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Augustinus hörte in seiner Lebenskrise ein Kind singen: «Nimm es, lies es», und er verstand es als Anruf Gottes, die Bibel aufzuschlagen und darin zu lesen. Diese Episode aus dem Leben des Heiligen erzählte Samuel Vollenweider, Dekan der Theologischen Fakultät, anlässlich der Schenkung kostbarer Kinderbibeln durch Regine Schindler. Er dankte damit der Donatorin für ihre wertvolle Sammlung, die Ergebnis wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit Kinderbibeln sei. Die Theologische Fakultät erhalte eine bibliographische Schatzkammer und damit eine Forschungsgrundlage für kommende Projekte.
Die Germanistin und Historikerin Regine Schindler – selbst Kinderbibelautorin – begann im Jahr 1965 mit ihrer, inzwischen mehr als 1700 Exemplare umfassenden Sammlung. Sie erwarb Neuerscheinungen und alte Kinderbibeln. Die Sammlung enthält Werke vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart hinein. Regine Schindler berücksichtigte bei ihrer Sammlertätigkeit wichtige Autoren, Werke oder Buchtypen, um ein breites Spektrum abzudecken. So ist zum Beispiel die in damaliger Zeit beliebte katechetische Kinderbibel von Johann Hübner (1714) in zahlreichen Ausgaben vorhanden. Das Schwergewicht liegt auf schweizerischen und deutschen Bibelausgaben. Fremdsprachige Werke sind nur beispielhaft vorhanden: holländische, skandinavische, englische, französische, zahlreiche italienische und wenig asiatische Bücher sind nun im Archiv an der Florhofgasse 8 untergebracht.
Zu den Besonderheiten gehört eine Bibel mit Radierungen des im 18. Jahrhundert bekannten Kupferstechers Johann Rudolf Schellenberg. Er illustrierte die für Kinder verfassten Bibeltexte von Johann Caspar Lavater. «Das ist mein Lieblingsbuch», erklärt Assistent Stefan Huber. Der Theologe und Historiker wird sich demnächst wissenschaftlich mit den älteren Kinderbibeln auseinandersetzen. Dazu finanziert ihm der Nationalfonds eine 50-Prozent-Stelle. Eine weitere Stelle, die sich dem Studium von Kinderbibeln in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts widmen soll, wird demnächst besetzt.
Professor Thomas Schlag vom Lehrstuhl «Praktische Theologie» ist froh um die Bereicherung der Bestände und um die zwei neuen Nationalfondsstellen. «Der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit liegt auf der hermeneutisch orientierten Auseinandersetzung mit dem Material und deren historischer Kontextualisierung», erklärte Thomas Schlag. Zudem solle die Kinderbibel-Forschung interdisziplinär ausgerichtet werden.
Die Donatorin Regine Schindler ist mit der Universität Zürich eng verbunden. Im Jahr 1985 erhielt sie die Ehrendoktorwürde der theologischen Fakultät für ihre Verdienste um die religiöse Erziehung. Sie wurde am 26.5.1935 in Berlin geboren und verbrachte ihre Kindheit in der Schweiz. «Bücher haben mich geprägt», erzählte Regine Schindler, deren Eltern den Atlantis-Verlag geleitet hatten. Als Kind habe sie oft erlebt, wie am Mittagstisch der Vater aufgestanden sei, um ein Buch zu holen und daraus vorzulesen. Später studierte sie Germanistik und Geschichte in Zürich und Berlin und promovierte mit einer Dissertation über Wielands Menschenbild. Anschliessend zog Regine Schindler zusammen mit ihrem Mann, dem Theologen Alfred Schindler, für neun Jahre nach Heidelberg. In die Schweiz zurückgekehrt, arbeitete sie als Redaktorin, Kursleiterin und Religionspädagogin. In den Siebziger Jahren veröffentlichte sie ihre ersten Werke für Kinder. Bereits damals stand die christliche Erziehung im Mittelpunkt ihres Schreibens. Bis heute sind über fünfzig, vielfach ausgezeichnete Bücher der Autorin erschienen, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden.
Zur Sammlung gehört nun auch die von Regine Schindler verfasste Kinderbibel «Mit Gott unterwegs».