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Prof. Kurt Brassel

Geographie für die Zukunft Rwandas

Bis 2005 war Kurt Brassel Professor für Geographie an der UZH. Heute unterstützt er als Direktor eines Zentrums für geographische Informationssysteme Rwanda auf dem Weg in die Zukunft.
Adrian Ritter

Das «Center of Geographic Information System and Remote Sensing» (CGIS) an der National University of Rwanda. Sein Wissen ist bei Verwaltung und Politik sehr gefragt, denn geographische Informationen bilden die Grundlage für viele Entscheidungen. 

Mit 62 Jahren hatte Kurt Brassel noch einmal Lust auf etwas Neues. Wie einige Jahre zuvor während eines Sabbaticals in Venezuela wollte der Professor für Geographie in eine neue Erfahrung eintauchen und gleichzeitig sein Wissen einem Entwicklungsland zur Verfügung stellen.

So räumte er im September 2005 sein Büro an der Universität Zürich-Irchel und machte sich auf den Weg nach Butare an die National University of Rwanda (NUR). Dort koordinierte er vorerst ein niederländisches Entwicklungsprojekt und übernahm dann die Leitung des einige Jahre zuvor gegründeten «Center of Geographic Information System and Remote Sensing» (CGIS).

Gefragte Erfahrung

Kurt Brassel hatte sich in seiner Lehr- und Forschungstätigkeit auf Geographische Informationssysteme, Raumanalyse und Kartographie spezialisiert und war in dieser Funktion 24 Jahre an der UZH tätig gewesen. Seine Erfahrung ist auch in Rwanda gefragt. «Es ist beeindruckend, wie schnell unsere Erkenntnisse in die Verwaltung und Politik einfliessen», so Brassel.

Das erstaunt nicht, denn die Regierung von Rwanda ist bestrebt, das Land in seiner politischen und wirtschaftlichen Entwicklung rasch voranzutreiben. «Geographische Informationen spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie bilden die Grundlage für viele politische Entscheidungen, von Fragen der Infrastruktur über den Umweltschutz bis zur Stadtplanung», so Brassel.

Studierende des Departementes für Statistik in der Schulung am CGIS: Das Zentrum will das Bewusstsein für geographische Informationen bei verschiedenen Zielgruppen fördern.

Erosion und Malaria sichtbar machen

So hat das CGIS kürzlich ein Projekt abgeschlossen, welches untersuchte, inwiefern die Fischerei auf den Binnenseen des Landes durch die Erosion der Böden beeinträchtigt wird. Ein anderes Projekt erstellt im Auftrag des Handelsministeriums eine «Trade Map», welche die in Rwanda existierenden Märkte und Handelswege sichtbar macht. Geographische Informationen sind auch im Gesundheitswesen gefragt. Eine Kartographin des CGIS entwickelt ein Informationssystem, welches die Verbreitung von Malaria und die Infrastruktur zu deren Behandlung aufzeigt.

Neben diesen konkreten Aufträgen ist das Zentrum auch bemüht, das Bewusstsein für geographische Informationen bei verschiedenen Zielgruppen zu fördern. So unterrichten Mitarbeitende des CGIS Studierende verschiedener Fachrichtungen. Wie geographische Informationen gewonnen und dargestellt werden können, lernen aber auch Angestellte von Ministerien oder die Schülerinnen und Schüler der «secondary schools» (Gymnasien) im ganzen Land.

Forschung mit Hindernissen

Nicht immer laufe im universitären Alltag alles reibungslos, berichtet Brassel. Manchmal stelle sich die universitäre oder staatliche Bürokratie in den Weg, ein andermal fehle schlicht die Infrastruktur: «Kürzlich hatten wir während zwei Monaten keinen Internetzugang, weil eine Telephonleitung verschüttet und nicht repariert worden war.»

Nach wie vor zu schaffen macht dem Land auch die eigene Vergangenheit. Noch heute finden wöchentlich lokale Gerichtshöfe zur Aufarbeitung des Genozids von 1994 statt. So wichtig dies für das Land ist, für die Universität bedeutet es, dass jeweils mittwochs kaum gearbeitet wird. «Ich habe gelernt, geduldig zu sein. Es funktioniert zwar alles ein bisschen, aber anders, als wir es uns gewohnt sind», so Brassel.

So bleibt noch viel zu tun, um die von der Regierung formulierte «Vision 2020» zu realisieren. Diese sieht unter anderem vor, in Rwanda eine prosperierende, wissensbasierte Wirtschaft zu etablieren. Entsprechend soll der Anteil der Studierenden in der Bevölkerung stark erhöht werden. Kurt Brassel ist allerdings überzeugt, dass dies nur gelingt, wenn die hohen Schulgebühren der öffentlichen Schulen gesenkt werden und Bildung dadurch für breitere Bevölkerungsschichten zugänglich wird.

Konnte Kontakte herstellen zwischen der National University of Rwanda und der UZH: Prof. Kurt Brassel. 

Türoffner für die Kooperation

Dass die Universitäten in Rwanda ihre Infrastruktur und ihre Forschungskapazität ausbauen können, dazu trägt auch die Unterstützung aus dem Ausland bei, insbesondere aus Schweden, den Niederlanden und den USA. Auch Kurt Brassel kann in Absprache mit seinem früheren Arbeitgeber gewisse Forschungsgelder der Universität Zürich in Butare einsetzen.

Die Kontakte zur UZH sind während seines Aufenthaltes in Rwanda nicht abgebrochen. Im Gegenteil, Kurt Brassel wurde zum Türöffner für die im Zusammenhang mit dem 175-Jahr- Jubiläum begonnene Zusammenarbeit der UZH mit afrikanischen Universitäten. Er hat an der NUR Kontakte herstellen können, die bisher beispielsweise zu Kooperationen in der Informatik, Politikwissenschaft und Medizin geführt haben.

Politik spielt mit

Wie sich die Wissenschaft in Afrika in Zukunft entwickeln wird, hänge nicht zuletzt von den politischen Rahmenbedingungen und dem Engagement der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ab, ist Brassel überzeugt. Im Gegensatz zu anderen afrikanischen Ländern sei die politische Lage in Rwanda derzeit stabil. Gute Voraussetzungen also für das CGIS, dem Land weiterhin zu helfen, eine detaillierte Übersicht über seine Infrastruktur und Ressourcen zu gewinnen. Kurt Brassel selber wird voraussichtlich noch bis Ende 2008 in Rwanda tätig sein: «Eine Nachfolgerin für die Direktion des CGIS haben wir bereits gefunden.»