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Reduktion der Treibhausgase um 5,2 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990, Verbesserung der Trinkwasserversorgung für 1,2 Mrd. Menschen bis 2015, Reduktion des Biodiversitätsverlusts bis 2010, Reduktion des Anteils der Menschen, die in grösster Armut leben, um die Hälfte bis 2015: An Zielen, zu denen sich die internationale Gemeinschaft unter dem Titel «Nachhaltigkeit» verpflichtet hat, fehlt es wahrlich nicht. «Bei der Umsetzung haben wir jedoch ein riesiges Defizit», stelle Volker Hauff, Vorsitzender des deutschen Rats für Nachhaltige Entwicklung an seinem Vortrag in der Aula der Universität Zürch fest.
In der EU beispielsweise haben nur Grossbritannien und Deutschland ihre Kyoto-Verpflichtungen eingehalten – letzteres hauptsächlich wegen der Schliessung alter Kraftwerke und Industrieanlagen in den neuen Bundesländern. Die anderen Staaten liegen zum Teil massiv darüber. Das hinderte die EU-Staaten in diesem Frühjahr jedoch nicht daran, ihre Reduktionsziele bis 2020 nochmals zu erhöhen, statt darüber zu diskutieren, weshalb die Ziele bis jetzt derart verfehlt wurden. «Solche Ziele sind 'just show'», kommentierte Hauff, «wenn es nicht gleichzeitig konkrete Umsetzungspläne und ein wirksames Controlling gibt.»
Als Schrittmacher für einen – nach seiner Ansicht – unumgänglichen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit sieht er denn auch weniger die Politik, sondern die Wirtschaft an: «In der Wirtschaft findet ein Paradigmenwechsel statt. Es kommt nicht mehr nur Abwehr, sondern viele Impulse im Bereich Nachhaltigkeit.» Viele Unternehmen sähen mehr Chancen als Risiken in einer Hinwendung zu nachhaltigem Wirtschaften. Spätestens seit dem Stern-Report sei es auch rational erklärt, dass es gesamtwirtschaftlich billiger komme, jetzt zu handeln, als nichts zu tun.
Wie jeder echte Wandel könne aber auch der Wandel zu nachhaltigem Wirtschaften nicht nur Gewinner hervorbringen. «Nachhaltigkeit ist keine Kuschelveranstaltung, bei der es nur Win-Win-Situationen gibt», stellte Hauff klar. Bei einigen Unternehmen werde es «ans Eingemachte» gehen und einige würden auch als Verlierer auf der Strecke bleiben. Von reinen Appellen zu moralischem Handeln hält Hauff deshalb nicht viel: «Oft sind sie Ablenkungsmanöver, um nicht die notwendigen und schmerzhaften Entscheide fällen zu müssen.»
Das Denken, das Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit als Gegensätze sehe, sieht Hauff jedoch als überwunden an. So zeigte beispielsweise kürzlich eine Studie in Deutschland, dass eine Senkung des Energieverbrauchs um 30 Prozent mit den heute verfügbaren Mitteln ohne Nachteile für die Gesamtwirtschaft möglich wäre.
«Dass man mit Nachhaltigkeit Geld verdienen kann und dass man nachhaltig Geld verdienen kann, daran glauben die Unternehmen langsam», ist Hauff überzeugt und sieht darin einen der wichtigsten Fortschritte der vergangenen Jahre.
Thomas Dyllick, Prorektor der Universität St.Gallen und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Wirtschaft und Ökologie der HSG, konnte dies in der anschliessenden Diskussion mit Beispielen, etwa des Autoherstellers Toyota oder der Mischkonzerns General Electric untermauern. Dort ist Nachhaltigkeit zentraler Teil der Unternehmensstrategie, die vom Top-Management mitgetragen wird. Dies nicht zuletzt auch aus wirtschaftlichen Gründen, weil hier grosse Marktchancen erkannt wurden.
Die Situation sei hier gerade spiegelbildlich zur Politik, so Dyllick: «In der Wirtschaft ist nicht die Umsetzung das Problem. Die Unternehmen sind gut darin, Ziele zu erreichen und haben auch das entsprechende Instrumentarium. Was ihnen fehlt, sind die Ziele.» Die Frage sei deshalb, wie die Nachhaltigkeits-Ziele Eingang in die Unternehmensstrategien fänden.
Auch Hans-Peter Fricker, CEO des WWF Schweiz, sieht die Impulse eher in der Wirtschaft, denn in der Politik: «Die Wirtschaft ist viel weiter als die Politik in der Einsicht in die Probleme.» Nicht unschuldig daran sind nach Frickers Auffassung auch die Wirtschaftsverbände, die wesentlichen Einfluss auf die Politik ausüben. «Sie vertreten oft ganz andere Positionen als die Einzelunternehmen und wirken so als Bremser.»
Im Falle der CO2-Reduktion habe die Politik zum Beispiel diejenigen Unternehmen bestraft, die früh selbständig in die CO2-Reduktion investiert hätten, erklärte Nationalrätin Ruth Genner, Präsidentin der Grünen Partei. «Die in Aussicht gestellten markwirtschaftlichen Lenkungsinstrumente wurden nicht eingeführt». Das die Politik in der Schweiz keine führende Rolle spielt, liegt nach Genners Auffassung auch daran, dass im Bundesrat in der Klimapolitik «weder in der Analyse noch in der Zielsetzung Einigkeit herrscht.»