der Verwaltung und im Gericht, danach bereitete ich mich auf die Anwaltsprüfung vor. Die Theorie, die ich während des Studiums oft als grau empfunden hatte, erschien mir auf einmal farbiger, substanzieller, lebendiger. Die Berufspraxis hatte meinen Blick für Rechtsfragen geschärft und mein Interesse erst richtig geweckt. Als ich die Theorie und die Dogmatik für die Anwaltsprüfung nochmals aufarbeitete, bekam vieles einen neuen Sinn für mich. Das war eine gute Erfahrung.
Was war in Ihrer Studienzeit neben dem rein Fachlichen für Sie wichtig und prägend?
Im vierten, fünften Semester schloss ich mich einer hochschulpolitischen Gruppierung an, der Liberalen Studentenschaft Zürich. Zu ihr gefunden habe ich im Anschluss an ein Seminar in Rechtssoziologie bei Professor Manfred Rehbinder. Das war der Beginn einiger wunderbarer Freundschaften – und für mich einer der ersten Schritte hin zur aktiven Politik. Nach dem Studium traten die meisten von uns in die SP ein.
Die erste Schweizer Jus-Studentin überhaupt, später die erste Dozentin an einer Schweizer Universität, war Emilie Kempin-Spyri. Seit Januar erinnert im Lichthof ein Denkmal an die Vorkämpferin der Geschlechtergleichstellung. War sie Ihnen zu Ihrer Studienzeit schon ein Begriff?
Die frühen siebziger Jahre waren eine frauenbewegte Zeit, da sprach man durchaus auch von Kempin-Spyri, unter Juristinnen ohnehin. Über ihr schweres Leben habe ich aber erst später durch die Lektüre von Eveline Haslers Roman «Die Wachsflügelfrau» etwas erfahren. Ich freue mich, dass sie nun ein Denkmal von Pipilotti Rist erhalten hat, das zum Nachdenken und Träumen einlädt.
Wie steht es heute um die Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern?
Da sind wir tatsächlich ein grosses Stück weiter. Die Frauen sind heute im Durchschnitt mindestens so gut ausgebildet wie die Männer. Dass Frauen auf höheren Hierarchiestufen, auch an der Universität, nach wie vor untervertreten sind, hat vor allem mit der immer noch mangelhaften Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun, aber nicht ausschliesslich. Ich erinnere mich diesbezüglich an eine Aussage der kürzlich leider verstorbenen Rechtsprofessorin Marie Theres Fögen. Sie sagte sinngemäss: Solange Frauen ihren sozialen Status über jenen des Mannes definieren könnten, sei der Anreiz für viele gut ausgebildete Akademikerinnen, selbst Karriere zu machen, noch immer zu klein.
Was ist also zu tun?
Frauen sind im beruflichen Vorankommen noch immer benachteiligt, deshalb muss man, will man bei den Professuren wirklich zu einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis gelangen, die Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen noch ernster nehmen und – ceterum censeo – dafür sorgen, dass ihre Kinder gut betreut werden.
In den Richtlinien zu den Legislaturzielen 2007–2011, die der Regierungsrat vor einigen Monaten verabschiedet hat, kommt der Förderung der Hochschulen und der Forschung oberste Priorität zu. Was sagt dies über den Stellenwert der Universität für den Kanton Zürich aus?
Es war im Regierungsrat unbestritten, der Hochschulförderung Priorität zu geben. Wissen, Forschung und Innovation werden in der Wirtschaft und allen anderen Gesellschaftsbereichen immer wichtiger, entsprechend wächst natürlich unsere Verpflichtung, in den Hochschulplatz Zürich zu investieren.
Als Bildungsdirektorin sind Sie auch Präsidentin des Universitätsrats, der die strategischen Ziele der Universität festlegt. Wohin soll die Reise in den nächsten Jahren gehen?
Die Universität ist auf dem richtigen Weg, wenn sie als Volluniversität die Interdisziplinarität pflegt, in der Forschung weiterhin Schwerpunktbildung betreibt und zugleich Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Hochschulen ausnützt.
Wird sich im Verhältnis von Kanton und Universität in der näheren Zukunft etwas ändern?
Vor zehn Jahren war die Universität Zürich organisatorisch gesehen noch ein Wurmfortsatz der kantonalen Verwaltung, seitdem hat sie sich in raschem Tempo zur autonomen öffentlich-rechtlichen Anstalt entwickelt, mit sichtbarem Erfolg. Das Autonomie-Modell der UZH stösst sogar im Ausland auf Interesse. Der Verselbstständigungsprozess ist aber noch nicht abgeschlossen: Die Universität wird im Zuge der Umsetzung des Controlling und Rechnungslegungsgesetzes noch mehr Spielräume erhalten, sie wird beispielsweise Rückstellungen machen können und sich damit in ihrer Funktionsweise noch mehr einem selbstständigen Unternehmen annähern. Mit den wachsenden Handlungsspielräumen, die von der Universität ja erwünscht sind, wachsen allerdings auch die Rechenschaftspflichten gegenüber dem Kanton – das löst manchmal Zähneknirschen aus. Ich stehe aber dazu: Mehr Autonomie bedingt Transparenz und Rechenschaft gegenüber der öffentlichen Hand – nur so ist ein partnerschaftlicher Diskurs zwischen Hochschule und Kanton möglich.