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Der Tagungsort war gut gewählt. Vertreterinnen und Vertreter aus Kirche, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft trafen sich am vergangenen Freitag im Hotel Savoy – am Paradeplatz. «Zwischen Grossmünster und Paradeplatz» lautete denn auch der Titel des Symposiums, das vom Institut für Sozialethik und der Katholischen Kirche im Kanton Zürich organisiert wurde. Zentral ging es dabei um die Frage, welchen Einfluss das Christentum in seiner protestantischen und katholischen Ausprägung auf das Wirtschaftsleben hatte und in Zukunft haben könnte.
Das «protestantische Arbeitsethos» habe die prosperierende wirtschaftliche Entwicklung erst ermöglicht, hatte der Soziologe Max Weber 1905 in seinem Buch «Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus» die These aufgestellt. Die reformierte Auffassung des christlichen Lebens als ein Dienst, den der Christ in dieser Welt zu leisten hat, habe zur Entwicklung dieses Arbeitsethos beigetragen, so Professor Johannes Fischer vom Institut für Sozialethik. Gleichzeitig sei für den Reformator Zwingli aber auch ein «hohes soziales Ethos» wichtig gewesen.
Die Zürcher Reformation verstand sich nämlich nicht nur als Reformation der Kirche, sondern auch als Erneuerung von Staat und Gesellschaft, sagte Ruedi Reich, Theologe und Kirchenratspräsident der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich. Das ungerechte Zinswesen habe Zwingli ebenso beschäftigt wie die Leibeigenschaft und das Elend der Söldner. Es sei Zwingli ein Anliegen gewesen, die menschliche Gerechtigkeit der göttlichen Gerechtigkeit zumindest anzunähern.
Seitens des Katholizismus ist bezüglich Wirtschaftsethik insbesondere die im 19. Jahrhundert entwickelte «Soziallehre» zu erwähnen. Sie erklärte Werte wie die Würde der Person, Solidarität und Subsidiarität zu zentralen Kriterien für Wirtschaft und Politik.
Während die protestantische Ethik unter anderem mit dem Arbeitsethos «tiefer in die Entstehungsgeschichte des 'Geistes des Kapitalismus' verwickelt» sei, könne die katholische Soziallehre eher als «externes Korrektiv» des an sich unbestrittenen Marktgeschehens betrachtet werden, argumentierte Peter Ulrich, Professor für Wirtschaftethik an der Universität St. Gallen. Die katholische Soziallehre habe allerdings einen «kaum zu überschätzenden Beitrag zur Idee eines in sich ausgewogenen Sozialstaates geleistet», so Professor Johannes Fischer. Die katholische Soziallehre habe allerdings einen «kaum zu überschätzenden Beitrag zur Idee eines in sich ausgewogenen Sozialstaates geleistet», so Professor Johannes Fischer.
Was aber ist geblieben von Arbeitsethos und Soziallehre, in einer Zeit der Globalisierung? «Erschrecken Sie nicht», meinte Peter Hasler, früherer Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes. In seiner 35-jährigen Tätigkeit in Wirtschaftsverbänden sei nur ein einziges Mal ein ethisches Thema traktandiert gewesen: die Managerlöhne. Ein zu heisses Eisen, habe man befunden, und sich nicht dazu verlauten lassen.
In den Unternehmen selber sei die Ethik in den 1990er Jahren wegen offensichtlicher Missbräuche aber ein grosses Thema geworden. Leitbilder entstanden, und Begriffe wie «Corporate Social Responsibility» und «Code of Conduct» begannen die Runde zu machen. Zu einem ethischen Verhalten gehören dabei nach Hasler auch Werte wie Kundenorientierung, Qualitätsdenken und Zuverlässigkeit. Das wirtschaftliche Leben sei im Vergleich zu früheren Jahrhunderten sozialer geworden, aber die Errungenschaften stünden unter dem Druck des internationalen Konkurrenzkampfes.
Eine zunehmende Bedeutung ethischer Werte stellt auch Alois Bischofberger fest, Chefökonom der Credit Suisse Group. Ethische Richtlinien in Unternehmen liessen sich allerdings nicht auf eine bestimmte Konfession zurückführen. Gerade in global tätigen Unternehmen müssten sie unterschiedliche Religionen und Kulturen berücksichtigen.
«Die Kirche hat ihre führende Rolle auf dem Markt der Werte verloren», stellte Peter Hasler schlicht fest. Zwar habe sie über den Kirchenbesuch früher indirekt die wirtschaftlichen Akteure mitgeprägt. Angesichts der «leeren Kirche» sei allerdings auch diese Wirkung nicht mehr garantiert.
Er rief die Kirchenvertreter trotzdem auf, sich «bitte etwas lauter zu Wort zu melden» und die öffentliche Diskussion um ethische Fragen anzuregen: «Wer sonst soll uns die Werte geben?» Die Kirchen sollten sich dabei allerdings auf die Diskussion von Grundwerten beschränken. Die konkrete Ausgestaltung des Wirtschaftslebens müsse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgehandelt werden.
Peter Ulrich kann sich eine weitergehende Einflussnahme der Kirchen vorstellen, denn es gelte, «die Marktwirtschaft zu zivilisieren». Ein gesichertes Grundeinkommen könnte dazu gemäss Ulrich ein geeignetes Modell sein. Es sei ein Modell, das gerade die Kirchen interessieren könnte, da es politisch weder links noch rechts zu verorten sei und dem christlichen Menschenbild der solidarischen Mitverantwortung entspreche.
Einig war man sich am Symposium, dass es die Aufgabe der Kirche ist, sich an der öffentlichen Debatte zu beteiligen und diese zu fördern, etwa bezüglich ethischer Standards und der globalen Durchsetzung von Menschenrechten.
Die Ethik könne sich dabei nicht auf einzelne Fragen beschränken, sondern müsse in die Prinzipien menschlichen Tuns und damit auch wirtschaftlichen Tuns integriert sein. Eine Vorstellung, die heute als ökumenisch bezeichnet werden könne, sagte Christoph Stückelberger, Leiter des Institutes für Theologie und Ethik des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes.