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Timor domini initium sapientiae – die Furcht vor dem Herrn ist der Anfang der Weisheit. Die biblische Sentenz ist auf dem Medaillon der Kette eingraviert, die der Rektor bei feierlichen Anlässen trägt. Wie der Dekan der Theologischen Fakultät Samuel Vollenweider ausführte, nimmt diese Weisheit nicht auf die Person des Rektors selbst Bezug, wohl aber auf das einstige Selbstverständnis der Universität.
Dekan Vollenweider bezog jedoch auf dem Symposion zum 60. Geburtstag von Rektor Hans Weder die Aufschrift auch auf den Jubilar selbst: «Der Anfang der Weisheit unseres Rektors, mit der er die Geschicke der Alma mater leitet», führte der Gratulant feierlich aus, «liegt im Kreise derer, die sich mit der Gottesfurcht beschäftigen, eben in der Theologischen Fakultät.»
An der Theologischen Fakultät hat Hans Weder rund 30 Jahre seines akademischen Wirkens verbracht. Schon in den ersten Studiensemestern habe er in Zürich einen grossen Lehrer gefunden: Prof. Eberhard Jüngel, der von 1966 bis 1969 in Zürich Systematische Theologie und Dogmengeschichte lehrte. Wie Dekan Samuel Vollenweider ausführte, war diese Begegnung für den jungen Studenten Hans Weder prägend, wie ein frühes Zitat zeigt: «Ich weiss nicht, was mich veranlasste, als Student der Theologie im ersten Semester die Systematische Vorlesung Eberhard Jüngels zur Gotteslehre zu besuchen. Ich weiss auch nicht, ob dies vom Standpunkt der Studienplanung irgendeine Rationalität hatte. Ich weiss nur, dass ich seither jede Gelegenheit benutzte, diesen grossen theologischen Lehrer zu hören. In jener Vorlesung begegnete ich einer theologischen Vernunft, die meine Existenz in ungeahntem Mass bereicherte.»
Der solchermassen gepriesene Lehrer des Jubilars war selber zum Symposion eigens aus Tübingen angereist, wo er bis zu seiner Pensionierung lehrte. Er sprach über das «Anteilgeben an der Ewigkeit». Dass ein wesentlicher Bestandteil des christlichen Glaubens die Hoffnung sei, der Mensch könne Anteil an Gottes Ewigkeit erlangen, erfülle sich in gewisser Weise schon im irdischen Leben, sagte Jüngel. «Denn», zitierte er Luther, «wo Vergebung der Sünden, da ist auch Leben und Seligkeit.» Es gebe also schon im Diesseits so etwas wie Ewigkeit in einem Augenblick. Am Ende seines Vortrags kam Jüngel auf die Liebe zu sprechen: «Luther sagt, die Sünder sind deshalb schön, weil sie geliebt werden. Sie werden nicht geliebt, weil sie schön sind, sie werden erst dadurch schön, dass sie geliebt werden.» Ein bekannter jiddischer Berliner Schlager habe das auf den Punkt gebracht: «Bei mir biste scheen.»
Die Regierungsrätin und Präsidentin des Universitätsrates Regine Aeppli führte dem Publikum zunächst das subjektive Erleben zeitlichen Geschehens vor Augen: «Wir haben zwar die Gewissheit, dass der Rektor der Universität Zürich vor kurzem 60 Jahre alt geworden ist, aber wir wissen nicht, wie alt oder wie jung er sich fühlt. Es ist auch gut möglich, dass er sich heute deutlich jünger fühlt als gestern.»
Neben dem subjektiven Empfinden spiegle sich das heutige allgemeine Zeitverständnis in der populären Redewendung «Zeit ist Geld», sagte Aeppli. Max Weber habe in seinem Werk «Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus» einen von Kosten-Nutzen-Erwägungen bestimmten Zeitbegriff geprägt. Damit seien der Druck, seine Zeit «sinnvoll» und «wirtschaftlich» zu nutzen, sowie das Streben nach Rationalisierung zur gesellschaftlichen Maxime erhoben und gleichzeitig die Rechtfertigung für Stress am Arbeitsplatz geschaffen worden.
Inzwischen sei Rationalisierung zum Selbstzweck geworden, indem sie einen Teil der arbeitsfähigen Bevölkerung von der Arbeit ausschliesse. «Höchste Zeit also, neue und attraktivere Orientierungs- und Bewertungsmuster für Zeit-Erfahrungen und Zeit-Ökonomie zu entwickeln», forderte die Regierungsrätin.
Zum Ende ihrer Ausführungen ging Regine Aeppli auf die Spuren, die Zeit hinterlassen kann, ein. Anschaulich und mit einem Augenzwinkern zeigte sie am Beispiel von Abbildungen des jungen und des älteren Robert Redford das Wirken der Zeit: «Bei den eher erdgebundenen Typen hinterlässt die Zeit im Gesicht Spuren wie in einem frisch gepflügten Acker», kommentierte Aeppli. Es folgte eine Folie mit Bildern des jungen und des älteren Rektors. «Bei den Typen, die eher zum Ätherischen neigen, manifestieren sich die Zeitspuren in der Verflüchtigung gewisser Körperbestandteile», führte sie aus und spielte damit auf den Rückgang des Kopfhaares an. «Trotzdem», sagte Aeppli schmunzelnd mit Blick auf den Rektor, «bei mir biste scheen.»