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Hochbegabte sind keine «Fachidioten»

Obwohl Intelligenz zum grössten Teil angeboren ist, kann ihre gezielte Förderung entscheidenden Einfluss haben. Weshalb dies kein Widerspruch ist, erläuterte der Hirnforscher und Präsident der Studienstiftung des deutschen Volkes, Gerard Roth, anlässlich der Jubiläumsfeier der Schweizerischen Studienstiftung.
Theo von Däniken

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Seit 15 Jahren fördert die Schweizerische Studienstiftung besonders begabte Studentinnen und Studenten. Im Zentrum steht dabei nicht das Fachwissen in einer Disziplin, wie Stiftungspräsident Prof. Dr. Meinrad Eberle an der Jubiläumsfeier sagte, sondern die Entwicklung der Persönlichkeit. «Manager scheitern selten wegen fehlender Fachkompetenz, sondern wegen der zu geringen Sozialkompetenz». Ziele und Angebote der Studienstiftung sind deshalb auch auf den interdisziplinären Austausch, den Dialog und Kontakt der geförderten Studierenden untereinander und zu Professorinnen und Professoren ausgerichtet.

Meinrad Eberle, Präsident der Schweizerischen Studienstiftung, bedankt sich beim Präsidenten der Mercator Stiftung Schweiz, Michael Schmid, für die am Mittwoch bekannt gegebene finanzielle Unterstützung.

Hochbegabte Menschen sind in den seltensten Fällen «Fachidioten», wie der Hirnforscher Prof. Dr. Gerhard Roth in seinem Vortrag über Gehirn und Begabung erklärte. Das Gegenteil sei der Fall: Die meisten Hochbegabten zeigten Begabungen in verschiedenen Bereichen, können beispielsweise auch früher laufen und sprechen als andere Kinder und seien psychisch und physisch weniger auffällig.

Intelligenz ist messbar

Anders als verschiedene Auffassungen darüber glauben liessen, sei Intelligenz eines der am besten messbaren Persönlichkeitsmerkmale des Menschen. Als Intelligenz werde dabei die Fähigkeit bezeichnet, sich in neuen Situationen aufgrund von Einsichten zurechtzufinden und mit Hilfe des Denkens Aufgaben zu lösen, für die auf keine bereits vorliegende Lösung zurückgegriffen werden könne.

Diese Fähigkeit kann in standardisierten Tests gemessen und mit einem Quotienten – dem IQ – angegeben werden. Die grosse Mehrheit der Menschen, knapp 70 Prozent, bewegen sich, so Roth, in einem IQ-Bereich zwischen 85 – 115. 14 Prozent liegen zwischen 115 und 135 und 1 Prozent liegt über 135, was gemeinhin als «hochbegabt» bezeichnet wird. Hochbegabung sei demnach gar nicht so selten. In Deutschland seien es immerhin rund 800'000 Menschen, wie Roth erklärte.

«Die Förderung der Intelligenz kann den Unterschied zwischen leicht unterdurchschnittlichem und Maturitätsniveau ausmachen»: Gerhard Roth.

Intelligente Gehirne arbeiten weniger

Bei besonders intelligenten Menschen ist die fluide Intelligenz besonders ausgeprägt. Sie sitzt im so genannten «Arbeitsgedächtnis» im Stirnhirn und bezeichnet die Fähigkeit, Situationen und Probleme erkennen zu können. Das Arbeitsgedächtnis verarbeitet die Informationen, sucht das in anderen Gehirnbereichen gespeicherte Expertenwissen, das für die Lösung des Problems notwendig ist und kombiniert dieses Expertenwissen für die Problemlösung.

Bei intelligenten Menschen verlaufen diese Prozesse besonders rasch und effizient, wie Roth erläuterte. Effizienz wird durch die Automatisierung von Aufgaben erreicht – was wir gemeinhin als «Eselsbrücken» bezeichnen. Sie erlauben es, dass das Expertenwissen viel rascher gefunden und abgerufen werden kann als bei weniger intelligenten Menschen. Untersuchungen zeigen, dass bei Menschen mit höherem Intelligenzquotienten, beim Lösen von Aufgaben das Gehirn allgemein weniger Aktivität aufzeigt, als bei Menschen mit geringerem Intelligenzquotienten.

Angeboren oder angelernt?

Die Frage, ob Intelligenz genetisch bedingt oder durch Umwelteinflüsse geprägt werde, könne heute aufgrund zahlreicher Studien beantwortet werden, erklärte Roth:

«Intelligenz ist zu rund 80 Prozent angeboren.» Wobei, wie Roth deutlich machte, angeboren nicht gleichzusetzen sei mit genetisch bedingt. Denn man gehe heute davon aus, dass das Gehirn bereits vor der Geburt entscheidend geprägt werde. Ob die angeborene, also bei Geburt vorhandene, Intelligenz mehr von den Genen oder von den Einflüssen auf den Fötus geprägt sei, können heute nicht entschieden werden.

Förderung ist in jedem Fall wichtig

Auch wenn die Intelligenz zum grössten Teil angeboren sei, bedeute dies nicht, dass sie nicht noch entscheidend geprägt werden könne. Weil die meisten Menschen einen IQ im Bereich einer relativ engen Bandbreite haben, können die 20 Prozent, die nicht angeboren sind, den Unterschied zwischen einem IQ über dem Durchschnitt und einen unterdurchschnittlichen IQ ausmachen. Roth warnte davor, die Zuweisung zu Schulstufen vom IQ abhängig zu machen. Weil sich die Mehrheit in einem relativ eng begrenzten Bereich bewegt, würden sich die IQ-Verteilungen von Hauptschülern und von Abiturienten zu einem grossen Teil überschneiden.

Förderung sei deshalb in jedem Fall wichtig, wobei die Art der Förderung dem Intelligenzniveau angepasst werden müsse. Menschen mit einem geringeren IQ benötigten eher eine von aussen kommende Förderung. Hochintelligente hingegen benötigen mehr fördernde Umwelteinflüsse, die zu eigenem Weiterdenken anregen.

Für eine Förderung in verschiedenen Bereichen spricht auch die Tatsache, dass eine hohe Intelligenz alleine noch keine Garantie für beruflichen Erfolg ist: Rund 15 Prozent der Hochbegabten können ihre Intelligenz nicht im Beruf umsetzen. Erfolg hängt nicht alleine von der Intelligenz ab; entscheidende Faktoren sind die Motivation sowie das Streben nach Einfluss und Erkenntnis, aber auch die Fähigkeit, sich selber und seine Lernleistungen einzuschätzen. Ebenso wichtig ist, laut Roth, dass die Kinder durch Eltern und Lehre früh zu einer aktiven und selbständigen Lebensgestaltung herangeführt werden.

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