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Wieder mal in eine Schweizerhose beissen

Alte Obstbaumwiesen werden mehr und mehr durch Neubausiedlungen verdrängt, die Obstbäume durch pflegefreie, immergrüne Koniferen ersetzt. Um den ökologischen und kulinarischen Wert der fast schon vergessen Hochstamm-Obstbäume wieder ins Bewusstsein zu rufen, hat der Botanische Garten sogar ein Loch in den Zaun geschnitten.
Brigitte Blöchlinger und Marita Fuchs

Von Api rose bis Schweizerhose (rechts im Bild): alte Hochstamm-Apfelsorten.

Der Botanische Garten der Universität Zürich stand vergangenen Samstag ganz im Zeichen der Hochstamm-Obstsorten. Die Besucherinnen und Besucher konnten an diversen Ständen fünfzig längst vergessene oder noch nie genossene Aepfel und Birnen kosten. Ein Lehrpfad führte durch ein Loch im Zaun des Botanischen Gartens über die wunderschöne Obstwiese zum Quartierbauernhof Weinegg, wo das traditionelle Mostfest stattfand. Der Lehrpfad zeigte nicht nur die verschiedensten alten Apfelsorten, die heute kaum jemand mehr kennt, sondern machte auch auf die ökologische Bedeutung der Biodiversität von Obstbäumen aufmerksam.

An den Ständen konnten Besucherinnen und Besucher alte Apfelsorten kennen lernen, degustieren und diverse Produkte kaufen.

Kulinarische Verarmung

Die «Schweizerhose» zum Beispiel ist eine gestreifte Abart der Sorte «Lange Grüne Herbstbirne», die bereits seit mehr als dreihundert Jahren existiert. Das Fleisch ist saftig, mit einem feinen rosenartigen Geschmack. Heute kennt sie so gut wie niemand mehr. Auch der Glockenapfel ist innerhalb einer Generation aus den Regalen der Lebensmittelgeschäfte verschwunden. Dass man beim Grossverteiler nur mehr vier oder fünf Apfelsorten finde, führe zu einer kulinarischen Verarmung, sagte eine Besucherin. Der etwas säuerliche Glockenapfel war ab 1865 in Deutschland und in der Schweiz weit verbreitet. Eigentlich lässt er sich gut lagern, doch der Obstfreund findet ihn heute nur mehr auf grossen Märkten.

Gut besucht: der Obstsorten-Weg vom Quartierbauernhof Weinegg zum Botanischen Garten

Biodiversität fördern

Doch nicht nur kulinarisch ist die Reduzierung der Artenvielfalt ein Problem. Auch ökologisch ist sie bedenklich, weil mit dem Verschwinden der Hochstamm-Obstgärten auch der Lebensraum zahlreicher seltener und bedrohter Tiere wegfällt. Rund vierzig Vogelarten und über tausend Insekten, Spinnen und andere wirbellose Tierarten konnten in Hochstamm-Obstgärten gefunden werden. Je grösser der Obstgarten, desto besser für spezialisierte Obstgartenbewohner: Der Kleinspecht lässt sich erst dann in Obstgärten nieder, wenn dieser aus rund hundert Bäumen besteht. Wiedehopf und Steinkauz brauchen gar mindestens dreihundert Bäume, um sich wohl zu fühlen.

Augenschein auf dem Bauernhof

Hochstamm-Obstbäume leben sechzig bis hundert Jahre lang. Doch auch als absterbende Bäume bieten sie artgerechten Lebensraum und Nahrung. In toten Ästen oder Stämmen von alten Obstbäumen können Spechte ihre Nisthöhlen bauen. Zuerst zieht der Specht seine Jungen in der Höhle auf, in den folgenden Jahren nisten Kohl-, Blau- oder Sumpfmeisen, Stare oder Kleiber. Auch Fledermäuse können die Höhlen als Tagesschlafstätte brauchen. Manchmal legen Wespen oder Hornissen ihre kunstvollen Nester darin an.

Höhlen in abgestorbenen Obstbäumen dienen vielen Tieren als Nistplatz.

Nach einer gewissen Zeit muss jedoch der Bestand eines Hochstamm-Obstgartens nach und nach verjüngt werden. Ein gesunder Obstbaumgarten sollte zu etwa einem Fünftel aus jungen Bäumen bestehen. Gartenbesitzerinnen und -besitzer liessen sich am Obstsortenmarkt und an den Ständen des Parcours denn auch gerne Tipps geben, wie sie ihre Obstbäume pflegen oder neue aufziehen können.